Grossbritannien

Brautkleider fair gehandelt

Wer die Londoner St. Pancras Station verlässt und in eine der Seitenstraßen biegt, steht wenige Minuten später vor dem Atelier Tammam. Die Schaufenster geben nur einen Schein von den edlen Kleidern im Inneren wider.

Das Atelier besteht aus zwei Räumen, einem Ausstellungsraum und einem Hinterzimmer. Auf der linken Seite hängen Hochzeitskleider wie Kunstwerke in einer Ausstellung: Die meisten sind pastellweiß oder zart apricotfarben, dazwischen auch ein paar Abendkleider in Rot und Schwarz.

Rechts daneben steht eine alte Glasvitrine. Lucy Tammam, die Inhaberin, holt ein Krönchen mit Kristallrosen heraus. »Ich bin immer auf der Suche nach solchen Raritäten«, sagt sie. Über der Vitrine hängt die große Zeichnung eines Pfaus. Da viele ihrer Kleider gedruckte oder gestickte Federmotive haben, wurde der Pfau Tammams Markensymbol.

Sie verwendet für ihre Kleider vor allem Wildseide, auch Ahimsa- oder Friedensseide genannt. Das Wort »Ahimsa« kommt aus dem Sanskrit und bedeutet »Gewaltlosigkeit« – eines der wichtigsten Prinzipien im Hinduismus, der das Töten oder Verletzen von Lebewesen untersagt. »Bei Friedensseide überleben die Raupen, und die Motten fliegen später weg«, erklärt Tammam. Anders ist es bei der herkömmlichen Seidenproduktion: Da wird beim »Ernten« der Seide die Raupe im Kokon getötet.

bügelbrett Lucy Tammam setzt sich vor ihr MacBook an einen kleinen Schreibtisch im Hinterzimmer. Mit ihrem riesigen Winterschal und dem etwas strubbeligen Haar sieht sie so gar nicht modisch und ein wenig überarbeitet aus. Der Raum erinnert an ein klassisches Schneiderstübchen, in dem bis spät in die Nacht geschuftet wird. Nähmaschinen, Bügelbrett und Schneiderpuppen stehen an den Seiten, und auf dem Boden liegen Taschen voller Stoffe.

Eine Mitarbeiterin befestigt mit Stecknadeln ein paar Stoffrosen an der Büstenlinie eines Kleids. »Sie werden von Ammu, einer Näherin in Indien, angefertigt. Bevor wir ihr Talent entdeckten, war sie Putzfrau. Heute gehört sie zu meinen Lieblingshandwerkerinnen«, schwärmt Tammam.

Auch die anderen Kleider haben besondere Geschichten. Tammam greift nach einem fast durchsichtigen Brautschleier, auf dem ein gesticktes Muster zu erkennen ist. »Es zeigt eine Brosche, die die Braut von ihrer Großmutter erhalten hat. Die Braut wird sie anlegen, und das Muster am Schleier untermalt das.« So wie dieses sollten alle Hochzeitskleider Unikate sein, die an die nächste Generation vererbt werden, meint Tammam, deren Handwerk Familientradition ist. »Wenn ich als Kind meinen Opa in Israel besuchte, bewunderte ich die Leichtigkeit, mit der er als Schneider arbeitete«, erinnert sich Tammam. Der alte Mann stammte aus Libyen.

studium Die Enkelin studierte an der renommierten Londoner Modeschule Central Saint Martins. Danach eröffnete sie ihr Atelier, in dem fast ausschließlich Brautkleider angefertigt und verkauft werden. Das Besondere daran: »Alle Wege unserer Produktion sind nachweisbar ethisch, fair gehandelt und ökologisch nachhaltig«, sagt Tammam stolz. »Angefangen hat es damit, dass ich koscher leben wollte und mich entschloss, Vegetarierin zu werden, um es mir einfacher zu machen. Dies weckte in mir ein Interesse an Tierrechten.« Nach einer Reise durch Indien, bei der sie die Zustände in manchen Fabriken sah, wollte sie fair gegenüber den Leuten sein, die für sie arbeiteten, sagt sie.

Heute lebt Tammam vegan, den Versuch, religiös zu leben, hat sie aufgegeben. In Südindien und in Großbritannien verfügt sie über ein Netzwerk ausgewählter Zulieferer. Ihre Schurwolle bezieht sie von einer Farm in Nordengland, wo die Schafe, wie sie sagt, »besonders gut behandelt werden«. Aber Tammam möchte mit ihren Prinzipien nicht öffentlich hausieren gehen. »Ich erwähne die Ethik nur sparsam, denn viele assoziieren sie mit Hippiestil statt feinen Kleidern.«

Nicht jede Braut kann sich Tammams Kleider leisten. Sie kosten zwischen 1200 und 4200 Euro; ein speziell von ihr angefertigtes Kleid gibt es erst ab 6000 Euro. »Ich will weniger für meine Ethik als für mein Design bekannt sein«, beteuert sie. Prominente reiche Kundinnen wie die Schauspielerinnen Alicia Silverstone und Olivia Williams wissen das zu schätzen.

An der Wand hängt ein Zettel mit Tammams vollem Jahresplan. Zu den zahlreichen Hochzeiten kommen Modewochen und Ausstellungen hinzu. Das ist Dauerstress, dem Lucy Tammam mit Kaffeetrinken beizukommen versucht – aber nur fair gehandeltem, das versteht sich von selbst.

Dänemark

Männer sollen 760.000 Euro für die Hamas gesammelt haben

Am Dienstagmorgen nahm die Polizei einen 28-Jährigen fest. Sein mutmaßlicher Komplize sitzt bereits in U-Haft

 05.12.2025

Antisemitismus

Litauen: Chef von Regierungspartei wegen Antisemitismus verurteilt

In Litauen ist der Chef einer Regierungspartei mehrfach durch antisemitische Aussagen aufgefallen. Dafür musste er sich vor Gericht verantworten. Nun haben die Richter ihr Urteil gefällt

 04.12.2025

Ukraine

Alles eine Frage der Herkunft

Wie ein Korruptionsskandal den antisemitischen Narrativen in Russland Vorschub leistet

von Alexander Friedman  04.12.2025

Europa

»Yid Army« im Stadion

Ein neues Buch erklärt, warum Fußballvereine wie Tottenham Hotspur, Austria Wien und Ajax Amsterdam zu »Judenklubs« wurden

von Monty Ott  04.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

New York

Das sind die Rabbiner in Mamdanis Team

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat Mamdani keinen Ortodoxen in seine Übergangsausschüsse berufen – eine Lücke, die bereits im Wahlkampf sichtbar wurde

 02.12.2025

Italien

Francesca Albanese und ihre »Mahnung« an die Presse

In Turin wurden die Redaktionsräume von »La Stampa« von Demonstranten verwüstet. Die Reaktion der UN-Sonderbeauftragten für die Palästinensergebiete verstörte viele

von Michael Thaidigsmann  02.12.2025

Jüdisches Leben im Libanon

Noch immer hat Beirut eine Synagoge, aber die Gläubigen nehmen ab

Einst war Libanon ihr Zufluchtsort, dann kam der Bürgerkrieg, und viele gingen. Doch nach wie vor gehören Juden zu den 18 anerkannten Religionsgruppen im Libanon - auch wenn nur noch wenige im Land leben

von Andrea Krogmann  02.12.2025