Großbritannien

Humor und Gerechtigkeit

Christopher C. Gibbs spielt Simon Wiesenthal in London Foto: Ben Liebert

Er habe immer einen Witz parat gehabt. So erinnern sich Freunde und Kollegen an Simon Wiesenthal, dessen Bild in der Öffentlichkeit ein ganz anderes war: ein Holocaustüberlebender, der nach dem Zweiten Weltkrieg unerbittlich Nazis zur Strecke brachte – und das quasi im Alleingang. Fast 60 Jahre lang, bis er über 90 Jahre alt war. Der sagte, dass es ihm nicht um Rache, sondern um Gerechtigkeit gehe.

Die humorvolle, kaum bekannte Seite der Legende entdeckte der Amerikaner Tom Dugan, als er an seinem Ein-Mann-Stück »Wiesenthal« arbeitete, das derzeit erstmals in London zu sehen ist. Ein Nachruf auf Wiesenthal sei es gewesen, der den Schauspieler und Dramatiker inspiriert habe, diesen auf der Bühne zu würdigen.

Nicht in Deutschland zu sehen

Da Dugan in Kalifornien lebt, feierte das Drama 2009 am Torrance Cultural Arts Center nahe Los Angeles Premiere. Es überrascht, dass es bisher nicht in Deutschland und nur kurz in Österreich zu sehen war, obwohl der 1908 in Galizien geborene Wiesenthal nach Kriegsende erst aus Linz und dann aus Wien agierte und enge Verbindungen zu Deutschland hielt. Während es in den USA und Kanada vielfach zu sehen war, gab es diesseits des Atlantiks nur noch Inszenierungen in Spanien und Israel.

Der Einakter ist eine Begegnung mit einem Mann, der in seinem kleinen Büro einer Besuchergruppe, für die das Publikum steht, ungezwungen von seinem Leben und seiner Arbeit berichtet. Es ist die »letzte« Gruppe, denn alle Dokumente sollen am nächsten Tag ins Simon-Wiesenthal-Center nach Los Angeles verschifft werden. Er ist inzwischen 95 Jahre alt, und seine Frau möchte, dass er in den Ruhestand geht.

Fantastischer Sinn für Humor

Die Zuschauer erfahren, wie Wiesenthal einst den SS-Mann ausfindig machte, der Anne Frank verhaftete, und sehen dann, wie Wiesenthal durch Telefonate und kleine Tricks versucht, Alois Brunner, Adolf Eichmanns rechte Hand, in Syrien zu lokalisieren. Die Live-Recherche gibt dem Drama einen zusätzlichen Spannungsbogen.

»Er hatte einen fantastischen Sinn für Humor, und er verstand, dass der Holocaust ein schwieriges Thema war. Aber aus seiner Zeit als Amateur-Stand-up-Comedian vor dem Krieg wusste er auch, die Aufmerksamkeit eines Publikums zu halten«, sagt Dugan. »Er mischte Humor und Charme mit den harten Lehren, die er vermitteln wollte.« Das fließe auch ins Stück ein, das Wiesenthals Anliegen weiterträgt, nicht eine ganze Nation zu verdammen, sondern Individuen für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen.

Wiesenthals Unbeirrbarkeit

Dugan steht oft selbst als Wiesenthal auf der Bühne, in London ist es Christopher C. Gibbs. Der hatte 2020 eine eigene Produktion in New Jersey inszeniert, die im vergangenen Jahr auch beim Edinburgh Fringe Festival zu sehen war, was zum Gastspiel in London führte.

»Mich hat Wiesenthals Unbeirrbarkeit beeindruckt«, fährt Dugan fort. »Heute wird er als Held gefeiert, aber 30 Jahre lang galt er als Verrückter. Die Leute machten sich lustig über ihn. Aber er gab nicht auf.«

Tatsächlich gilt Wiesenthals Arbeit manchen als kontrovers, die sagen, er habe seine Leistungen größer dargestellt als sie waren. Nichtsdestotrotz ist »der Nazijäger« ein Mann, der aus eigener Kraft dazu beigetragen hat, dass die monströse Vergangenheit nicht unter den Teppich gekehrt werden konnte. Dugans Stück bringt auch einer jüngeren Generation unterhaltsam einen Menschen nahe, der die Nachkriegszeit auf seine Weise prägte und entschlossen gegen das Vergessen kämpfte.

»Wiesenthal« ist noch bis zum 15. September am King’s Head Theatre in London zu sehen.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Wirt vertreibt Israelis

Ein Gastwirt rastet gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus, beschimpft sie und verweist sie des Lokals

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Australien

Judenhass in Down Under

Mit unerwarteter Brutalität und Hemmungslosigkeit breitet sich der Antisemitismus im Land aus. Doch die jüdische Gemeinschaft gibt nicht auf

von Amie Liebowitz  10.07.2025

Großbritannien

BeTe’avon!

Das Jewish Museum London bittet britische Juden um Rezepte fürs Schabbatessen. Auf der Suche nach dem, was schmeckt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.07.2025

USA

Die US-Regierung, Trump und der Fall Jeffrey Epstein

Trump wollte die Akten zum Sexualstraftäter Epstein veröffentlichen, seine Mitarbeiter verbreiteten Verschwörungstheorien. Nun wollen sie davon nichts mehr wissen - das macht einige Trump-Fans wütend

von Benno Schwinghammer  09.07.2025

Spanien

Mallorca hat einen neuen Rabbiner

Rund 1000 Juden leben auf der bei deutschen Touristen beliebten Baleareninsel

 09.07.2025

Österreich

»Geschichte wurde schon immer politisiert«

Die US-Historikerin Sarah Abrevaya Stein über Gier, Künstliche Intelligenz und den Baron-Wissenschaftspreis

von Stefan Schocher  09.07.2025

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  09.07.2025