Sambia

Aschkenas in Afrika

Nahe der weltberühmten Victoriafälle malerisch am Sambesi gelegen und von fast unberührter Natur umgeben, ist Livingstone, dessen Name an den schottischen Missionar und Afrikaforscher David Livingstone (1813–1873) erinnert, heute nurmehr eine eher unbedeutende Provinzstadt im Südwesten Sambias nahe der Grenzen zu Simbabwe, Botswana und Namibia.

Allenfalls erwähnt wird es als Ausgangspunkt für Safaris in die umliegenden Nationalparks, allen voran das Tierparadies des Okavango-Deltas. Für ein Dreivierteljahrhundert jedoch war Livingstone zugleich auch Schauplatz eines bemerkenswerten Kapitels aschkenasischer Diasporageschichte, das heute weithin vergessen und hierzulande so gut wie unbekannt ist.

einwanderer Begonnen hat es im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, als die ersten jüdischen Einwanderer Sambia erreichten, das zu Zeiten britischer Kolonialherrschaft Nordrhodesien hieß. Es waren Litvakes, Juden aus dem östlichen Europa, aus Litauen, die als erste in diese Gegend kamen.

Abenteurer und Entrepreneurs waren sie auf der Suche nach neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sie alsbald auch im Handel vor allem mit Tropenhölzern und dem zu deren Transport notwendig gewordenen Bau einer Eisenbahnlinie nach Livingstone fanden.

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Sambias ist eng mit dem Eisenbahnbau verbunden.

Weitere Möglichkeiten eröffneten sich später in der beginnenden Eisen- und Kupferindustrie und nicht zuletzt der Landwirtschaft in der Mitte und im Norden des Landes, mit deren Entwicklung es im Lauf der Jahre allerdings mehr und mehr jüdische Siedler nach Lusaka (seit 1935 Hauptstadt des Landes) und in die Provinz Copperbelt im Norden Sambias zog. Bis in die 40er- und frühen 50er-Jahre hinein war und blieb jedoch Livingstone das eigentliche Zentrum jüdischen Lebens in Sambia.

wende Seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war die Zahl jüdischer Einwanderer stetig gewachsen und hatte bereits 1905 dazu geführt, dass sie sich entschlos-sen, eine jüdische Gemeinde in Livingstone zu gründen.

Im selben Jahr wurde auch der Friedhof der Gemeinde angelegt, der bis 1984 genutzt worden ist. Nicht wenige Mitglieder der jüdischen Gemeinde spielten nicht nur im wirtschaftlichen, sondern auch im gesellschaftlichen und politischen Leben der Stadt und des Landes sowie in der Verwaltung eine wichtige Rolle, und das nicht nur für einen Moment, sondern für längere Zeit. Ihre Geschichte erzählen Hugh Macmillan und Frank Shapiro in ihrem Buch Zion in Africa – The Jews of Zambia (1999).

Seit Mitte der 30er-Jahre und insbesondere nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Livingstone zu einem Zufluchtsort für jüdische Flüchtlinge aus Litauen und Weißrussland, aber auch aus Deutschland.
Eine Zäsur im Leben der Juden Sambias, auch der jüdischen Gemeinde Living­stones, bedeutete die 1964 erlangte Unabhängigkeit des Landes.

positionen In deren Folge schloss sich die überwiegende Mehrheit der Juden dem Beispiel der Briten an und verließ das Land. Von denjenigen, die blieben, nahmen manche wichtige gesellschaftliche Positionen und hohe politische Funktionen im nunmehr unabhängigen Sambia ein, jedoch nicht mehr in Livingstone.

Die Erlangung der Unabhängigkeit Sambias bedeutete eine Zäsur im Leben der Juden.

Zahlreiche Zeugnisse der einstigen jüdischen Präsenz sind allerdings bis heute in der Stadt sichtbar geblieben. Neben einigen markanten Geschäfts- und Wohnhäusern sind dies zum einen die am 11. September 1928 feierlich eröffnete Synagoge, deren Äußeres und Inneres an Synagogenbauten erinnert, wie man sie bis heute in Litauen und Weißrussland sehen kann, und zum anderen der bereits erwähnte kleine jüdische Friedhof der Stadt.

Weil die letzten Juden von Livingstone die Synagoge Ende der 80er-Jahre nicht mehr erhalten konnten, verkauften sie das Bethaus an eine christliche Gemeinde, die es bis heute als Kirche nutzt. Das Gebäude ist noch immer, außen wie innen, als Synagoge zu erkennen.

ERINNERUNG Doch nicht nur die Synagoge und der Friedhof erinnern an Livingstones jüdische Gemeinde. In einer liebevoll arrangierten Ausstellung dokumentiert auch ein kleines jüdisches Museum, das 2013 eröffnet wurde, ihre Geschichte. Shea Albert und David Saks haben es in ihrem 2018 vom Council for Zambian Jewry herausgegebenen Buch The Gateway Jewish Museum Project beschrieben.

Alles andere als zufällig ist dieses kleine jüdische Museum Teil des Eisenbahnmuseums von Livingstone. Denn die ersten jüdischen Siedler, die nach Sambia kamen, sind eng mit dem Eisenbahnbau des Landes verbunden.

Nachruf

Trauer um Hollywood-Legende Arthur Cohn

Arthur Cohn war immer auf der Suche nach künstlerischer Perfektion. Der Schweizer Filmproduzent gehörte zu den erfolgreichsten der Welt, wie seine Oscar-Ausbeute zeigt

 12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Damaskus

Syriens Regierung erteilt erster jüdischer Organisation Lizenz

Mit Rabbiner Henry Hamras Stiftung »Jüdisches Erbe in Syrien« wird erstmals seit dem Ende der Assad-Dikatur wieder eine jüdische Organisation in dem arabischen Land aktiv sein

 11.12.2025

Museum

Auschwitz-Gedenkstätte zeigt neue Ausstellung

Mit einer neuen Ausstellung will die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau das Schicksal der Häftlinge des Konzentrationslagers zeigen

von Christiane Laudage  11.12.2025

USA

An der Columbia University war Theodor Herzl Antisemit

Ein Abschlussbericht zum Antisemitismus an der New Yorker Elite-Universität zeigt, wie tief die Israel- und Judenfeindlichkeit im Lehrplan verankert war

 11.12.2025

USA

Wer hat Angst vor Bari Weiss?

Sie gilt als eine der einflussreichsten konservativen Medienmacherinnen des Landes. Aber was will die neue Chefin von CBS News eigentlich?

von Sarah Thalia Pines  11.12.2025

Brigitte Macrons Ausfall gegen Aktivistinnen entfacht eine landesweite Debatte.

Frankreich

First Lady an Abittans Seite – und gegen Feministinnen

Brigitte Macrons Ausfall gegen Feministinnen wirft ein Schlaglicht auf Frankreichs Umgang mit Protest, sexueller Gewalt und prominenten Beschuldigten.

von Nicole Dreyfus  11.12.2025

Nachruf

Gebäude wie Jazzmusik

Frank Gehry hat die Architektur tanzen lassen – was auch mit seinem Judentum zu tun hatte

von Johannes Sadek, Christina Horsten  10.12.2025

Hollywood

»Stranger Things« trotzt Boykottaufrufen

Während Fans den Start der letzten Staffel des Netflix-Hits feiern, rufen Anti-Israel-Aktivisten zur Ächtung der Serie auf

von Sophie Albers Ben Chamo  10.12.2025