Grossbritannien

Gesetz gegen den Boykott

Anti-Israel-Protest vor Jerusalems Botschaft in London (Juli 2014) Foto: dpa

Seit Jahren breitet sich die anti-israelische Boykottbewegung BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) immer stärker aus. Die britische Regierung hat ihr nun einen Riegel vorgeschoben. Gewerkschaften, kommunale Behörden und Anstalten des öffentlichen Rechts in Großbritannien sollen künftig durch verschärfte Richtlinien kein Land und keine Firma boykottieren oder zu deren Boykott aufrufen.

Die neuen Richtlinien beziehen sich nicht nur auf den Boykott Israels, sondern auch auf Versuche, Firmen zu boykottieren, die beispielsweise in Verbindung mit dem Tabakwarenhandel oder der Öl- und Rüstungsindustrie stehen. Mit Bezug auf Israel erklärte das britische Kabinett, dass solche Boykottversuche, wenn sie von Stadtverwaltungen initiiert werden, gute Gemeinschaftsbeziehungen unterminieren, Debatten negativ beeinflussen und den Antisemitismus befeuern würden

Betroffen ist derzeit vor allem die mittelenglische Stadt Leicester, die ganz offiziell Produkte aus Israel boykottiert. Die jüdische Organisation Jewish Human Rights Watch klagte dagegen und forderte erfolgreich eine richterliche Prüfung, weil dieser Boykott gegen die Gesetze für Lokalregierungen sowie gegen das britische Gleichberechtigungsgesetz verstoße. Ein Prozesstermin steht noch aus. Die neuen Richtlinien könnten bereits die Ergebnisse dieses Prozesses und die aller anderen Klagen beeinflussen und so verschiedenen Boykottversuchen ein rasches Ende bereiten.

Medikamente Auch einige lokale britische Gesundheitsbehörden, alle Teil des nationalen Gesundheitssystems NHS, werden sich an diese Richtlinien halten müssen. Vereinzelt gab es Fälle, in denen israelische Arzneimittel – sie machen rund 15 Prozent aller in Großbritannien verschriebenen Medikamente aus – boykottiert und aus dem Sortiment genommen wurden.

Ähnliche Anti-Boykott-Verfügungen wie jetzt gab es bereits unter der früheren Premierministerin Margaret Thatcher, doch bezogen sie sich damals nicht auf Israel, sondern galten den Versuchen, »Apartheidprodukte« aus Südafrika zu boykottieren.

Labour Der Oppositionsführer, Labour-Chef Jeremy Corbyn, bezeichnete die Richtlinien der Regierung als »Angriff auf die lokale Demokratie«. Doch man darf sie auch als Attacke auf seine Person verstehen. Immerhin ist Corbyn Schirmherr der pazifistischen Organisation War on Want, die in den vergangenen Jahren einer der Hauptprotagonisten des Israel-Boykotts in Großbritannien war.

Die neuen Richtlinien verbieten nicht alle Boykottmaßnahmen. Private Organisationen und Einzelpersonen haben selbstverständlich weiterhin das Recht, sich frei zu entscheiden.

Der Dachverband Board of Deputies (BoD) und der Jüdische Weltkongress begrüßen die neuen Anti-Boykott-Richtlinien. BoD-Präsident Jonathan Arkush sagte, die Boykotte erhöhen das Verletzlichkeitsgefühl der jüdischen Gemeinschaft »und tragen nicht zum Ausbau des Friedens bei«.

Apartheid Week Dass die Notwendigkeit spezieller Richtlinien in Großbritannien keineswegs übertrieben ist, bewies am Montag eine Großaktion im Namen der sogenannten Israeli Apartheid Week. Dabei wurden in der Londoner U-Bahn Werbeposter durch anti-israelische Plakate ersetzt. Auf ihnen war unter anderem zu lesen, dass Israel im Sommer 2014 britische Waffen benutzt habe, um »Palästinenser zu massakrieren«. Mitglieder der BDS-Bewegung hatten die Plakate illegal auf Werbeflächen angebracht, um auf die zwölfte Israeli Apartheid Week hinzuweisen, die am Montag begann.

Die Verkehrsgesellschaft Transport for London (TfL), die für die Londoner U-Bahn verantwortlich ist, bestätigte der Jüdischen Allgemeinen, dass es sich hierbei um völlig unautorisierte Werbung handelt. TfL betrachte sie als Akt des Vandalismus und bemühte sich, die Poster sofort nach Entdeckung zu entfernen.

Meinung

Antisemitismus der Anständigen

Judenhass in der Schweiz ist brandgefährlich, weil er so höflich und diskret daherkommt

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.10.2025

Meinung

Die SP im moralischen Blindflug

Mit zwei widersprüchlichen Resolutionen beweist die Sozialdemokratische Partei der Schweiz einmal mehr ihre ethische Orientierungslosigkeit

von Nicole Dreyfus  27.10.2025

USA

Der reichste Mann der Welt – für einen Tag

Larry Ellison gehört zu den Großen des Silicon Valley und hält Künstliche Intelligenz für die wichtigste Erfindung der Menschheit

von Sara Pines  26.10.2025

Nachruf

Letzter Kämpfer des Aufstands des Warschauer Ghettos gestorben

Michael Smuss wurde 99 Jahre alt

 24.10.2025

Wien

Nobelpreisträger warnt vor technischer Abhängigkeit von den USA

Joseph E. Stiglitz kritisiert Präsident Trump und ruft Wissenschaft und Medien zur Verteidigung der Medienfreiheit weltweit auf

von Steffen Grimberg  24.10.2025

Polen

Antisemitische Hetzer verhindern Konzert jüdischer Musiker

Der Chor der Pestalozzi-Synagoge in Berlin war eingeladen, in Września gemeinsam mit dem dortigen Kinderchor den Komponisten Louis Lewandowski zu ehren. Nach Hetze und Drohungen wurden alle Veranstaltungen abgesagt

von Sophie Albers Ben Chamo  23.10.2025

Großbritannien

Jiddisch verbindet

Zwischen Identitätssuche, Grammatik und Klezfest. Unsere Autorin war beim Sprachkurs »Ot Azoy« in London

von Sabine Schereck  23.10.2025

Rabbiner Noam Hertig aus Zürich

Diaspora

Es geht nur zusammen

Wie wir den inneren Frieden der jüdischen Gemeinschaft bewahren können – über alle Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten hinweg

von Rabbiner Noam Hertig  23.10.2025

Großbritannien

Ärztin wegen antisemitischer Agitation festgenommen

Dr. Rahmeh Aladwan wurde vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, weil sie die Hamas-Verbrechen vom 7. Oktober verherrlicht hatte. Nun muss der General Medical Council über ihre Approbation entscheiden

von Michael Thaidigsmann  22.10.2025