USA

Der Tora-Torero

Wegen seines Todesmuts gerühmt: Sidney Franklin (1903–1976) Foto: Getty Images

USA

Der Tora-Torero

Vor 100 Jahren begann Sidney Franklin eine große Karriere als Stierkämpfer – und das, obwohl er schwul und jüdisch war

von Hans-Ulrich Dillmann  21.02.2021 09:30 Uhr

Ernest Hemingway hat ihm ein literarisches Denkmal gesetzt. In seinem 1932 unter dem Titel Death in the Afternoon (Tod am Nachmittag) erschienenen Essay über den Stierkampf beschreibt er seinen Landsmann, den Stierkämpfer Sidney Franklin: »Er ist mutig mit einer gewissen Kälte, Gelassenheit und mutig intelligent (…). Er ist einer der geschicktesten, elegantesten, rechtshändigen und langsamsten mit der Capa, mit der sie heute kämpfen (…). Er gehört heute zu den sechs besten Matadoren in Spanien.«

Hemingway hatte den New Yorker auf seiner Recherchereise für sein Stierkampfbuch durch Spanien Ende der 1920er-Jahre auf der Iberischen Halbinsel kennengelernt.

»El Yanki«, wie ihn die Aficionados, die Liebhaber des Stierkampfes, nannten, hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits einen Namen in Lateinamerika gemacht. Dort feierten die Besucher die eleganten Bewegungen des grazilen, hoch gewachsenen Mannes bei seiner Faena, dem Tötungsritual, mit der Capa und den tödlichen Degenstich für den Stier begeistert mit »Olé!« und weißen Taschentüchern.

Eleganz Er war ein Torero wie aus dem Lehrbuch: von den Männern wegen seines Todesmuts gerühmt – von den Frauen wegen seiner Eleganz und Schönheit umworben. Zwar umgab sich »El Yanki« fernab der Stierkampfarenen auch gern mit schönen Frauen, doch sein Herz gehörte Männern. Sidney Franklin war homosexuell, sehr zum Leidwesen seines Vaters, eines russisch-jüdischen Einwanderers.

Es gelang ihm, sein Schwulsein über viele Jahre vor der homophoben Öffentlichkeit in Lateinamerika und Spanien zu verheimlichen. Dass er jüdisch war, störte nie.

Die wichtigsten Kommentatoren des Corrida-Ambientes feierten den Matador ähnlich wie Hemingway hymnisch bei seinen ersten Auftritten in den bekanntesten Arenen auf der spanischen Halbinsel, nachdem er sich zuvor besonders in Mexiko einen Namen als der »Tora-Torero« gemacht hatte.

Sidney Franklin wurde 1903 als Sidney Frumkin in Brooklyn in eine kinderreiche jüdische Einwandererfamilie geboren.

Sidney Franklin wurde 1903 als Sidney Frumkin in Brooklyn in eine kinderreiche jüdische Einwandererfamilie geboren. Sein Vater schrieb Polizeigeschichte: Er war der erste russisch-jüdische Einwanderer, der in den Vereinigten Staaten Polizist wurde. Sein Sohn hingegen interessierte sich mehr für das Theater und die Schauspielkunst. Im Alter von 19 Jahren floh er aus dem Elternhaus und ging nach Mexiko. Dort kam er mit der Stierkampfszene in Kontakt und stand mit seinen fast zwei Metern Körpergröße für Veranstaltungsplakate Modell.

In Mexiko-Stadt änderte er seinen Familiennamen: Aus Frumkin wurde Franklin. Bald war Sidney nicht mehr nur ein Novillero, der den Jungstier durch die Sand-Arena tänzerisch bis zum Todesstoß führte, sondern er wurde nun auch in den großen Corriden Lateinamerikas gebucht.

Hollywood Bald wurde Hollywood auf den Stierkämpfer, der ursprünglich Schauspieler werden wollte, aufmerksam. So durfte er 1932 in dem Film The Kid from Spain sich selbst spielen.

