Brüssel

Demokratie ohne Öffentlichkeit

Schöne Kulisse: EU-Parlament in Brüssel Foto: imago

Im Brüsseler EU-Parlament ist für den heutigen Donnerstag etwas Außergewöhnliches geplant: Erstmals sollen dort die Mitglieder eines neuen Europäisch-Jüdischen Parlaments zusammenkommen – 120 jüdische Frauen und Männer aus allen Ländern des Kontinents, orthodox, liberal, säkular, Rabbiner, Publizisten, Künstler. Sie seien von mehr als 400.000 Menschen gewählt worden und werden sich fortan für jüdische Interessen in Europa einsetzen, heißt es bei der European Jewish Union (EJU), die die Wahl im Herbst ausgeschrieben und organisiert hatte. Das sei Basisdemokratie.

Außerhalb der EJU hält sich die Begeisterung in Grenzen. Das hat auch mit der Geschichte der Organisation zu tun, die von den ukrainischen Milliardären Igor Kolomoisky und Vadim Rabinovich gegründet wurde. 2010 scheiterte ihr Versuch, die Präsidentschaft des European Council of Jewish Communities (ECJC) zu übernehmen. Anschließend spaltete sich ihre Fraktion vom ECJC ab und rief 2011 zunächst die EJU und später den jüdischen Fernsehsender Jewish News 1 (JN1) ins Leben.

Kritik In den vergangenen Monaten sorgte zudem die Wahl zum European Jewish Parliament für einigen Wirbel. Serge Cwajgenbaum, Generalsekretär des European Jewish Congress (EJC), übt grundsätzliche Kritik an dieser »nicht seriös erscheinenden, vollkommen privaten Initiative«. Dass diese die bereits bestehenden Strukturen jüdischer Repräsentation umgeht, findet er »nicht akzeptabel«. Eine zusätzliche Lobby nennt Cwajgenbaum »absoluten Nonsens«.

Auch die Modalitäten der Wahl, die ausschließlich online stattfand, sind umstritten: Jeder sollte jeden als Kandidaten vorschlagen können, vorgegeben war lediglich der Schlüssel der Repräsentanten pro Land. »Eine dreiste Arbeitsmethode«, fand Julien Klener, Präsident des Consistoire Central Israélite de Belgique (CCIB), der wie manch anderer empört von seiner vermeintlichen Kandidatur zurücktrat.

Die EJU begründet dieses Prozedere mit dem Prinzip größtmöglicher Offenheit. »Demokratie geht nicht ohne Chaos«, räumt Alexander Zanzer vom Brüsseler Hauptquartier der EJU ein. »Und diese Wahl war ein richtiges jüdisches Chaos.« Was das Chaos betrifft, hat Zanzer fraglos recht. Mehrmals wurden Fristen verlängert, die Auszählung verlief wenig transparent, und wenige Tage vor der ersten Sitzung waren zwar die Gewählten benachrichtigt, doch ihre Namen noch immer nicht veröffentlicht.

Zanzer, der die jüdische Wohlfahrtsorganisation »Centrale« in Antwerpen leitet, bringt zur Rechtfertigung von EJU wie Parlament vor allem zwei Gründe. Der erste, externe, betrifft den steigenden Antisemitismus in Europa und die drohende Marginalisierung jüdischer Minderheiten, was dringend neue Initiativen erfordere. Daneben kritisiert er die Verhältnisse innerhalb der etablierten Strukturen jüdischer Repräsentation. »Die gefestigte Ordnung der jüdischen Welt, das sind alte Organisationen mit Mitgliedern, die sich selbst gewählt haben. Sie schütteln anderen Amtsträgern gerne die Hände und finden sich selbst wichtig.« Die EJU fördere dagegen eine demokratische Mitsprache aller.

Medienpolitik Nicht gerecht wird diesem Anspruch allerdings die Medienpolitik der neuen Organisation. Zur konstituierenden Sitzung des Parlaments sollen nur Journalisten des eigenen Fernsehsenders JN1 zugelassen werden. Vertretern anderer Medien steht nicht einmal ein Registrierungsformular zur Verfügung.

Ein anderer Punkt sorgt derweil für Verwirrung: Während angehende Abgeordnete das Datum der Sitzung bestätigen, weiß man im EU-Parlament in Brüssel von nichts. Weder bei der Pressestelle noch bei der Agendakommission hat man jemals von der European Jewish Union oder einem jüdischen Parlament gehört.

USA

Zurück an den Herd

Der Tradwife-Trend feiert ein traditionell-konservatives Frauenbild. Aber was fasziniert junge Mütter am Dauerbacken, an Wäschebergen und Unterwürfigkeit?

von Alice Heim  21.05.2025

Jerusalem

Lauder für fünfte Amtszeit als WJC-Präsident wiedergewählt

Vertreter aus mehr als 70 jüdischen Gemeinden weltweit waren zur Vollversammlung des Jüdischen Weltkongesses nach Jerusalem gekommen

 21.05.2025

Jerusalem

Mosche Kantor wieder Präsident des EJC

Priorität Kantors ist der Kampf gegen den Antisemitismus: »Wenn wir diesem wachsenden Hass nicht Einhalt gebieten, wird er das soziale Gefüge unserer Gesellschaften untergraben«, sagt er

 21.05.2025

Ehrung

Sami-Rohr-Preis für jüdische Literatur geht an Sasha Vasilyuk

Der Preis ist eine der höchstdotierten Literatur-Auszeichnungen Nordamerikas. Vasilyuks Gewinner-Roman spiegelt eine jüdische Familiengeschichte in den totalitären Wirren des 20. Jahrhunderts

 20.05.2025

Nahost

Meisterspion Eli Cohen: Mossad bringt Dokumente und Fotos von Syrien nach Israel

60 Jahre nach der Hinrichtung des Meisterspions in Damaskus liegen Briefe in seiner eigenen Handschrift an seine Familie und Fotos von seiner Tätigkeit in Syrien vor

 20.05.2025

Paju

Südkorea eröffnet Holocaust-Museum

»Das Gedenken an den Holocaust ist keine Wahl, sondern eine moralische Verpflichtung gegenüber den Opfern«, sagt der israelische Botschafter Rafi Harpaz bei der Eröffnung

 20.05.2025

Campus

Von der Zielscheibe zur Influencerin

Vor einem Jahr kämpfte die jüdische Studentin Tessa Veksler öffentlich gegen Antisemitismus an US-Universitäten. Sie wurde angegriffen – doch ihr Aktivismus hat ihr auch Türen geöffnet

von Katja Ridderbusch  18.05.2025

Yuval Raphael

»Dem Land eine Sekunde des Friedens zu schenken«

Die zweitplatzierte ESC-Sängerin sagte es sei erst dann ein wirklicher Sieg für sie, wenn Geiseln zuhause sind

 18.05.2025

Basel

Drei verletzte Polizisten

Die Beamten seinen mit Verdacht auf ein Knalltrauma ins Krankenhaus gebracht worden

 18.05.2025