Norwegen

Gedenken in Messing

Ab Ende August auch in Oslo: Stolpersteine zur Erinnerung an frühere Einwohner Foto: jodiskmuseumoslo.no

»Keiner mehr da. Calmeyers gate 15 wie ausgestorben. Anwesend nur die Hausmeister-Familie«, schloss der Beamte der norwegischen Staatspolizei seinen Bericht, nachdem alle jüdischen Bewohner des blassroten Altbaus am 26. November 1942 aus ihren Wohnungen gejagt worden waren. Von den 19 jüdischen Mietern des Hauses, auf dessen Hinterhof sich heute das Jüdische Museum Oslo befindet, hat niemand die Schoa überlebt.

Zusammen mit weiteren 513 norwegischen Juden waren sie an jenem Novembermorgen an Bord eines Schiffes gebracht worden, um sie in den Tod zu schicken. Die meisten von ihnen wurden bei ihrer Ankunft in Auschwitz ermordet; von den insgesamt 771 deportierten norwegischen Juden überlebten nur 34 die Schoa. »Verheerend für eine so kleine Minderheit«, sagt Sidsel Levin, Chefin des Jüdischen Museums Oslo.

Zeremonie Diesen ermordeten Frauen, Männern und Kindern soll nun ein besonderes Denkmal gesetzt werden – eingraviert in die ersten »Stolpersteine« Skandinaviens. In einer schlichten Zeremonie am Montagabend (30. August) wird der Kölner Künstler Gunter Demnig die 19 kubischen Messingplatten in den Bürgersteig vor der Calmeyers gate 15 einlassen, begleitet vom Kaddisch des Osloer Rabbiners und dem El Male Rachamim des Kantors.

Auf den handgefertigten Gedenktafeln des Künstlers stehen Namen, Alter und Beruf der Ermordeten. Zum Beispiel der von Kantor Jacob Bodd und seinen Töchter Anna Rebekka und Manja Malke und von Sonja Ester Moritz und ihren Kindern Leif Idar und John Charles, die jeweils neun und fünf Jahre alt waren, als sie in Auschwitz ermordet wurden. »Das Tragische war, dass die Mutter des kleinen John eigentlich schwedische Staatsbürgerin war. Aber irgendetwas war mit der Rettung der Familie schiefgelaufen«, sagt Museumschefin Levin.

aufrütteln Demnigs Intention, jedem Ermordeten seinen Namen zurückzugeben, passt ihrer Ansicht nach gut zum Museumskonzept. »Das Leben jedes Einzelnen ist wichtig. Deshalb gehörten Porträts der 19 Mieter der Calmeyers gate 15 damals auch zur ersten Ausstellung, die wir hier im Museum gezeigt haben.« Neben der offiziellen Rede von Kultursenatorin Gro Balas zur Stolperstein-Einweihung sollen deshalb vor allem die Lebensgeschichten der Ermordeten im Mittelpunkt stehen. »Diese Ereignis ist von großer Bedeutung für Norwegens Juden«, betont Bjarte Bruland. »Gerade weil die Steine wie Wecker wirken – mit einem aufrüttelnden Effekt.«

Der Chefhistoriker des Jüdischen Museums hatte sich lange bemüht, die Stolpersteine auch in Norwegen publik zu machen. Mit Unterstützung der Stadt Oslo und des norwegischen Kulturministeriums ist es ihm nun gelungen, Norwegen als zehntes europäisches Land mit dem spektakulären Kunstprojekt zu vernetzen. »Größer als gedacht« sei das Interesse, so Bruland, der sich seit den 90er-Jahren erfolgreich für eine verstärkte Wahrnehmung der jüdischen Minderheit in Norwegens Öffentlichkeit engagiert. So wie seine Kollegin Levin hofft er darauf, dass die Stolpersteine norwegische Passanten dazu anregen, sich mehr mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, die Willy Brandt einst als »Norwegens Schande« bezeichnet hatte.

»Wir sind sehr stolz darauf, dass wir die Ersten sind, die dieses Projekt nach Norwegen geholt haben«, erzählt Museumschefin Levin. Auf die ersten 19 Stolpersteine sollen weitere folgen, erst in jedem Osloer Stadtviertel, später landesweit.

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024