Dass sich der »Tora-Torero« im Spanischen Bürgerkrieg 1936–1939 auf die Seite des Despoten Franco stellte, führte zum Bruch mit Hemingway, der das republikanische Spanien unterstützte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Franklin 1945 wieder in die Heimat der Stierkampf-Corrida zurück. Die gleichgeschaltete Franco-Presse feierte ihn, nachdem er in der Stierkampf-Arena Las Ventas in Madrid zu Ehren des »Nationalen Aufstands« vom September 1936 auch für Spanien die sogenannte Alternativa, die Anerkennung als Torero, erhalten hatte.

torero-schule 1950 zog sich Franklin, der mehrmals auf die Hörner genommen und schwer verletzt wurde, aus der Arena zurück und eröffnete in Sevilla eine Torero-Schule. Zwar rühmte die Öffentlichkeit den »Tora-Torero« – einen schwulen Ex-Torero wollten die franquistischen Behörden, die mit dem »Gesetz für Nichtstuer und Landstreicher« strafrechtlich gegen Homosexuelle vorgingen, jedoch nicht akzeptieren.

Wegen des »Verstoßes gegen die Einfuhrbestimmungen«, so hieß es offiziell, wurde Sidney Franklin neun Monate lang inhaftiert. Danach kehrte er Franco-Spanien desillusioniert den Rücken. Dem Stierkampf blieb er aber treu. Von New York aus kommentierte er Stierkämpfe aus Spanien für das Fernsehen und arbeitete als Dozent.

Vergessen und einsam starb er im April 1976 im Alter von 72 Jahren in einem Pflegeheim in Brooklyn.

Meinung

New York: Zohran Mamdani und der Clash der Generationen

Der Bürgermeisterkandidat der Demokraten wurde nicht zuletzt wegen seiner antizionistischen Haltung gewählt. Während er unter jungen jüdischen New Yorkern Unterstützer hat, stehen die älteren überwiegend fest an Israels Seite

von Hannes Stein  06.07.2025

Ungarn

Wo der Wunderrabbi wirkt

Zur 100. Jahrzeit von Reb Shayele pilgern Tausende Chassidim nach Kerestir – im festen Glauben, dass seine Kraft bis heute fortlebt. Zu Besuch an einem Ort voller Hoffnung und Geschichte

von György Polgár  06.07.2025

Antisemitismus

Angriff auf Synagoge und Restaurant in Melbourne

Während etwa 20 Menschen Schabbat feierten, setzte ein Mann die Tür des Gebäudes in Brand. Kurz darauf wurde ein koscheres Restaurant gestürmt. Nun hat die Polizei einen Verdächtigen festgenommen

 06.07.2025 Aktualisiert

Belgien

»Gaza gleich Auschwitz«-Karikatur gewinnt Wettbewerb

Der erste Preis des Press-Cartoon-Belgium-Wettbewerbs ging in diesem Jahr an eine Zeichnung einer Landkarte, in der die Umrisse des Eingangstores von Birkenau auf die des Gazastreifens gelegt sind

von Michael Thaidigsmann  04.07.2025

Kommentar

Zürich sollte Francesca Albanese keine Bühne bieten

Die antisemitische UN-Sonderberichterstatterin tritt am Freitag in der Zürcher Zentralwäscherei auf - subventioniert durch die Steuerzahler der Stadt

von Ronny Siev  03.07.2025

Großbritannien

Unterhaus: Palestine Action als Terrororganisation eingestuft

Mitglieder der radikalen Anti-Israel-Gruppe waren im Juni auf einen britischen Luftwaffenstützpunkt eingedrungen und hatten dort Flugzeuge beschädigt

 03.07.2025

Ukraine

Putins Krieg und Trumps Frieden

Während sich die Medienaufmerksamkeit auf Nahost konzentriert, bombardiert Russland weiterhin das Land. Nun schlägt sogar der US-Präsident neue Töne an

von Michael Gold  03.07.2025

Australien

Zwei Krankenpfleger, die damit drohten, jüdische Patienten zu töten, haben Arbeitsverbot

Im Februar sorgte ein TikTok-Video für Abscheu und Empörung, in dem zwei Krankenpfleger ihrem blanken Judenhass freien Lauf ließen. Nun stehen sie vor Gericht

 02.07.2025

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025