Italien

Etrogim und Zellstoff

Wenn man Amalfi hört, denkt man an Sommer, Sonne, malerische Orte – und Zitronenduft. Die sogenannte Amalfi-Zitrone sieht zwar etwas schrumpelig aus, doch wenn sie in perfekter Qualität vorliegt, darf sie sich »Etrog« nennen und an Sukkot zum traditionellen Feststrauß gehören.

Weniger bekannt ist, dass an der südlich von Neapel gelegenen Amalfiküste seit dem Mittelalter Papier von feinster Qualität hergestellt wurde. Männer in den Seerepubliken Amalfi, Pisa, Genua und Venedig gehörten zu den Ersten in Europa, die über ihre guten Handelsbeziehungen nach Arabien und China in Kontakt mit Papier kamen – und es herzustellen lernten.

Qualität Weil im Mittelalter Papyrus immer knapper und teurer wurde, nahm der wirtschaftliche Druck zu, nach Alternativen zu suchen. So entwickelte sich die Amalfiküste zu einem Zentrum der Papierherstellung mit zahlreichen Mühlen, die dazu beitrugen, dass die Stadt Amalfi für ihr feines Papier berühmt wurde.

An vielen Königshöfen, vom Haus Anjou bis zu den Bourbonen, wurde für öffentliche Urkunden handgeschöpftes Papier aus Amalfi und Umgebung verwendet. Sein markantes Wasserzeichen bürgte für Qualität. Im Laufe der Zeit entstanden immer mehr Papiermühlen in Amalfi. Im Jahr 1811 sollen es 14 gewesen sein, die meisten wurden von jüdischen Familien geführt.

Die jüdische Präsenz in dem Städtchen hatte eine lange Geschichte.

Heute gibt es keine Gemeinde mehr in Amalfi. Doch die jüdische Präsenz in dem Städtchen hatte eine lange Geschichte. Dies bezeugen unter anderem Dokumente aus dem 12. Jahrhundert, wie Benjamin von Tudelas Bericht über seine Reise nach Bagdad. Sie führte ihn auch durch Amalfi, wo er mit örtlichen Juden zusammentraf.

Es wird berichtet, dass es Juden untersagt gewesen sei, im schöner gelegenen Teil der Stadt unter Katholiken zu leben. Sie hätten sich stattdessen weiter oben am Berg ansiedeln müssen. Dort fließt mit hoher Geschwindigkeit der Canneto-Fluss ins Tal hinab, der sich für die Nutzung von Wasserkraft nutzen ließ. So entstanden die ersten Papiermühlen.

Judentum Weil lesen und schreiben zu können unter Juden verbreiteter war als in der übrigen Bevölkerung, bestand in jüdischen Kreisen ein großes Interesse an Papier. Auch dies trug dazu bei, dass sich unter den Juden Amalfis die Papierherstellung entwickelte.

Juden durften keine großen Gebäude oder Siedlungen errichten und blieben oft nicht über viele Generationen an einem Ort. Sie schrieben vieles auf und konnten es auf diese Weise mitnehmen. Auch dadurch waren sie stark mit der Papierherstellung verbunden. Namen berühmter Fabrikanten in Amalfi waren Bonito, De Luca, Cimmino, Vitale und Milano. Städtenamen als Familiennamen zu führen, war im Mittelalter unter Juden weit verbreitet.

Nach einem großen Hochwasser 1954 bleiben nur noch drei Papierfabriken intakt. Die des 1903 in Amalfi geborenen Nicolo Milano bestand am längsten: Bis 1969 wurde in seiner Fabrik mit Wasserkraft Papier gefertigt. Als dann die Elektrizität eingeführt wurde, wandelte er seine Fabrik in ein Museum um. Es wird seit 1971 von einer staatlichen Stiftung getragen. In der Via Delle Cartiere 24 kann man die noch funktionierenden alten Maschinen unter Wasserkraft in Betrieb sehen und im Rahmen einer Führung handgeschöpftes Papier auch selbst herstellen.

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Ausmalen gegen die Realität

Kinderbücher sollten nicht dazu instrumentalisiert werden, Kinder niederschwellig zu prägen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025