Grossbritannien

Ihren Ausweis, bitte!

Von Interpol gesucht: die elf mutmaßlichen Attentäter Foto: dpa

»Wir waren 18 Jahre alt und im Kibbuz«, erinnert sich ein jüdischer Brite, der anonym bleiben möchte. »Wenn der Gruppenleiter jemanden fragte: ›Kann ich mal deinen Ausweis haben‹, stellte man keine Fragen. Mein Pass kam mit einem rumänischen Stempel zurück.« Ein Einzelfall? Oder ein Massenphänomen?

Die Ermordung des Hamasführers Mahmud al-Mabhuh am 20. Januar in einem Dubaier Hotel hat Israel in eine tiefe diplomatische Krise gestürzt. Obwohl die Reaktion von offiziellen Stellen des jüdischen Staates bislang zurückhaltend war, glaubt der Rest der Welt, das Attentat ginge auf das Konto des israelischen Geheimdienstes. »Der Mossad hat bei mehreren Gelegenheiten in der Vergangenheit gefälschte Pässe benutzt und mit den Namen von lebenden Personen und den Fotos seiner Agenten versehen«, schrieb die israelische Tageszeitung Haaretz.

tatverdacht Die elf mutmaßlichen Attentäter waren mit gefälschten europäischen Pässen nach Dubai eingereist und wurden auf Schritt und Tritt von Überwachungskameras gefilmt. Offenbar waren die Drahtzieher der Aktion davon ausgegangen, dass die Sicherheitskräfte in Dubai ihnen nicht auf die Spur kommen würden. Doch die Behörden des Emirats haben vergangene Woche die Fotos und Personenangaben von zehn tatverdächtigen Personen veröffentlicht. Der Polizeichef von Dubai ist sich zu »99, wenn nicht 100 Prozent sicher«, dass der Mossad involviert war.

Deutschland, England, Frankreich und Irland baten Israel empört um Aufklärung. Aber die diplomatischen Vertreter des jüdischen Staates hüllen sich in Schweigen.

verpfuscht Der in London erscheinende Guardian sprach von einer »verpfuschten Aktion« mit signifikanten Nachwehen: »Im gegenwärtigen Klima dürften die in Dubai hinterlassenen Spuren Israels internationalem Ansehen sehr wahrscheinlich großen Schaden zufügen«, zitierte die Tageszeitung den ehemaligen Diplomaten Alon Liel. Scott Stewart im Jewish Chronicle war dagegen ganz anderer Ansicht: »In meinen Augen war diese Operation ein totaler Erfolg. Das Team hatte ausgezeichnete Informationen, war sehr gut vorbereitet und ihr Vorgehen aalglatt.«

Was aber bedeutet das Attentat für britische Juden, die Alija machen wollen? Müssen jüdische Einwanderer Angst um ihre Identität haben, wenn sie israelischen Behörden ihre Ausweise überlassen? Michael Yankelovich, Sprecher der Jewish Agency in Jerusalem, sieht hier keine Probleme: »Es gibt doch keine Verbindung zwischen dem Mossad und der Jewish Agency.« Auf die Frage, ob die Bemühungen der Jewish Agency auf diese Weise nicht untergraben würden, geht er nicht ein.

Michael Harry Klein, ein in London lebender Jude mit US- und britischer Staatsangehörigkeit, hält den Diebstahl seiner Identität zumindest für eine reale Gefahr: »Ein Freund von mir ist kürzlich nach Israel ausgewandert, und auch ich habe schon mit diesem Gedanken gespielt.« Hat er Angst davor, dass seine persönlichen Daten zu Spionagezwecken missbraucht werden könnten: »Genauso viel Angst, wie bei einem Bombenanschlag ums Leben zu kommen. Und weil ich nicht glaube, dass, wer auch immer für das Attentat verantwortlich war, diese Methode noch einmal anwenden wird, mache ich mir eher Gedanken darüber, was wohl als Nächstes kommen könnte.«

doppelmoral Grafikdesignerin Lea Goldberg aus dem Londoner Stadtteil Hackney, die eine Zeit lang als Offizierin in der israelischen Armee gedient hat, ist entrüstet über die Doppelmoral der westlichen Medien: »Manche Leute haben geradezu ›romantische‹ Vorstellungen davon, wie der Mossad ständig Menschen entführt und verprügelt. Ich mache mir wenig Sorge um meine Identität, denn der Mossad zwingt ja niemanden, etwas zu tun.« Doch wie die ganze Sache im Westen dargestellt wird, finde sie heuchlerisch, sagt Goldberg. »Ich bin sicher, dass alle Geheimdienste ständig so etwas tun.«

Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt traf dieser Tage der israelische Diasporaminister Yuli Edelstein in Großbritannien ein, um eine neue PR-Aktion der Jerusalemer Regierung vorzustellen. Das Thema: »Wie Israelis im Urlaub das Ansehen ihres Landes verbessern können.« So empfahl Edelstein unter anderem: »Lassen Sie sich nicht in Diskussionen über internationale Politik verwickeln. Reden Sie stattdessen über Ihr Leben und Ihre Nachbarn.« Die Ratschläge mögen gut gemeint sein, erfüllen kann sie dieser Tage in London kaum jemand.

Anschlag auf Synagoge »völlig vorhersebare Entwicklung«

 06.12.2024

Australien

Brandanschlag auf Synagoge in Melbourne

Das Gotteshaus ging in Flammen auf

 06.12.2024

Streit um FPÖ-Immunität

Jüdische Studenten zeigen Parlamentspräsidenten an

Walter Rosenkranz habe Ansuchen der österreichischen Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der Immunität von drei FPÖ-Parteifreunden verschleppt.

von Stefan Schocher  05.12.2024

USA

Trump will Jared Isaacman zum NASA-Chef ernennen

Der mögliche zweite Jude auf dem Chefsessel der Weltraumbehörde hat ehrgeizige Vorstellungen

von Imanuel Marcus  05.12.2024

Frankreich und der Nahe Osten

Diplomatisches Tauziehen

Paris soll eine Schlüsselrolle im Aushandeln der Waffenruhe im Libanon gespielt haben

von Florian Kappelsberger  04.12.2024

Nachruf

Der Mann mit dem bestechenden Lächeln

Der israelische Resilienz-Experte David Gidron starb am Sonntag

von Imanuel Marcus  04.12.2024 Aktualisiert

Chabad

Gruppenfoto mit 6500 Rabbinern

Tausende Rabbiner haben sich in New York zu ihrer alljährlichen Konferenz getroffen. Einer von ihnen aber fehlte

 02.12.2024

Marokko

Drahtseilakt

Das Land ist Heimat der größten jüdischen Gemeinschaft in der arabischen Welt. Wie erlebt sie die Folgen des 7. Oktober 2023?

von Ralf Balke  01.12.2024

Schweiz

Säkularisierungstrend in der Schweiz - Stabile Zahlen in der jüdischen Gemeinschaft

Die Zahl religiöser Gruppen in der Schweiz sinkt. In der jüdischen Gemeinschaft sind die Zahlen konstant

 29.11.2024