Warschau

Betten in der Synagoge

Die jüdische Gemeinde in Polen startet eine große Hilfsaktion für Geflüchtete aus der Ukraine

von Gabriele Lesser  28.02.2022 12:23 Uhr

Leslaw Piszewski, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Warschau Foto: Andrzej Chomczyk

Die jüdische Gemeinde in Polen startet eine große Hilfsaktion für Geflüchtete aus der Ukraine

von Gabriele Lesser  28.02.2022 12:23 Uhr

»Wir sind entsetzt über den Krieg, mit dem Russland die Ukraine überzieht«, sagt Leslaw Piszewski, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Warschau. »Ich kenne niemanden, der nicht an den Überfall Hitlers und Stalins auf Polen im September 1939 denken würde.«

Der 64-Jährige hat Warschau zum Sitz des Krisenstabs aller jüdischen Gemeinden in Polen bestimmt. »Die Hilfsangebote müssen koordiniert werden. Die Flüchtlinge, die um Hilfe bitten, müssen wir von der Grenze abholen oder an die richtigen Stellen weiterleiten.«

strukturen Er atmet tief durch: »Es ist noch so unglaublich viel zu tun!« Die Gemeinde stampfe die Strukturen, die eine Flüchtlings-Hilfsorganisation brauche, jetzt erst aus dem Boden. »Wir haben gleich am ersten Kriegstag entschieden, dass wir allen helfen werden, die sich an uns wenden: also ukrainischen Juden – das versteht sich von selbst – und allen anderen Kriegsflüchtlingen auch.«

Die Gemeinde hat bereits zwei Solidaritäts-Konten in Zloty und US-Dollar eingerichtet, ein drittes in Euro soll folgen.

Bislang können Polens Juden rund 200 Übernachtungsplätze anbieten, die meisten davon – rund 120 – im Hotel Ilan in der südpolnischen Stadt Lublin nahe der polnisch-ukrainischen Grenze. In der Lubliner Synagoge gibt es weitere acht Plätze. Ebenfalls in Südostpolen, in Kazimierz Dolny, besitzt die Gemeinde seit Kurzem ein Hostel mit 31 Übernachtungsplätzen. In Warschau hat ein Privatmann angeboten, sein Hotel mit 60 bis 70 Plätzen für die Geflüchteten zur Verfügung zu stellen.

Die Gemeinde hat bereits zwei Solidaritäts-Konten in Zloty und US-Dollar eingerichtet, ein drittes in Euro soll folgen. »Denn«, so Piszewski, »um diese Menschen beherbergen und verpflegen zu können, brauchen wir Spendengelder aus aller Welt. Wir haben keinen Notfonds.«

Der gelernte Forstingenieur senkt die Stimme fast zu einem Flüstern ab: »Wir dachten doch, dass es hier nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Krieg mehr geben würde. Jetzt haben wir ihn direkt vor unserer Haustür.«

Lesen Sie mehr in unserer Printausgabe am Donnerstag.

Sofia

Nach Nichtwahl ausgeschlossen

Bulgarien steckt in einer politischen Dauerkrise - und mittendrin steht ein jüdischer Politiker, den seine Partei jetzt ausschloss

von Michael Thaidigsmann  09.12.2024

Vatikan

Papst Franziskus betet an Krippe mit Keffiyeh

Die Krippe wurde von der PLO organisiert

 09.12.2024

Österreich

Jüdisch? Arabisch? Beides!

Mit »Yalla« widmet sich das Jüdische Museum Hohenems einer komplexen Beziehungsgeschichte

von Nicole Dreyfus  07.12.2024

Australien

Anschlag auf Synagoge »völlig vorhersebare Entwicklung«

Die jüdische Gemeinde in Australien steht unter Schock. Auf die Synagoge in Melbourne wurde ein Anschlag verübt. Die Ermittlungen laufen

 06.12.2024

Australien

Brandanschlag auf Synagoge in Melbourne

Das Gotteshaus ging in Flammen auf

 06.12.2024

Streit um FPÖ-Immunität

Jüdische Studenten zeigen Parlamentspräsidenten an

Walter Rosenkranz habe Ansuchen der österreichischen Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der Immunität von drei FPÖ-Parteifreunden verschleppt.

von Stefan Schocher  05.12.2024

USA

Trump will Jared Isaacman zum NASA-Chef ernennen

Der mögliche zweite Jude auf dem Chefsessel der Weltraumbehörde hat ehrgeizige Vorstellungen

von Imanuel Marcus  05.12.2024

Frankreich und der Nahe Osten

Diplomatisches Tauziehen

Paris soll eine Schlüsselrolle im Aushandeln der Waffenruhe im Libanon gespielt haben

von Florian Kappelsberger  04.12.2024

Nachruf

Der Mann mit dem bestechenden Lächeln

Der israelische Resilienz-Experte David Gidron starb am Sonntag

von Imanuel Marcus  04.12.2024 Aktualisiert