Urs Rohner war von 2011 bis 2021 Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse (CS). Zwei Jahre später war die Schweizer Großbank Geschichte und Rohner beim World Jewish Congress (WJC) und zusammen mit prominenten Anwälten und Bankern aus den USA als Berater tätig. Dieser Ausschuss berät den WJC bei Fragen der Menschenrechte sowie der Herstellung »historischer Gerechtigkeit«.
WJC-Präsident Ronald S. Lauder hatte dieses Gremium, das sich »Project Righteousness« nennt, bereits vor einigen Jahren gegründet, um Einlagen von Tätern des Nationalsozialismus auf Schweizer Banken aufzudecken. Die ehemalige Schweizer Großbank Credit Suisse soll bei Untersuchungen in den Neunzigerjahren Konten verschwiegen haben, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs Nationalsozialisten gehört hatten. Die UBS, die die CS 2023 übernommen hat, erklärte, dass sie dazu beitrage, alle alten Konten mit Bezug zum Nazi-Tätern zu erfassen.
Obwohl der damalige Holocaust-Vergleich aus dem Jahr 1998, der die UBS und die CS 1,3 Milliarden Dollar, (dem damaligen Wechselkurs von fast zwei Milliarden Franken entsprechend), gekostet hatte, abgeschlossen ist, ist für Lauder die Sache noch nicht vom Tisch. Er geht von weiteren 5 bis 10 Millionen Dollar aus, die die UBS zu Schadenersatzzahlungen verpflichtet.
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet blieb jedoch, dass sich Urs Rohner diesem Gremium vor zwei Jahren angeschlossen hatte. Das sorgt nun in der Schweiz für Irritation, zumal Rohner sein Mandat beim WJC exakt dann begann, als die UBS die CS übernommen hatten. Gleichzeitig wurde mit dem Untergang der Großbank die Reputation des Schweizer Finanzplatzes schwer beschädigt. Ob Rohner als langjähriger Präsident der Bank mitschuldig am CS-Debakel ist, bleibt nach wie vor offen.
Genauso wie die Frage, ob sich Rohner damit in einen Interessenskonflikt begeben hat. Für ihn scheint der Fall indes klar: Er habe keinen Interessenkonflikt und würde umgehend in den Ausstand treten, falls es beim WJC um Themen der CS oder der UBS gehen sollte. So sagte Rohners Sprecher gegenüber dem »Tages-Anzeiger«: »Das Gremium hat vor allem die Förderung der Menschenrechte und den Frieden zwischen den Religionen zum Ziel. Es hat allerdings seit 2023 noch nie getagt. Das Mandat ist ehrenamtlich und wird dementsprechend nicht entschädigt. Er hat im Übrigen immer darauf hingewirkt, den Fokus der Untersuchungen zu jüdischen Guthaben nicht auf die Schweiz zu konzentrieren, wo seit Jahren daran gearbeitet wird.«
Auch der WJC nimmt Stellung zur Wahl Rohners in diesem Gremium und begründet diese mit Rohners jahrelanger Erfahrung als internationaler Banker und strategischer Berater global bedeutende Investmentorganisationen: »Herr Rohner war maßgeblich an den jüngsten Bemühungen der Credit Suisse beteiligt, die darauf abzielen, dass die Schweizer Finanzbranche ihre Geschichte und ihr Erbe aufarbeitet und Verantwortung dafür übernimmt. Zu diesem Zweck schloss sich Herr Rohner dem Projekt ‹Righteousness’ an und sorgte durch die Beauftragung der notwendigen Untersuchung für beispiellose Anstrengungen«, wie es in einer Mitteilung des WJC heißt.
Rohner sei ein wichtiges Mitglied des Council to Counter Extremism gewesen, dessen gemeinsamer Vorsitz Ronald S. Lauder und die ehemalige CIA-Direktorin Gina Haspel innehatten. Auch Haspel ist kein unbeschriebenes Blatt. Sie war CIA-Direktorin in Trumps erster Amtszeit und zuvor jahrelang weltweit für den Geheimdienst tätig. Die meiste Zeit arbeitete sie dabei verdeckt. Nach dem 11. September 2001 wurde sie zur Terrorismusbekämpfung versetzt. Aufgrund von Presseberichten, denen zufolge Haspel in geheimen Gefängnissen Verdächtige festgehalten und Verhörmethoden unterwerfen ließ, die in vielen Fällen den Tatbestand der Folter erfüllen, wurde sie als »Kriegsverbrecherin« bezeichnet.
Die New York Times schrieb damals, dass Folterungen, die unter Leitung von Haspel an Verdächtigen durchgeführt wurden, terroristischen Gruppen für Propaganda- und Rekrutierungsmaßnahmen in die Hände gespielt hätten. Besonders berüchtigt war das »Waterboarding«, das simulierte Ertränken von Gefangenen.
Der WJC ist eine politisch gewichtige Organisation, vor allem auch in Bezug auf Antisemitismusbekämpfung und Nahostpolitik. Wenn Rohner gleichzeitig Mandate in Institutionen hält, die politischen Neutralitätsanspruch haben oder in Branchen, die politisch sensibel sind, könnten öffentliche Wahrnehmungskonflikte entstehen. Zudem war Rohner jahrelang als Chef des Rechtsdienstes und später als Verwaltungsratspräsident der CS tätig und in den Konkurrenzkampf mit der UBS involviert. Da stellt sich die Frage nach der Unabhängigkeit. ja