Glosse

Floridas heimliche Trump-Wähler

Allmählich gelangt die Erkenntnis in Floridas Synagogen und Seniorenanlagen: Ja, wir haben Trump gewählt. Foto: imago

Man sagt, in Manatee und Sarasota County im Südwesten Floridas wohnen Amerikas glücklichste Menschen. Jahr für Jahr ermittelt das der Gallup-Healthways Well-Being Index. Den Leuten geht es also richtig gut in Bradenton, auf Anna Maria Island, Lido Key, Longboat Key und so fort – ganz abgesehen davon, dass Sarasota auch noch zu den reichsten Kommunen Floridas gehört.

Auch der jüdische Wähleranteil ist ziemlich hoch in diesem paradiesischen Winkel der Erde am Golf von Mexiko. Allerdings fragt man sich: Wie kommt es bloß, dass Trump in Manatee und Sarasota deutlich mehr als 50 Prozent holen konnte?

Pick-up Trump-Aufkleber sieht man hier selten. Und wenn, dann an großen Pick-ups, hier Trucks genannt. Meist gehören die bulligen Karren irgendwelchen Fischern oder Veteranen, die gern auch noch die Flagge der Konföderierten und die Umrisse Floridas als Pistole auf dem Heck kleben haben, versehen mit dem Spruch »We don’t dial 911«. Klare konservative Klientel also – aber viel zu wenig für Trumps Triumph in toto.

Zwei alte Männer im Outback Steakhouse in Bradenton sind typisch für den Umgang mit Trump und dem Wahlergebnis. Die zwei, der eine Mitte 60, der andere zehn Jahre älter, zetern sich durch ihr Steak: Gesundheitsreform, Steuern, Russland, Obamas Umgang mit Israel – wechselseitig bestätigen sie einander darin, wie richtig Donald Trump doch liege. Und dass das ganze Elend mit dem Muslimfreund Obama ja nun bald ein Ende habe und Trump es schon richten werde.

Und dann, dann stellen sie sich die Frage, die ohne wahrnehmbare Antwort bleibt: »Hast du denn Trump gewählt?« Der Rest ist Murmeln, man schwenkt schnell auf Football um.

Nein, es will keiner so recht gewesen sein. Das ist auch das Resultat offizieller Rückfragen bei den großen jüdischen Gemeinden in Bradenton und Sarasota. Dort wird auf das offizielle Wahlergebnis verwiesen, nachdem 71 Prozent der Juden in den USA für Clinton und 24 Prozent für Trump gestimmt haben. Diese 71 Prozent sind allerdings sieben weniger, als Obama bei seiner ersten Wahl erhielt.

Der Wähler im Paradies scheint etwas erstaunt zu sein von dem, was er da angerichtet hat. Es wird nicht weiter über die Wahl geredet, es sei denn, man fühlt sich unbeobachtet wie die beiden Alten beim Essen.

White Trash Die große Politik scheint weit weg vom Paradies, wo die meisten Menschen, Juden zumal, gänzlich sorgenfrei ihren Lebensabend genießen. Hinter vorgehaltener Hand macht man gern die Bewohner der Trailerparks, der Wohnwagen-Anlagen, für das Trump-Ergebnis verantwortlich. Das sind die Menschen, die der Wohlfühlindex nicht erfasst, die auch im Sonnenstaat auf der Schattenseite leben und sehr empfänglich sind für einfache Lösungen. White Trash werden sie abschätzig genannt. Mit denen hat der jüdische Senior, der auf Longboat Key golfen oder am St. Armands Circle in Sarasota dinieren geht, nichts am Hut und noch weniger gemein – bis auf das Wahlergebnis.

Aber da es mehr Wohlhabende in den beiden Countys gibt als Bedürftige, und da der jüdische Anteil am Wohlstand ebenfalls überproportional hoch ist, kann die Ausrede, nur der Pöbel habe Trump gewählt, wohl nicht gelten.

Es ist eine stille Gegend, die da mit absoluter Mehrheit Trump gewählt hat. Abends ist kein Remmidemmi, man passt aufeinander auf, die Vorgärten sind mit der Nagelschere gepflegt. Kein Platz für laute Polit-Parolen. Doch »wir« haben Trump gewählt. Diese Erkenntnis gelangt langsam in die Synagogen und Seniorenanlagen, in die edlen Malls und Marinas: Oj Gevalt, what have we done?

Interreligiöser Dialog

»Das ist Verrat«

Ein Imam aus den Niederlanden nahm an einer Reise muslimischer Geistlicher nach Israel teil - prompt verlor er seinen Job

von Michael Thaidigsmann  15.07.2025

USA

Düsterer »Nice Jewish Boy«

Seinen ersten Kinofilm sah Ari Aster im Alter von vier Jahren und ist fast daran gestorben. Als junger Hollywood-Regisseur mischt er nun das Horror-Genre auf

von Sarah Thalia Pines  14.07.2025

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Wirt vertreibt Israelis

Ein Gastwirt rastet gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus, beschimpft sie und verweist sie des Lokals

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Australien

Judenhass in Down Under

Mit unerwarteter Brutalität und Hemmungslosigkeit breitet sich der Antisemitismus im Land aus. Doch die jüdische Gemeinschaft gibt nicht auf

von Amie Liebowitz  10.07.2025

Großbritannien

BeTe’avon!

Das Jewish Museum London bittet britische Juden um Rezepte fürs Schabbatessen. Auf der Suche nach dem, was schmeckt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.07.2025

USA

Die US-Regierung, Trump und der Fall Jeffrey Epstein

Trump wollte die Akten zum Sexualstraftäter Epstein veröffentlichen, seine Mitarbeiter verbreiteten Verschwörungstheorien. Nun wollen sie davon nichts mehr wissen - das macht einige Trump-Fans wütend

von Benno Schwinghammer  09.07.2025

Spanien

Mallorca hat einen neuen Rabbiner

Rund 1000 Juden leben auf der bei deutschen Touristen beliebten Baleareninsel

 09.07.2025