Türkei

»Ausgeburt Israels«

Recep Tayyip Erdogan beim Besuch der türkischen Bergarbeiterstadt Soma. Foto: dpa

Schwere Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan: Der 60-Jährige soll beim Besuch der türkischen Bergarbeiterstadt Soma nach dem schweren Grubenunglück mehrere Passanten geschlagen und einen Bergmann als »Ausgeburt Israels« beschimpft haben.

Ein Opfer sei ein 15-jähriges Mädchen gewesen, das andere ein junger Mann, der Erdogan zufällig vor einem Supermarkt in Soma begegnete, berichten türkische Medien. Der Bergmann, Taner Kuruca, bestätigte in mehreren Interviews, dass er von Erdogan geschlagen worden sei. Die angebliche antisemitische Äußerung erwähnte er aber nicht.

Videos im Internet zeigten einen wutentbrannten Erdogan in einem dichten Gedränge zwischen Leibwächtern, Polizisten und Passanten. Der Politiker hatte in Soma für Unmut gesorgt, weil er das Grubenunglück als unvermeidlichen Bestandteil des Bergbaus dargestellt hatte. In den Videos ist zu sehen, wie Erdogan auf einen Mann zugeht. Auch ist bei verlangsamtem Tempo des Clips die antisemitische Bemerkung zu hören. Ganz eindeutig ist es aber nicht, ob sie von Erdogan kommt.

Wut Vor den Ohrfeigen für das Mädchen soll Erdogan durch einen Ausruf des Kindes in Wut geraten sein. Das Mädchen, Tochter eines bei dem Unglück zu Tode gekommenen Bergmannes, habe gerufen: »Was will denn der Mörder meines Vaters hier?« Die Regierung hat sich zu dem Vorfall bislang noch nicht geäußert.

Der Besuch Erdogans in Soma war von Skandalen überschattet. Ein Berater des Ministerpräsidenten wurde dabei fotografiert, wie er auf einen am Boden liegenden Demonstranten eintrat. Der Berater, Yusuf Yerkel, rechtfertigte sich mit dem Hinweis, er habe angesichts von Beleidigungen und Provokationen die Kontrolle über sich verloren.

Kritiker werfen Erdogan schon seit Langem eine antisemitische und anti-israelische Haltung vor. Der Ministerpräsident hatte dem jüdischen Staat wegen des Vorgehens im Gazastreifen unter anderem »Staatsterror« vorgeworfen. Nach dem Tod von neun türkischen Aktivisten beim Angriff israelischer Soldaten auf das Schiff »Mavi Marmara«, das mit Hilfsgütern für Gaza Ende Mai 2010 auf dem Weg in den Nahen Osten war, hatte Erdogans Regierung den israelischen Botschafter aus dem Land geworfen und die bilateralen Beziehungen auf ein Minimum heruntergefahren.

Neustart Die Aufregung um Erdogans angebliche antisemitische Äußerung in Soma fällt in eine Zeit, in der allgemein mit einer Einigung zwischen der Türkei und Israel und einen Neustart der Beziehungen gerechnet wurde. Erdogan selbst hatte Ende April gesagt, eine Vereinbarung mit Israel sei innerhalb weniger Wochen erreichbar; ähnlich äußerte sich Außenminister Ahmet Davutoglu.

Israel hatte sich bereits im vergangenen Jahr bei der Türkei für die tödliche Gewalt an Bord der »Mavi Marmara« entschuldigt. Laut Presseberichten haben Unterhändler von Türkei und Israel inzwischen auch einen Konsens erzielt, was Entschädigungszahlungen Israels an die Opfer angeht. Außerdem ist Israel angeblich bereit, die Blockade des Gazastreifens für türkische Hilfslieferungen aufzuheben. Damit wären alle Bedingungen Erdogans für eine Rückkehr zu normalen Beziehungen erfüllt.

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