Nach gewalttätigen Demonstrationen vor zwei Synagogen in Istanbul hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag die Attacken verurteilt, zugleich aber die »Verletzung religiöser Rechte in Jerusalem« kritisiert. Erdogan äußerte sich bei einer Pressekonferenz am Flughafen von Istanbul vor seine Reise nach Saudi-Arabien und betonte die Wichtigkeit von Religionsfreiheit.
Zuvor hatte der türkische Präsident am Samstag in Zusammenhang mit den Zusammenstößen am Jerusalemer Tempelberg und den Protesten gegen die Metalldetektoren Israels »exzessive Gewalt« verurteilt und die während der Demonstrationen getöteten Palästinenser als »Märtyrer« bezeichnet.
In der Nacht zum Freitag hatten Demonstranten Steine gegen die Neve-Shalom-Synagoge in Istanbul geworfen, gegen die Türen getreten und versucht, in das Gebäude einzubrechen. Laut Medienberichten war auch ein Lokalpolitiker der rechtsextrem-islamistischen Büyük Birlik Partisi (Große Einheitspartei), Kürsat Mican, vor Ort.
Alperen Hearts Mican, der vor einem Jahr als Vorsitzender der ultra-nationalistischen Jugendbewegung Alperen Hearts gegen eine Gay Pride Parade in Istanbul protestiert hatte, wurde mit der Äußerung zitiert, Israel belästige »unsere palästinensischen Brüder« und gefährde die Religionsfreiheit. »Entweder bekommt man die Zionisten in den Griff, oder wir kommen wieder hierher«, kündigte Mican weiter an. Zwei Demonstranten kletterten den Berichten zufolge auf die Synagoge und platzierten dort Bilder des Felsendoms.
Die jüdische Gemeinde war laut Angaben der israelischen Online-Zeitung »ynet« überrascht darüber, dass ein Patrouillenfahrzeug der Polizei das Gebiet rund um die Synagoge kurz vor Beginn der Demonstration verlassen hatte. Am Samstag ereignete sich dem Bericht zufolge Ähnliches vor der historischen Ahrida-Synagoge in Balat: Das Polizeiauto verließ das Viertel, die Demonstranten attackierten die Synagoge und riefen anti-israelische Parolen.
Am Samstag forderte die jüdische Gemeinde den türkischen Präsidenten und den Innenminister dazu auf, den Demonstrationen ein Ende zu bereiten. Auch die Anti-Defamation League (ADL) kritisierte die Vorfälle.
Celal Altuntas, ein türkischer Oppositioneller, der in den Niederlanden lebt, schrieb auf Twitter, die jüdische Gemeinde in der Türkei fühle sich derzeit nicht sicher. Ein Journalist der türkisch-jüdischen Wochenzeitung »Shalom« twitterte: »Ich bin ein türkischer Bürger. Warum protestiert ihr draußen vor meinem Gotteshaus?«
Große Einheitspartei Die Große Einheitspartei gehört der Regierung Erdogans nicht an, steht ihr aber ideologisch nicht fern. Der Vorsitzende der Großen Einheitspartei, Mustafa Tsesti, sagte laut »Times of Israel«, die »Besatzung und das Massaker« Israels müssten verurteilt werden, die Türkei dürfe aber ihre jüdischen Bürger nicht verletzten. Sie seien »Abkömmlinge von Mohammed, dem Eroberer, der Religionsfreiheit für alle versprochen hat«.
Mitglieder der Jugendbewegung Alperen Hearts waren im vergangenen Winter in der türkischen Provinz Aydin aufgefallen, als sie am 28. Dezember 2016 einen als Weihnachtsmann verkleideten Mann mit Waffen bedrohten. Man wolle gegen christliche Feiertage protestierten und »Menschen zurück zu ihren Wurzeln bringen«, sagte der Vorsitzende im Bezirk Aydin laut einem Bericht von »Hürriyet Daily News«.
http://www.hurriyetdailynews.com/ultranationalist-group-hold-man-dressed-as-santa-claus-at-gunpoint-to-protest-christmas-celebrations-.aspx?PageID=238&NID=107901&NewsCatID=341