Justiz

EuGH setzt Orbán Grenzen

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg Foto: imago images / Patrick Scheiber

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán stößt mit seinem machtbewussten Regierungsstil mehr und mehr an die Grenzen des europäischen Rechts. Der Europäische Gerichtshof schritt am Donnerstag erneut wegen eines ungarischen Gesetzes ein, weil es aus seiner Sicht die Rechte der Zivilgesellschaft einschränkt. Es ist nicht das erste Mal, dass das höchste EU-Gericht dem Rechtsnationalen Orbán Einhalt gebietet.

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Im konkreten Fall ging es um das sogenannte NGO-Gesetz, das 2017 verabschiedet wurde. Nichtregierungsorganisation (NGOs), die Spenden aus dem Ausland erhalten, müssen sich seitdem ab einem bestimmten Schwellenwert bei Behörden registrieren lassen.

George Soros Die Informationen werden veröffentlicht und die NGOs müssen auf ihrer Webseite angeben, dass sie eine »aus dem Ausland unterstützte Organisation« seien. Kritikern zufolge ist das Gesetz auf den US-Investor, Großspender und Holocaust-Überlebenden George Soros gemünzt, gegen den Orbán seit Jahren hetzt.

Die EU-Kommission sah in dem Gesetz einen Verstoß gegen EU-Recht und verklagte Ungarn vor dem EuGH. Die Luxemburger Richter gaben der EU-Behörde nun Recht und sprachen von »diskriminierenden und ungerechtfertigten Beschränkungen«. Diese verstießen sowohl gegen die EU-Verträge als auch gegen die Charta der EU-Grundrechte. (Rechtssache C-78/18)

Es ist nicht das erste Mal, dass das höchste EU-Gericht dem Rechtsnationalen Orbán Einhalt gebietet.

Diskriminierend sei das Gesetz, weil der innerstaatliche und der grenzüberschreitende Kapitalverkehr verschieden behandelt würden. Die Regeln könnten Spender aus anderen Ländern davon abhalten, eine NGO zu unterstützen. Zudem könnten sie ein Klima des Misstrauens gegenüber betroffenen Vereinigungen und Stiftungen schaffen.

Transparenz Dabei sei das Ziel des Gesetzes, die Finanzierung von Vereinen transparenter zu machen, sogar im allgemeinen Interesse. Bestimmte Organisationen könnten schließlich erheblichen Einfluss auf die öffentliche Debatte haben. Die Maßnahmen gälten jedoch pauschal für alle Spender aus dem Ausland, die einen Schwellenwert überschritten und eben nicht für jene, die tatsächlich erheblichen Einfluss haben könnten. Das Gesetz beruhe auf der pauschalen Annahme, dass jede ausländische Finanzierung von NGOs verdächtig sei.

Die Luxemburger Richter weisen in ihrem Urteil zudem darauf hin, dass das NGO-Gesetz die in der Grundrechte-Charta verankerten Rechte auf Versammlungsfreiheit, auf Achtung des Privat- und Familienlebens und auf Schutz personenbezogener Daten verletze.

Auf die Entscheidung folgte vielerorts Erleichterung. Eine starke und unabhängige Zivilgesellschaft sei entscheidend für europäische Werte wie den Rechtsstaat und die Demokratie, sagte ein Sprecher der EU-Kommission.

Auf die Entscheidung folgte vielerorts Erleichterung.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) sprach von einer »bahnbrechenden Entscheidung« und einer klaren Botschaft an die Regierung: Diese müsse jeden Versuch der Stigmatisierung und Diskreditierung zivilgesellschaftlicher Organisationen unterbinden. Linda Ravo von Civil Liberties Union for Europe betonte, das Urteil zeige, worauf das Gesetz angelegt sei: Es solle die öffentliche Debatte unterbinden, indem die Reputation und die Finanzen unabhängiger Organisationen zerstört würden.

Methoden Kritikern zufolge setzt Orbán die Zivilgesellschaft schon seit Jahren mit derlei Methoden unter Druck. Von ihm kontrollierte Zeitungen veröffentlichten Listen mit angeblichen »Soros-Söldnern«, unter ihnen Universitätsprofessoren von Rang und Namen. Die von Soros gegründete Central European University (CEU) vertrieb er mit Gesetzesschikanen aus Budapest. Zugleich betreibt der ungarische Regierungschef eine Asyl- und Migrationspolitik der Abschreckung. Die EU-Kommission leitete deshalb schon mehrere Verfahren gegen Budapest ein.

Erst vor wenigen Wochen entschied der EuGH, dass grundlegende Teile des ungarischen Asylsystems gegen EU-Recht verstoßen. Auch Budapests Weigerung, sich an der von den EU-Staaten beschlossenen Verteilung von Asylbewerbern zu beteiligen, wertete Luxemburg als rechtswidrig. Andere Verfahren - etwa wegen des ungarischen Hochschulgesetzes oder des sogenannten Stop-Soros-Gesetzes gegen Organisationen, die Asylbewerbern helfen – sind noch anhängig.

Richter Auf Verfahren, die er in Luxemburg verliert, reagiert Orbán häufig mit Nachbesserungen, die am Kern der beanstandeten Gesetze vorbeigehen. Nicht selten erledigt sich bei der Dauer dieser Verfahren der Anlass von selbst: als der EuGH die Zwangspensionierung von Richtern in Ungarn verurteilte, war so viel Zeit vergangenen, dass viele erfahrene Senatspräsidenten nicht mehr in ihre Ämter zurückkehren konnten. Das jüngste Asylurteil konterte Orbán mit einer weiteren Verschlechterung des Zugangs zum Asylverfahren.

Kritisch beäugt wurden von der EU-Kommission auch die Sondervollmachten, die sich Orbán Ende März vom Parlament für die Bewältigung der Corona-Pandemie geben ließ. Das zunächst unbefristete Regieren auf dem Verordnungsweg nutzte er unter anderem auch zur finanziellen Ausblutung der oppositionell regierten Großstädte. Am Donnerstag gab er diese Vollmachten wieder zurück – nicht aber, ohne sich neue Durchgriffsmöglichkeiten unter dem Deckmantel der Pandemie-Bekämpfung gesichert zu haben, wie Kritiker meinen.

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