Präsidentschaftswahl

Frauenwahlkampf in Macho-Land

Die Jüdin Claudia Sheinbaum hat gute Chancen auf das Präsidentenamt. Foto: picture alliance / Photoshot

Eines steht schon so gut wie fest: Mexiko wird demnächst von einer Frau regiert. Denn sowohl das regierende Linksbündnis als auch die Allianz führender Oppositionsparteien schicken für die Präsidentschaftswahlen am 2. Juni eine Kandidatin ins Rennen.

Alles deutet darauf hin, dass Claudia Sheinbaum, die - jüdische - Kandidatin der Morena-Partei des amtierenden Staatschefs Andrés Manuel López Obrador, siegen wird. Umfragen sehen sie bei 55 Prozent der Stimmen, ihre Konkurrentin Xochitl Gálvez auf etwa 30 Prozent.

Dass eine Frau erstmals die Geschicke Mexikos lenken wird, ist Sheinbaum zufolge »ein Symbol für unser Land, für alle Mädchen und jungen Frauen, dass ihre Träume Wirklichkeit werden können«. Sie spricht von einem großen Schritt gegen den Machismus. Gálvez verweist derweil auf ihr Aufwachsen in einem von Gewalt geprägten Umfeld und verspricht »null Straflosigkeit für Vergewaltiger«.

Doch viele Feministinnen sind skeptisch. Sie rechnen nicht damit, dass die künftige Präsidentin die Frauenrechte stärken wird, wer auch immer die Wahl gewinnt. Natürlich sei es auch der Frauenbewegung zu verdanken, dass bald eine Präsidentin das Land anführe, sagt Lucia Lagunes von der feministischen Nachrichtenagentur Cimac. »Aber keine der beiden ist Feministin.«

Militärs, einflussreiche Männer und männlich geprägte Strukturen im Polit-Apparat schränken den Spielraum einer Präsidentin ein

Zudem steht hinter beiden Kandidatinnen laut der Professorin für Gender-Wissenschaften, Elvira Hernández, ein »patriarchales System«, das es ihnen gar nicht ermöglicht, unabhängig zu agieren. Zweifellos werden mächtige Militärs, einflussreiche Männer in den Beraterstäben und die männlich geprägten Strukturen im politischen Apparat den Spielraum einer Präsidentin einschränken. Genau da müsse eine künftige Staatschefin ansetzen, ist die feministische Anwältin Patricia Olamendi überzeugt: »Es würde ihnen guttun, wenn sie sich von den Machos um sie herum etwas befreien würden.«

Journalistin Lagunes erinnert an die Zeit Sheinbaums als Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt (2018-2023). Die Politikerin führte zwar ein Schutzsystem für bedrohte Frauen ein, ging Lagunes zufolge aber repressiv gegen Aktivistinnen vor, die gegen Frauenmorde demonstrierten. Inzwischen sei die 61-Jährige nicht mal mehr in Kontakt mit feministischen Organisationen.

»Sheinbaum sagt, dass sie die Politik López Obradors fortführen wird«, sagt Lagunes. Das lässt nicht nur sie zweifeln. Denn auch wenn sich der Präsident links verortet, propagiert er ein traditionelles Familienbild und greift Frauenrechtlerinnen verbal scharf an. Unter seiner Regierung seit Ende 2018 wurden die Mittel für Schutzräume reduziert, obwohl in Mexiko täglich mehr als neun Frauen getötet werden.

Beide Kandidatinnen vermeiden das Thema Schwangerschaftsabbruch

Warum also sollten sie Sheinbaum glauben, wenn sie mehr Frauenhäuser verspricht, fragen sich Feministinnen. Und die von ihr angekündigten Sonderstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Femiziden in allen Bundesstaaten? »Wir haben Gewaltenteilung, also obliegt das Thema dem Generalbundesanwalt«, erklärt Lagunes. »Und der hat sich bislang nicht gerade für Frauenrechte eingesetzt«.

Beide Kandidatinnen verteidigen grundsätzlich das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, vermeiden das Thema Schwangerschaftsabbruch aber in der Öffentlichkeit. Denn obwohl das Oberste Gericht das Abtreibungsverbot als verfassungswidrig erklärt hat, ist der Eingriff in der katholisch geprägten Bevölkerung und innerhalb der Parteien stark umstritten. So setzen Sheinbaum und Gálvez eher auf mehr Unterstützung arbeitender Mütter und versprechen, Haus- und Pflegearbeit stärker im Blick zu haben.

Oppositions-Politikerin Gálvez verspricht zudem, sie werde gegen die »Feminisierung der Armut« vorgehen. Kritiker bezweifeln dies aber. Die 61-Jährige inszeniert sich zwar im Wahlkampf als indigene Frau aus armen Verhältnissen, saß aber bislang als Senatorin für die rechte PAN im Senat - eine Partei, die eine konservative Familien- und eine marktorientierte Wirtschaftspolitik vertritt.

Lesen Sie auch

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Wirt vertreibt Israelis

Ein Gastwirt rastet gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus, beschimpft sie und verweist sie des Lokals

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Australien

Judenhass in Down Under

Mit unerwarteter Brutalität und Hemmungslosigkeit breitet sich der Antisemitismus im Land aus. Doch die jüdische Gemeinschaft gibt nicht auf

von Amie Liebowitz  10.07.2025

Großbritannien

BeTe’avon!

Das Jewish Museum London bittet britische Juden um Rezepte fürs Schabbatessen. Auf der Suche nach dem, was schmeckt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.07.2025

USA

Die US-Regierung, Trump und der Fall Jeffrey Epstein

Trump wollte die Akten zum Sexualstraftäter Epstein veröffentlichen, seine Mitarbeiter verbreiteten Verschwörungstheorien. Nun wollen sie davon nichts mehr wissen - das macht einige Trump-Fans wütend

von Benno Schwinghammer  09.07.2025

Spanien

Mallorca hat einen neuen Rabbiner

Rund 1000 Juden leben auf der bei deutschen Touristen beliebten Baleareninsel

 09.07.2025

Österreich

»Geschichte wurde schon immer politisiert«

Die US-Historikerin Sarah Abrevaya Stein über Gier, Künstliche Intelligenz und den Baron-Wissenschaftspreis

von Stefan Schocher  09.07.2025

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  09.07.2025