Österreich

Hakoahs großer Sieg

Das Fußballteam von Hakoah Wien 1923 Foto: ullstein bild - brandstaetter images / Votava

Wer an Wien und Fußball denkt, dem kommt vielleicht der SK Rapid in den Sinn oder der FK Austria, und einige werden sich sogar an den Sieg der Färöer Inseln gegen die österreichische National-Elf 1990 erinnern und Österreich sogleich zum Nicht-Fußball-Land erklären.

Es war allerdings ein Wiener Verein, der vor genau 100 Jahren Fußball-Weltgeschichte schrieb: der SC Hakoah. Am 4. September 1923 besiegte der Verein im Upton-Park-Stadion in London seinen Gegner West Ham mit 5:0. Das war der erste Sieg einer kontinental-europäischen Mannschaft über einen britischen Klub in einem Auswärtsspiel.

Als »Wagnis« war der »Ausflug« der Hakoah damals bezeichnet worden. So schrieb es die »Kleine Volks-Zeitung«. Und dann hieß es: Die »Nachricht von dem Erfolge der Wiener« werde auch in »internationalen Fußballerkreisen sehr beachtet werden, weil er bartut, dass die englische Klasse nicht mehr so turmhoch über der kontinentalen Klasse steht wie in den Kinderjahren des Fußballs«.

Profiliga Fußball war damals neu. Erst 1924 wurde die erste Profiliga in einem kontinentaleuropäischen Staat eingeführt – in Österreich. Der erste österreichische Meister: Hakoah. In Wien gab es damals Klubs wie Pilze im Wald. Es gab Bezirksvereine, es gab Branchen-Vereine wie den SV Straßenbahn Wien, und es gab Vereine, die eine Community repräsentierten wie den SC Hakoah. Manche Spiele zogen bereits bis zu 80.000 Zuschauer an.

Hakoah war zu Beginn der 1920er-Jahre einer der Top-Klubs des Landes – ein jüdischer Verein zionistischer Prägung, doch in der Fan-Gemeinde keinesfalls auf die jüdische Community reduziert. »Das war damals ein kaum zu überschätzendes Ereignis«, betont Paul Haber zum Sieg der Hakoah über West Ham. Haber ist Vereinspräsident der Hakoah. Er sagt: Als die Spieler nach dem Sieg am Westbahnhof ankamen, hätten die Menschen entlang der Mariahilfer Straße, die ins Zentrum führt, Spalier gestanden.

Als bester Spieler in den 90 Minuten damals im September 1923 in London gilt Alexander Neufeld (ungarisch: Sándor Nemes). Der geborene Budapester war zunächst Spieler im ungarischen Nationalteam, wanderte dann nach Wien ab, kam ins österreichische Nationalteam – und spielte zugleich für Hakoah. Drei der fünf Tore gegen West Ham schoss er.

Hakoah bedeutet auf Hebräisch »Kraft«. Gegründet wurde der Verein 1909. Legendär und olympiagekrönt waren die Wasserballspieler, die Schwimmerinnen, die Ringer und die Fußballer des Vereins. Es sei damals darum gegangen, zu zeigen, dass Juden es auch oder besser können, sagt Paul Haber.

Deutschtümelei Wien war 1923 eine jüdische Stadt. Von den knapp zwei Millionen Einwohnern waren fast zehn Prozent Juden. Das Ende der k. u. k. Monarchie hatte noch mehr Juden nach Wien gebracht. Aber so jüdisch Wien war, so antisemitisch war es zugleich. Und so war der Sieg gegen West Ham vor allem auch ein Lebenszeichen des jüdischen Wien in einer Zeit, da Sport zunehmend der Deutschtümelei diente. Diese Tendenz – zunächst in Studentenverbindungen und Sportvereinen – sei der Grund für die Gründung der Hakoah gewesen, sagt Paul Haber.

Doch dann etablierte sich in den frühen 30er-Jahren das austrofaschistische Regime, und 1938 wurde Österreich an Nazideutschland angeschlossen. Sándor Nemes ging als Trainer nach Jugoslawien, später nach Tel Aviv, und den Platz der Hakoah schnappte sich die SA. Den Verein gab es nicht mehr. Nach dem Krieg kam Sándor Nemes zurück nach Wien. Er betreute kurzzeitig Galatasaray Istanbul und in den 50er-Jahren Hapoel Tel Aviv. Im Herbst 1977 starb er.

Den Sportklub Hakoah gibt es seit 1945 wieder – nicht aber den Fußballverein. Es sei lange nicht möglich gewesen, eine Mannschaft zu bilden, erzählt Paul Haber. Lebten 1938 rund 200.000 Juden in Wien, waren es nach der Schoa nur noch 6000. Und heute? Man habe ein Gentlemen-Agreement mit dem Fußballklub Maccabi Wien geschlossen, sagt Haber. Denn man wolle sich nicht gegenseitig auf die Füße treten.

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025

Belgien

Aus der Straße des Antisemiten wird die Straße der Gerechten

In Brüssel gibt es jetzt eine Rue Andrée Geulen. Sie ist nach einer Frau benannt, die im 2. Weltkrieg mehr als 300 jüdische Kinder vor den deutschen Besatzern rettete. Doch bei der Einweihung herrschte nicht nur eitel Sonnenschein

von Michael Thaidigsmann  08.09.2025