Griechenland

Herrschaft über das eigene Erinnern

Einfühlsam porträtiert: 67 Bilder von Schoa-Überlebenden Foto: Artemis Alcalay/ greekjewsholocaustsurvivors

Griechenland

Herrschaft über das eigene Erinnern

Die Malerin Artemis Alcalay lässt Schoa-Überlebende in Foto und Video zu Wort kommen

von Wassilis Aswestopoulos  09.08.2021 15:44 Uhr

Artemis Alcalay hat unter Druck gearbeitet. Vor Kurzem hat die Malerin ein Projekt abgeschlossen, mit dem sie sich fast ein Jahrzehnt lang beschäftigt hatte. Seit 2012 hat sie griechische Schoa-Überlebende fotografiert. Sie reiste durch ganz Griechenland und um die halbe Welt für ein Foto und ein Statement, das auf Video aufgenommen wurde.

Wegen der Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen musste sie das Projekt früher beenden, als sie ursprünglich geplant hatte. Denn zu groß war die Sorge, der direkte Kontakt zu den Überlebenden könne vielleicht nicht mehr möglich sein, wenn die Pandemie eines Tages endlich vorbei sein wird und man jederzeit wieder überall hinreisen kann.

galerie Nun hat sich Artemis Alcalay zusammen mit ihrer Kuratorin, der Kunsthistorikerin Eugenia Alexaki, entschlossen, die Porträts nicht nur in einer Galerie, sondern auch online auszustellen. Entstanden sind 67 Bilder von Überlebenden der Todeslager der Nazis, 60 davon werden nun veröffentlicht. Es sind Fotografien von Menschen, die mit dem Porträt die Herrschaft über die eigene Erinnerung demonstrieren.

Alcalay hat auf einfühlsame Weise jede porträtierte Person bestimmen lassen, wie sie sich darstellt und welche Geschichte sie in dem Videoclip erzählen möchte.

Alcalay hat auf einfühlsame Weise jede porträtierte Person bestimmen lassen, wie sie sich darstellt und welche Geschichte sie in dem Videoclip erzählen möchte. »Die Würde der Menschen stand immer im Vordergrund«, erklärt die Künstlerin. Alle ihre Modelle konnten über das reden, was sie selbst wollten. Alcalay stellte Fragen, aber hielt sich zurück, drängte die Gespräche nicht in bestimmte Richtungen.

Einige Überlebende sprechen über die Lager, andere über ihr Leben davor, wieder andere über die Zeit nach der Schoa. Sie sollten selbst bestimmen, wie sich die Welt an sie erinnern soll. Alcalay möchte die Rolle, die sie bei dem Projekt spielte, klein halten. Und doch ist es die nuancierte Perspektive der Malerin, die mit der Kamera unschätzbar wertvolles Material für die Geschichtsschreibung und das historische Gedächtnis gesammelt hat.

ZUSTIMMUNG Einige Fotos kann Alcalay (noch) nicht zeigen, weil die Porträtierten mittlerweile gestorben sind und sie nach den Angehörigen sucht. Ohne deren Zustimmung veröffentlicht sie kein Foto und kein Videostatement. Dies hat sie sich zur Regel gemacht. Bei Porträtfotografen fließt normalerweise die eigene Sicht auf die Person mit ins Bild ein. Alcalay versucht ganz bewusst, dies zu vermeiden. Ihre Ausstellung hat damit auch kunsthistorische Bedeutung.

Für Griechenland, wo bis heute viele Zeitgenossen wenig von der Schoa wissen, kann nicht hoch genug veranschlagt werden, welchen immensen Beitrag die Ausstellung für die Aufklärung und Erinnerung leistet.

https://greekjewsholocaustsurvivors.art

New York

Persisch-koschere Glücksgefühle

Im Big Apple hat das beliebteste iranisch-jüdische Restaurant geschlossen. Nun wurde ein neues eröffnet. Unser Autor hat das »Eshel« getestet

von Hannes Stein  20.07.2025

Luzern

Angriff auf Jeschiwa-Studenten in der Schweiz

Bereits im März war es zu Angriffen auf orthodoxe Juden im beschaulichen Luzern gekommen. Nun sind wieder Juden attackiert worden. Ob auch ein Messer gezeigt wurde, wird noch ermittelt

 20.07.2025

Großbritannien

Orthodox, lesbisch und unbeugsam

Wie Yehudis Fletcher der charedischen Autorität ihrer Gemeinde trotzt

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  20.07.2025

Schweiz

NGO verklagt Schweiz wegen Kauf israelischer Drohnen

Ein Kollektiv aus Genf will mit einer Klage erreichen, dass die Schweiz keine Drohnen aus Israel beschafft

 17.07.2025

London

Geheimbesuch vom Monarchen

Er kam, um ihr persönlich zum Geburtstag zu gratulieren, und blieb eine halbe Stunde: König Charles III. war bei Anita Lasker-Wallfisch zu Gast

von Michael Thaidigsmann  17.07.2025

Auszeit

Mit Schwimmkleid ins Wasser

Wie orthodoxe Frauen im Sommer am Zürichsee eine Auszeit vom Alltag nehmen

von Nicole Dreyfus  17.07.2025

Geburtstag

Einziger jüdischer NASA-Chef: Dan Goldin wird 85

Als er Administrator der Raumfahrtbehörde wurde, wollte er alles »schneller, besser und billiger« hinkriegen. Denn Geldfresser bremsten die NASA

von Imanuel Marcus  17.07.2025

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  16.07.2025 Aktualisiert

Interreligiöser Dialog

»Das ist Verrat«

Ein Imam aus den Niederlanden nahm an einer Reise muslimischer Geistlicher nach Israel teil - prompt verlor er seinen Job

von Michael Thaidigsmann  15.07.2025