Ladino

Der kleine Bruder des Jiddischen

Hier sprachen die Gemeindemitglieder einst Ladino: Synagoge Santa María La Blanca in Toledo Foto: Thinkstock

Mit großer Konsequenz versuchen der spanische Staat und seine Bevölkerung, mit ihrer antijüdischen Vergangenheit ins Reine zu kommen. Nachdem Nachfahren spanischer Juden, die vor 500 Jahren aus dem Land vertrieben worden waren, ein Recht auf Rückkehr und damit auch auf einen spanischen Pass eingeräumt wurde, will nun die Königlich-Spanische Akademie (RAE) Anstrengungen unternehmen, dass das von spanischen Juden gesprochene Ladino nicht ausstirbt.

»Es ist uns sehr daran gelegen, diese historische Schuld zu begleichen«, erklärte der Direktor der RAE, Darío Villanueva, in einem Gespräch mit der Madrider Tageszeitung El País.

Villanueva zufolge plant die RAE, eine Akademie ins Leben zu rufen, deren Aufgabe es ist, diese im Mittelalter auf der Iberischen Halbinsel entstandene Sprache zu pflegen und weiterzuentwickeln. Man habe die ersten Schritte dazu auf den Weg gebracht, so Villanueva, und man sei optimistisch, dass sich in den nächsten Jahren die Situation des Ladino konsolidieren werde.

Tel Aviv Dies geht allerdings nicht ohne fremde Unterstützung. »Wir hoffen auf die Hilfe der Autoridad Nasional del Ladino i su Kultura, die in Israel ansässig ist, auf die des Centro Sefarad-Israel und natürlich auch auf das Wohlwollen der Stadtverwaltung von Tel Aviv, wo die Akademie ihren Sitz finden könnte«, sagte Villanueva.

Mit großem Engagement setzt sich Shmuel Refael Vivante, Direktor des Naime-und-Yehoshua-Salti-Zentrums für Ladino-Studien an der Bar-Ilan-Universität nahe Tel Aviv, für dieses Projekt ein: »Als ich jung war, war bei uns zu Hause das Ladino, das auch Judenspanisch genannt wird, allgegenwärtig: die Wörter dieser Sprache, die Ausdrücke, die Lieder. Viele sefardische Gebräuche wurden gepflegt – von meinen Eltern, von Freunden, von Nachbarn und Überlebenden des Holocaust, die uns besuchten.« Shmuel Refael Vivante will, dass diese Erinnerung auch in der Gegenwart Wirklichkeit bleibt.

Doch es wird nicht einfach sein, diese Sprache am Leben zu erhalten. In Israel ist sie gegenüber ihrem Zwillingsbruder, dem Jiddischen der Aschkenasim, ins Hintertreffen geraten. Wie viele Juden weltweit noch Ladino sprechen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Nach der Vertreibung 1492 aus Spanien und 1497 aus Portugal ließen sich viele Sefarden in der Türkei, Griechenland, Bulgarien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Syrien und den arabischen Staaten an der Mittelmeerküste nieder. Doch die geschichtliche Entwicklung führte dazu, dass sich der Gebrauch des Judenspanisch immer mehr vom öffentlichen in den privaten Bereich, in die Familien verlagerte. So gaben bei der Volkszählung von 1955 in der Türkei fast 72 Prozent der befragten Juden Ladino als ihre Muttersprache an, 1965 waren es nur noch 32 Prozent.

Statistik Eine Schätzung von 1966 besagte, dass es damals weltweit 360.000 ladinisch sprechende Sefarden gab – darunter 300.000 in Israel, 20.000 in der Türkei, 15.000 in den USA und 5000 in Griechenland. Einer der führenden Erforscher sefardischer Geschichte und Traditionen, Michael Studemund-Halévy, erklärte 2012 in einem Pressegespräch, dass heute nur noch 25.000 Juden dieser Sprache mächtig seien. Sein Ausblick ist ausgesprochen pessimistisch: »In der nächsten Generation wird Judenspanisch nur noch eine Erinnerung sein.« Allerdings gibt es auch optimistischere Schätzungen, die von gegenwärtig 25.000 bis 100.000 ladinisch sprechenden Sefarden ausgehen.

Neben den spanischen Bemühungen, dem Ladino unter die Arme zu greifen, gibt es auch andernorts entsprechende Aktivitäten. Erwähnenswert sind zwei Zeitschriften, die ausschließlich in ladinischer Sprache auf den Markt kommen: »El Amaneser« erscheint monatlich in Istanbul und »Aki Yerushalayim« zweimal jährlich in Jerusalem. Die jüdische Gemeinde in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires druckt alle vier Wochen eine Zeitschrift sowohl in Spanisch als auch in Ladino, und in New York nimmt sich die »Foundation for the Advancement of Sephardic Studies and Culture« (FASSAC) des spanischen Erbes an.

Mehrere Universitäten in Israel bieten spezielle Programme zum Erlernen des Ladino an, außerdem gibt es entsprechende Studienprogramme in Europa – so in Paris, Hamburg, Berlin, Tübingen, Madrid und Sofia.

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Ausstellung

Avantgardistin der Avantgarde

Berthe Weill förderte nicht nur die moderne Kunst der Jahrhundertwende, als Galeristin war sie selbst eine Schlüsselfigur. Eine Ausstellung in Paris ehrt die Pionierin

von Sabine Schereck  13.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

USA

Mehrgewichtig, zionistisch und stolz

Alexa Lemieux ist Influencerin in den sozialen Medien und zum Vorbild für viele junge jüdische Frauen geworden

von Sarah Thalia Pines  11.11.2025

Prag

Der Golem-Effekt

Seit mehr als fünf Jahrhunderten beflügelt das zum Schutz der Juden geschaffene Wesen aus Staub und Worten die Fantasie. Ein Blick zurück mit Büchern, Filmen und den »Simpsons«

von Sophie Albers Ben Chamo  11.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Jerusalem

Zerstrittene Zionisten

Der Zionistische Weltkongress tagt zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1897 durch Theodor Herzl. Doch das Treffen droht zum Fiasko für die Organisation zu werden. Die Hintergründe

von Joshua Schultheis  10.11.2025