Brüssel

Erstes Kennenlernen

»Ein Europa ohne Juden ist nicht vorstellbar«: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Foto: Michael Thaidigsmann

Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Jean-Claude Juncker ist die neue Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, gleich zu Beginn ihrer Amtszeit mit Repräsentanten der europäischen jüdischen Gemeinschaft zusammengetroffen – und hat versprochen, mehr gegen den Judenhass zu tun.

Tagung »Nach Halle: Von Worten zu Taten gegen den Antisemitismus« war eine Tagung betitelt, zu der am Dienstag die jüdischen Dachverbände B’nai B’rith International (BBI) und der Europäische Jüdische Kongress (EJC) sowie die achtköpfige Arbeitsgruppe Antisemitismus des Europaparlaments in den Brüsseler De-Warande-Klub eingeladen hatten. Es kamen nicht nur zahlreiche Parlamentarier – auch hochrangige Vertreter aus Europas jüdischen Gemeinden wollten die neue Frau an der Spitze der EU-Kommission gern kennenlernen.

Angereist war auch Anastassia Pletou­khina, die am 9. Oktober in der Hallenser Synagoge Augenzeugin des Anschlags geworden war. Von der Leyen lauschte ihr gebannt.

Halle Die neue Kommissionschefin kündigte in ihrer kurzen Rede an, das Problem sehr ernst zu nehmen. Sie sprach den Angehörigen der beiden Todesopfer des Anschlags in Halle ihr tiefes Mitgefühl aus. »Wir erinnern uns heute an die Furcht. Die Furcht all der Opfer und der Tatzeugen. Die Furcht der jüdischen Gemeinde in der Synagoge. Und wir denken an die Furcht, die jeder jüdische Mensch in diesem Moment gefühlt hat.«

Antisemitismus treffe zwar die jüdische Gemeinde, er sei aber »Gift« für die gesamte Gesellschaft. Er müsse daher im Interesse aller bekämpft werden, nicht nur dem der Juden, betonte von der Leyen. »Wir werden diesen Kampf gemeinsam führen.«

Die Herausforderung sei in jüngster Zeit größer geworden und benötige daher eine stärkere Antwort seitens der EU. Daher habe sie entschieden, das Thema künftig bei ihrem Vize Margaritis Schinas anzusiedeln, so von der Leyen. Mehr noch: Der Antisemitismuskoordinatorin der Kommission, Katharina von Schnurbein, wird fortan ein neues Team zur Seite stehen.

Bundeswehr Es gelte, nicht nur den Antisemitismus zu bekämpfen, sondern jüdisches Leben in Europa aktiv zu fördern, erklärte von der Leyen – und wies auf ihre Entscheidung als frühere deutsche Verteidigungsministerin hin, Militärrabbiner zu etablieren. Dies sei nicht nur für die jüdischen Soldaten, sondern für die gesamte Bundeswehr wichtig.

Durch solche Maßnahmen könne das gegenseitige Verständnis gefördert werden. »Es ist ein Mittel, um etwas über die verschiedenen Kulturen zu lernen, die zusammen unsere gemeinsame europäische Kultur bilden«, sagte von der Leyen.

Ein Europa ohne Juden sei nicht vorstellbar. In Anspielung auf den einstigen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt appellierte sie: »Es gibt eine Grundfreiheit, auf die wir Europäer uns besinnen müssen: die Freiheit, uns nicht fürchten zu müssen.«

Menschenrechte Alina Bricman, die Direktorin des Brüsseler BBI-Büros, ergänzte: »Vor genau 71 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Darin ist auch das Recht auf Sicherheit für alle verankert. Halle hat gezeigt, dass auch heute noch bei Weitem nicht alle Menschen, die jüdische Gemeinschaft eingeschlossen, in den Genuss dieses Rechts kommen.«

EJC-Präsident Mosche Kantor dankte von der Leyen für ihre Solidarität, fragte aber in die Runde: »Wie viele jüdische Leben müssen wir noch verlieren, bis endlich jeder versteht, dass diese Herausforderung alle angeht?«

Holocaust-Gedenktag Für Ende Januar, zum Internationalen Holocaust-Gedenktag, kündigte Kantor eine große Veranstaltung in Israel an, die gemeinsam mit der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem organisiert werde.

Man erwarte viele Staats- und Regierungschefs, und auch von der Leyen hat ihr Kommen angekündigt. Sie sagte, sie werde eine klare Botschaft mitbringen: »Die jüdische Gemeinschaft ist nicht allein.«

Spanien

Mallorca als Vorbild

Das Stadtparlament von Palma hat eine Antisemitismus-Resolution verabschiedet – anders als der Rest des Landes

von Sabina Wolf  26.07.2024

Sport

Der Überflieger

Artem Dolgopyat ist in Israel ein Star. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio gewann der Turner Gold, 2023 wurde er Weltmeister. Nun tritt er in Paris an

von Martin Krauß  26.07.2024

Europäisches Parlament

»Zittert. Das hier ist nur der Anfang«

Die frisch gebackene französische Abgeordnete Rima Hassan hetzt gegen Israel

von Michael Thaidigsmann  25.07.2024

Ausstellung

Olympioniken im KZ Buchenwald

Auf dem Ettersberg bei Weimar treffen unterschiedlichste Biografien aufeinander

von Matthias Thüsing  25.07.2024

Frankreich

»Man ist schließlich französisch«

Ganz Paris feiert die Olympischen Spiele. Ganz Paris? Nicht alle Juden fühlen sich vom erwünschten »Wir-Effekt« angesprochen. Denn das Land bleibt zerrissen

von Sophie Albers Ben Chamo  25.07.2024

USA

Die zweite Wahl?

Mit dem Rückzug von Joe Biden und der Kandidatur von Kamala Harris könnte das Rennen um die Präsidentschaft noch einmal richtig spannend werden

von Michael Thaidigsmann  24.07.2024

Jüdische Emigration

Die Niederlande - Ein Ort der Zuflucht für Juden?

Die Historikerin Christine Kausch nimmt das Leben jüdischer Flüchtlinge in den Blick

von Christiane Laudage  24.07.2024

Vor 80 Jahren

Von Rhodos nach Auschwitz

1944 wurden 2000 Jüdinnen und Juden von Rhodos nach Auschwitz deportiert. Nur wenige überlebten

von Irene Dänzer-Vanotti  23.07.2024

Jerusalem

Nach Gaza entführter Holocaust-Experte für tot erklärt 

Der Historiker Alex Dancyg ist in der Geiselhaft umgekommen

 22.07.2024