Interview

Fünf Minuten mit…

Maguy Kakon Foto: cc

Interview

Fünf Minuten mit…

Maguy Kakon über Frauen, Bildung und die Parlamentswahlen in Marokko

von Tobias Kühn  28.11.2011 16:22 Uhr

Frau Kakon, Sie waren die einzige jüdische Kandidatin bei den Parlamentswahlen vergangenen Freitag in Marokko. Wie viele Stimmen haben Sie bekommen?
Fast 100.000. Das ist viel, aber leider nicht genug für einen Sitz im Parlament. Vor allem Frauen und junge Menschen haben für mich gestimmt. Es war das zweite Mal, dass ich mich zur Wahl gestellt habe. Schon damals, im Jahr 2007, hatte die Anzahl der Stimmen nicht ausgereicht. Aber auch wenn ich nicht gewählt worden bin, will ich mich weiterhin für den Aufbau einer wirklichen Demokratie in unserem Land einsetzen. Wir haben Redefreiheit in Marokko, da kann man schon einiges machen.

Sie standen an erster Stelle auf der nationalen Liste der PCS (Parti du Centre Social). Was ist das für eine Partei?
Wir kämpfen für Bildung und Soziales. Alle sollen die gleichen Rechte haben. Die Unterschiede innerhalb der marokkanischen Gesellschaft sind zum Teil noch sehr groß. Wir wollen, dass jedes Kind und jeder Jugendliche zur Schule geht und eine gute Bildung bekommt. Außerdem setzen wir uns für Frauenrechte ein. Stellen Sie sich vor: In Marokko werden jedes Jahr rund 500.000 Kinder auf der Straße geboren.

Die Wahlsiegerin PJD (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) gilt als gemäßigt islamistisch. Was bedeutet das für die Zukunft des Landes und für die jüdische Gemeinschaft?
Ich hoffe, die neue Regierung wird im Rahmen der Verfassung agieren und sie nicht wieder ändern. Als kürzlich die neue Verfassung entstand, bat ich öffentlich darum, die Rechte von Minderheiten – auch die der jüdischen – festzuschreiben. Das ist geschehen. Wenn Marokko die Menschenrechte respektiert, dann wird es den Juden gut gehen. Ich hoffe, die PJD wird nicht härter und strenger, wenn sie die Regierung stellt. Mich beunruhigt, dass die PJD von Nationalismus spricht und nicht von Patriotismus. Das ist gefährlich, denn Nationalismus schließt Menschen aus. Das kann schnell uns Juden treffen. In all meinen Interviews betone ich immer, dass ich zwar Jüdin, aber keine Israelin bin, sondern Marokkanerin.

Identifizieren muslimische Marokkaner alle Juden im Land mit Israel?
Ja, aber ich glaube, das ist überall auf der Welt so. Wir sind jedoch sehr objektiv: Wenn die israelische Regierung etwas Schlechtes tut, dann sagen wir das.

Hat der »Arabische Frühling« die Situation der Juden in Ihrem Land verändert?
Nein, überhaupt nicht.

Sie sind auch als Sachbuchautorin bekannt, die das Leben der jüdischen Gemeinde in Marokko beschreibt. Wie viele Juden gibt es im Land, und wie leben sie?
Wir sind etwa 2.500, einschließlich unserer Kinder, die im Ausland studieren oder arbeiten. Viele von ihnen kehren nicht mehr zurück, denn man hat hier in Marokko nicht so viele Möglichkeiten wie in Europa oder Amerika. Die Juden in unserem Land arbeiten in verschiedenen freien Berufen. Sie sind Architekten, Ärzte, Großhändler, Buchhalter, Geschäftsinhaber, und sie arbeiten im Immobiliengewerbe. Aber im öffentlichen Dienst findet man niemanden. Ich kämpfe dafür, dass das eines Tages möglich sein wird.

Was werden Sie jetzt tun, da Sie nicht ins Parlament einziehen?
Ich möchte gern als Korrespondentin für ausländische Medien aus Marokko berichten. Ich denke, das ist der beste Weg, meinem Land zu helfen.

Mit der marokkanischen Politikerin sprach Tobias Kühn.

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