Niederlande

iPads für alle

Maurice de Hond (66) Foto: imago

In den 90er-Jahren zeichnete Maurice de Hond in seinem Buch Dank der Lichtgeschwindigkeit ein Bild vom Leben im digitalen Zeitalter: Onlineshopping und Preisfinder, Geschäftstreffen und Konferenzen, die virtuell stattfinden – der User emanzipiert sich gegenüber Medien und Machthabern. Das Buch machte de Hond in den Niederlanden zu einem bekannten Mann, er hielt mehr als 100 Lesungen im Jahr und wurde zu einem Internetguru.

Schon damals kritisierte er, dass das Zehn-Finger-Tippen an niederländischen Schulen nicht obligatorisch sei. Heute fordert er, zusätzlich HTML zu lehren. Dass Gymnasien stattdessen an Pflichtfächern wie Latein oder Griechisch festhalten, belegt laut de Hond vor allem eines: Die Schule ist nicht auf die Zukunft ausgerichtet, sondern auf die Vergangenheit. Sie ignoriere die Möglichkeiten der digitalen Welt, wobei Schüler auch unter den beschränkten Kapazitäten der Lehrer litten: »Wie kann es sein, dass Kinder gerne lernen würden, Filme zu drehen, aber nicht dazu kommen, weil ihre Lehrer nicht wissen, was iMovie ist?«

Eltern Ein typisches Statement für Maurice de Hond: pointiert, deutlich und bissig. Seine eigene Geschichte ist die eines Aufsteigers. Der heute 66-Jährige stammt aus dem »jüdischen Proletariat« Amsterdams. Seine Eltern sind Auschwitzüberlebende. Die Mutter erzählte 1996 im Rahmen von Steven Spielbergs Survivors of the Shoah, dass sie in »Block 10« des Lagers saß, wo Experimente mit jüdischen Frauen durchgeführt wurden, um sie unfruchtbar zu machen. Sie war eine der wenigen, die später noch ein Kind bekamen.

Ihr Sohn Maurice erlangte als Erster in der Familie einen höheren Schulabschluss. Als Student lernte er das Programmieren. Er arbeitete in der Marktforschung, wo er sich bald einen Namen als IT-Experte machte. »Alles, was mit Computern zu tun hatte, war mein Bereich.« Später wechselte er in die Internetökonomie, ging nach der Jahrtausendwende pleite und ist seither als Ein-Mann-Umfragebüro eine Institution in den Niederlanden.

Stiftung Seit einiger Zeit setzt er sich – selbst fünffacher Vater – dafür ein, dass an öffentlichen Grundschulen iPads genutzt werden. Individuelle Förderung statt veralteter Lehrpläne, verspricht die Stiftung »Education for a New Era«, die für das Konzept verantwortlich ist. Die Stundenpläne folgen persönlichen Interessen der Kinder und werden alle sechs Wochen gemeinsam mit Eltern und Lehrern festgelegt. Die Anfangszeiten sind gleitend, die Ferien flexibel: Beides muss jedoch in Absprache mit der Schulleitung geplant werden. Derzeit beteiligen sich sieben Schulen an dem Pilotprojekt, drei weitere sollen demnächst folgen. Jüdische sind nicht darunter.

Maurice de Honds Einsatz für die iPad-Schulen ist biografisch bedingt: Seine jüngste Tochter war kaum aus den Windeln, als sie auf Papas Tablet Dinge anstellte, die selbst den digitalen Avantgardisten verblüfften.

Maccabi Was die jüdischen Anteile seiner Biografie betrifft, gibt sich Maurice de Hond zurückhaltend und knapp: »Beschneidung, Barmizwa, Maccabi.« Bei Letzterem stand der Fußballbegeisterte jahrelang im Tor, 1969 fuhr er mit zu den Maccabi-Spielen. An zwei weiteren Maccabi Games nahm er als Schiedsrichter teil. Um 1980 pfiff er zwei Jahre lang sogar bei Profispielen. Und dann ist da noch Jom Ha Voetbal: ein internationales Fußballturnier für jüdische Teams, das jeden Sommer in Amsterdam stattfindet. Maurice de Hond organisiert es seit mittlerweile 30 Jahren.

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024