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Auf dem Rasen des Gastgebers

Patrik Vass von MTK Budapest (l.) Foto: imago/PuzzlePix

Dass ein jüdisches Sportevent ausgerechnet im von Rechtspopulisten regierten Ungarn stattfindet, mag als kontrovers betrachtet werden, zumal im Umfeld von Viktor Orbán antisemitische Ausfälle keine Seltenheit sind.

Dass der Ministerpräsident selbst seine Leidenschaft für Sport, vor allem für Fußball, immer wieder erklärt und horrende Summen aus der staatlichen sowie aus der EU-Kasse in den fragwürdigen Bau von Riesenstadien investiert, macht die Sache nicht einfacher. Ein Blick auf die Gastgeber der Europäischen Makkabi-Spiele, die am 30. Juli in Budapest eröffnet werden, lohnt sich gerade vor diesem Hintergrund umso mehr.

Demokratie Der Magyar Testgyakorlók Köre (kurz: MTK, zu Deutsch etwa: »Kreis ungarischer Körpertrainierender«) wurde bereits 1888 gegründet, er gilt neben Ferencváros als einer der Traditionsvereine der ungarischen Hauptstadt und stand jahrzehntelang für eine offene, demokratische und moderne Sportwelt, in der es nicht auf die Religion, den ethnischen oder den sozialen Hintergrund der Teilnehmer ankommt.

Insbesondere hatte der MTK in seiner langen Geschichte enge Verbindungen mit der jüdischen Gemeinde in Budapest: Zu seinen Mitgründern zählten neben (christlichen) Aristokraten liberaler Prägung auch zahlreiche Mitglieder der jüdischen Mittelschicht, was für damalige Verhältnisse einer gewagten Geste gleichkam.

Der Magyar Testgyakorlók Köre wurde bereits 1888 gegründet.

1905 übernahm der Sportliebhaber und Mäzen Alfréd Brüll die Vereinsleitung. Mit der Unterstützung dieses Industrieunternehmers konnten viele jüdische sowie nichtjüdische Sportler aus Ungarn an internationalen Wettbewerben teilnehmen, obwohl sie sich die damals sehr hohen Reisekosten aus der eigenen Tasche niemals hätten leisten können.

Brüll begleitete die Professionalisierung des Vereins in den 20er-Jahren, den Aufstieg der neuen MTK-Fußballmannschaft und deren goldene Zeit mit zehn Siegen bei der ungarischen Meisterschaft. Bereits 1912 wurde im Bezirk Józsefváros (Josephsstadt) ein Stadion mit dem Namen Hungária gebaut, das seitdem die Heimat des Klubs ist.

Atmosphäre Als die rechtsnationalistische Diktatur Miklós Horthys immer faschistischere Züge annahm und immer mehr antisemitische Gesetze in Kraft traten, versuchte der MTK, sich trotz der feindlichen Atmosphäre über Wasser zu halten. 1940 mussten allerdings praktisch alle jüdischen Sportler den Verein verlassen, kurz darauf folgte auch die offizielle Auflösung. Brüll selbst ging ins Schweizer Exil, aus dem er infolge eines fatalen Missverständnisses drei Jahre später zurückkehrte.

Die Zeit nach der Wende gilt zwar insgesamt für den ungarischen Sport als weniger glorreich.

Ob er gleich in Ungarn ermordet oder erst nach Auschwitz deportiert wurde, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Fakt ist, dass der langjährige MTK-Präsident und Mäzen zum Holocaust-Opfer wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der Traditionsklub wiedergegründet werden, und er schrieb – unter diversen staatssozialistischen Namen wie »Vörös Lobogó« (»Rote Fahne«) – ein weiteres Erfolgskapitel in den 50er- und 60er-Jahren, mit häufigen internationalen Auftritten bei Fußballmeisterschaften und Olympischen Spielen.

Wende Die Zeit nach der Wende gilt zwar insgesamt für den ungarischen Sport als weniger glorreich, doch der MTK konnte sich trotzdem dank der Unterstützung durch den Geschäftsmann Gábor Várszegi behaupten. Als Premiere in Ungarn wurde 2001 die Gründung eines Frauenfußballteams wahrgenommen – ein weiteres Zeichen für die offene und demokratische Tradition des Klubs.

Nach dem Erdrutschsieg Viktor Orbáns bei den Parlamentswahlen 2010 übernahm allerdings der Fidesz-Mitgründer Tamás Deutsch die Vereinsleitung. Der 53-jährige jüdischstämmige Politiker war zwischen 1999 und 2002 im ersten Orbán-Kabinett Jugend- und Sportminister und vertritt seit 2009 seine rechtspopulistische Partei im Europa-Parlament. Er ließ das alte MTK-Stadion abreißen und an der gleichen Stelle eine moderne Location für Sportevents bauen. Diese wurde 2016 vom Ministerpräsidenten höchstpersönlich eröffnet und wird nun der Austragungsort für die European Maccabi Games sein.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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