USA

Der Fluch des Rabbis

Die folgende Geschichte ist wahr, auch wenn sie sich so anhört, als stamme sie aus der Feder eines Kriminalschriftstellers. Am Anfang richten wir den Blick, wie es sich für das Genre gehört, auf eine Leiche. Sie gehört dem jüdischen Millionär Shlomo Obstfeld, der am 9. Juni aus dem 19. Stock seines Luxusapartments in Manhattan in den Tod stürzte. Der Gerichtsmediziner hat bereits verkündet, es sei Selbstmord gewesen, und die Polizei hat den Aktendeckel über dem Fall mit einem dumpfen Knall geschlossen.

Aber die Familie hat Zweifel: Warum sollte ein frommer Jude Selbstmord begehen? Ein Vater von fünf Kindern noch dazu? Am Tag, an dem er in den Tod stürzte, redete er noch mit verschiedenen Kollegen über Geschäfte, und er war gerade im Begriff, drei Wohnungen zu verkaufen – für sechseinhalb Millionen Dollar. »Er war ein sehr glücklicher und erfolgreicher Mann«, verriet ein Freund der Familie der israelischen Tageszeitung Haaretz. »Er kümmerte sich um seine Gemeinschaft. Es gab keine Anzeichen, dass er unter einer Depression litt. Im Gegenteil, er hat keine Notiz, kein Testament, keinen Brief oder irgendetwas anderes hinterlassen, das auf Selbstmord hindeutete. Hätte er Selbstmord begangen, hätte er mit Sicherheit etwas hinterlassen.«

Kabbala Damit rückt nun die ominöse Eminenz dieser Geschichte ins Blickfeld. Wie es sich für einen ordentlichen Krimi gehört, handelt es sich um einen kabbalistischen Rabbi aus Israel für die Reichen und Berühmten. Der Name: Yoshiyahu Yosef Pinto. Der 37-Jährige verfügt über eine illustre Ahnentafel: Mütterlicherseits stammt er vom Baba Sali ab, jenem Kabbalisten, dessen Anhänger einst darauf schworen, er habe vor ihren Augen Wunder getan. Väterlicherseits ist er der Urgroßenkel von Chaim Pinto, einem Chacham aus Marokko. Besonders Leute, die im Immobiliengeschäft tätig sind, suchen seinen Rat. Und obwohl er kein Wort Englisch spricht, kommen auch solche New Yorker Juden in seine Schiurim, die nicht Hebräisch können, einfach nur, um seine Stimme zu hören und seine Präsenz zu spüren. Ja, auch Nichtjuden befinden sich unter seinen Schülern – so soll New Yorks früherer Bürgermeister Rudy Giuliani in seiner Gegenwart gesichtet worden sein.

Das Problem ist, dass Pinto in einer von Obstfelds Wohnungen wohnte, aber die Miete monatelang nicht bezahlte, obwohl sie deutlich unterhalb des Marktpreises lag. Am Ende ließ Obstfeld den Rabbi kurzerhand hinausschmeißen. Der revanchierte sich mit einer Pulsa DiNura, jener kabbalistischen Zeremonie, in der die Engel der Zerstörung aufgerufen werden, die himmlische Vergebung für die Sünden eines Menschen zu annullieren, woraufhin er sämtlichen biblischen Flüchen wehrlos ausgeliefert ist. Ergebnis: Der Verfluchte stirbt.

horror Damit gelangt ein Spritzer authentischen Horrors in diese Geschichte, aber gemäß den Gesetzen des Krimigenres sollte sich am Schluss erweisen, dass nicht metaphysische, sondern höchst irdische Mächte für einen gewaltsamen Tod die Verantwortung tragen. Ein Ungenannter aus dem Umfeld der Familie des Verstorbenen hat jetzt eine Privatdetektei mit Ermittlungen beauftragt. Und der oben zitierte Freund von Shlomo Obstfeld äußert den Verdacht, dass der kabbalistische Rabbi und seine Jünger ein Mordkomplott ausgeheckt haben: »Ich selbst könnte der Nächste sein«, sagt er.

Versierte Krimileser wissen aber, dass der Hauptverdächtige meist nicht der Täter ist. Aus theologischer Sicht bleibt anzufügen, dass es laut Tora streng verboten ist, einen Mitmenschen zu verfluchen; man darf ausschließlich für sein Wohlergehen beten. Warten wir in diesem Sinne den Ausgang der Ermittlungen ab.

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Ausstellung

Avantgardistin der Avantgarde

Berthe Weill förderte nicht nur die moderne Kunst der Jahrhundertwende, als Galeristin war sie selbst eine Schlüsselfigur. Eine Ausstellung in Paris ehrt die Pionierin

von Sabine Schereck  13.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  11.11.2025 Aktualisiert

Zürich

Goldmünze von 1629 versteigert

Weltweit existieren nur vier Exemplare dieser »goldenen Giganten«. Ein Millionär versteckte den Schatz jahrzehntelang in seinem Garten.

von Christiane Oelrich  11.11.2025

USA

Mehrgewichtig, zionistisch und stolz

Alexa Lemieux ist Influencerin in den sozialen Medien und zum Vorbild für viele junge jüdische Frauen geworden

von Sarah Thalia Pines  11.11.2025

Prag

Der Golem-Effekt

Seit mehr als fünf Jahrhunderten beflügelt das zum Schutz der Juden geschaffene Wesen aus Staub und Worten die Fantasie. Ein Blick zurück mit Büchern, Filmen und den »Simpsons«

von Sophie Albers Ben Chamo  11.11.2025

Raubkunst

Zukunft der Bührle-Sammlung ungewiss

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat ihren Stiftungszweck angepasst und streicht die Stadt Zürich daraus

von Nicole Dreyfus  10.11.2025

Wien

Österreichs Regierung mit neuer Strategie gegen Antisemitismus

KI-gestützte Systeme zum Aufspüren von Hate Speech, eine Erklärung für Integrationskurse, vielleicht auch Errichtung eines Holocaust-Museums: Mit 49 Maßnahmen bis zum Jahr 2030 will Wien gegen Antisemitismus vorgehen

 10.11.2025

Jerusalem

Zerstrittene Zionisten

Der Zionistische Weltkongress tagt zum 39. Mal seit seiner Gründung im Jahr 1897 durch Theodor Herzl. Doch das Treffen droht zum Fiasko für die Organisation zu werden. Die Hintergründe

von Joshua Schultheis  10.11.2025