Raubkunst

Experte: Umstrittene Bührle-Sammlung auf jüdischen Vorbesitz prüfen

Der Schweizer Waffenhändler Emil Bührle machte mit seinen Spenden das Kunsthaus Zürich zum bedeutendsten Museum der Schweiz Foto: picture-alliance/ dpa

Raubkunst

Experte: Umstrittene Bührle-Sammlung auf jüdischen Vorbesitz prüfen

Die Kunstsammlung des einstigen Waffenhändlers Emil Bührle in der Schweiz ist umstritten

von Christiane Oelrich  28.06.2024 15:21 Uhr

Eine umstrittene Gemäldesammlung in der Schweiz könnte Fluchtgut von jüdischen Vorbesitzern enthalten. Die Stiftung der Sammlung Bührle hat nach Überzeugung eines Historikers nicht genug getan, um die Herkunft der Werke zu prüfen. Das müsse nun endlich nachgeholt werden, forderte Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums, am Freitag in Zürich. Ohne die jüdischen Sammler gäbe es die Sammlung so nicht, meinte Gross. »Ohne Verfolgung wäre die Sammlung Bührle so nie zustande gekommen.«

Die Sammlung Bührle umfasst mehr als 600 Werke. Rund 180 sind seit Ende 2021 als langjährige Leihgabe im Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich zu sehen. Bei der Eröffnung entspannte sich eine Kontroverse. 

Historiker kritisierten, dass Bührles Rolle als Waffenlieferant der Nazis und seine Einkäufe von Werken aus jüdischem Vorbesitz nicht genügend hinterfragt und dokumentiert worden seien. Unklar sei, ob die Werke zu fairen Preisen gekauft worden seien oder ob Besitzer unter Druck hätten verkaufen müssen. Solche Werke werden als Fluchtgut bezeichnet. 

Emil Bührle, Schweizer Waffenfabrikant deutscher Herkunft, hatte die Sammlung ab 1936 und bis zu seinem Tod 1956 zusammengetragen. Er soll manche Werke deutlich unter dem Marktwert gekauft haben, weil die jüdischen Besetzer in einer Zwangslage schnell Geld für die Flucht oder das Überleben brauchten. Bührle hatte über Auktionshäuser gekauft, soll aber anders als andere Sammler auch nicht gezögert haben, Werke aus gestohlenen Beständen jüdischer Sammler einzukaufen. 

Die Stiftung hatte stets beteuert, sorgfältige Nachforschungen betrieben zu haben. Allerdings ließ sie nach neuen Erkenntnissen erst im Juni fünf im Kunsthaus ausgestellte Werke von den Wänden nehmen. Sie suche nun das Gespräch mit den Nachfahren der einstigen Besitzer oder Rechtsnachfolger, hieß es. 

Gross war nach der Kontroverse beauftragt worden, zu prüfen, ob die Bührle-Stiftung genügend getan hatte, um die Geschichte der Vorbesitzer herauszufinden. Der Auftrag kam von der Stadt, dem Kanton Zürich und der Zürcher Kunstgesellschaft, der Trägerin des Kunsthauses. 

Im Bericht heißt es zu fünf exemplarisch untersuchten Werken unter anderem von Gauguin und Cézanne: »Die Geschichten der zahlreichen jüdischen Sammler*innen, die hinter den Werken stehen, und ihre Schicksale werden in der bisherigen Forschung der Stiftung Sammlung E. G. Bührle kaum erwähnt. Oftmals ist die Forschung auch so oberflächlich, dass entscheidende Wegmarken übersehen werden.«

Bislang hat die Stiftung in 41 Fällen jüdische Vorbesitzer dokumentiert. Das Team von Gross fand mindestens 20 weitere Fälle. Um die Werke in einem historischen Kontext zu zeigen, müsse weiter geforscht werden. Gross legte der Zürcher Kunstgesellschaft auch nahe, sich über den Titel »Sammlung Emil Bührle« Gedanken zu machen. 

Der schweizerische israelitische Gemeindebund (SIG) begrüßte die Empfehlungen von Gross. Bührles Vermögen, mit dem er die Sammlung finanzierte, habe nicht nur zum Großteil aus Waffenverkäufen an NS-Deutschland gestammt, er habe unter anderem auch von Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern profitiert, schrieb SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner in der Zeitung »Jüdische Allgemeine«. »Das ist wichtig, da die moralische Frage, wie heute mit dieser Sammlung vor allem in der Schweiz umzugehen ist, in den Fokus rückt.«

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

Philosophie

Der Moment des Staunens

Am 13. Juli jährt sich der Geburtstag von Jeanne Hersch zum 115. Mal. Lange wurde die Existentialistin ausgerechnet von der akademischen Forschung marginalisiert – und kaum als jüdische Philosophin wahrgenommen

von Richard Blättel  11.07.2025

Spanien

»Haut ab, ihr Hurensöhne« - Wirt vertreibt Israelis

Ein Gastwirt rastet gegenüber einer Gruppe israelischer Touristen aus, beschimpft sie und verweist sie des Lokals

von Michael Thaidigsmann  11.07.2025

Nachruf

Er bleibt eine Inspiration für uns alle

Der langjährige Zürcher Gemeinderabbiner Marcel Ebel ist verstorben. Eine Würdigung von seinem Nachfolger

von Rabbiner Noam Hertig  10.07.2025

Australien

Judenhass in Down Under

Mit unerwarteter Brutalität und Hemmungslosigkeit breitet sich der Antisemitismus im Land aus. Doch die jüdische Gemeinschaft gibt nicht auf

von Amie Liebowitz  10.07.2025

Großbritannien

BeTe’avon!

Das Jewish Museum London bittet britische Juden um Rezepte fürs Schabbatessen. Auf der Suche nach dem, was schmeckt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.07.2025

USA

Die US-Regierung, Trump und der Fall Jeffrey Epstein

Trump wollte die Akten zum Sexualstraftäter Epstein veröffentlichen, seine Mitarbeiter verbreiteten Verschwörungstheorien. Nun wollen sie davon nichts mehr wissen - das macht einige Trump-Fans wütend

von Benno Schwinghammer  09.07.2025

Spanien

Mallorca hat einen neuen Rabbiner

Rund 1000 Juden leben auf der bei deutschen Touristen beliebten Baleareninsel

 09.07.2025

Österreich

»Geschichte wurde schon immer politisiert«

Die US-Historikerin Sarah Abrevaya Stein über Gier, Künstliche Intelligenz und den Baron-Wissenschaftspreis

von Stefan Schocher  09.07.2025

Iran

Esthers Kinder

Wie die älteste Diaspora-Gemeinschaft 2700 Jahre überlebte – und heute erneut um ihre Existenz kämpft

von Stephen Tree  09.07.2025