Belgien

Antwerpen will Bewohner von zwei jüdischen Stadtteilen testen

Bürgermeister Bart De Wever betonte, die Maßnahme richte sich nicht gegen eine bestimmte Gemeinschaft. Foto: imago/Belga

Die flämische Hafenstadt Antwerpen, Heimat der größten ultraorthodoxen jüdischen Gemeinschaft in West- und Mitteleuropa, will in den nächsten Tagen alle Bewohner zweier überwiegend von Juden bewohnten innerstädtischen Bezirke auf das Coronavirus testen.

Dort seien die Infektionsraten besonders hoch, sagte Bürgermeister Bart de Wever am Donnerstag. Er hoffe, mit den Tests die Notwendigkeit einer Quarantäne von Tausenden von Menschen verhindern zu können.

GROSSFAMILIEN Die beiden Viertel liegen zwischen dem Stadtpark und der Lamorinièrestraat und sind vor allem bei ultraorthodoxen Juden beliebt. Insgesamt rund 6500 Menschen sind von der Testpflicht betroffen. De Wever betonte jedoch, diese richte sich nicht gegen eine bestimmte Gemeinschaft.

»Es ist wahr, dass dort viele orthodoxe Juden wohnen. Sie haben häufige Kontakte mit Großbritannien. Es ist möglich, dass die britische Variante im Umlauf ist, und wir würden gerne wissen, in welchem Ausmaß. Wir wollen vermeiden, dass wir Tausende von Menschen unter Quarantäne stellen müssen«, so der Bürgermeister, der auch Parteivorsitzender der flämisch-nationalistischen N-VA ist, der größten Partei in Flandern.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Es mache keinen Sinn, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu beschuldigen, betonte er. »Es gibt Stadtteile, in denen die jüdische Bevölkerung noch dominanter ist und wo die Zahlen besser sind. Das sind zwei Viertel, in denen große Familien leben, in denen die Menschen intensiv zusammenleben.«

SCHULEN Das kommunale Krisenzentrum Antwerpens kümmere sich von Bezirk zu Bezirk um die Nachverfolgung von Corona-Infektionen. »Wir wollen in jenen Bezirken, in denen es Probleme gibt, groß angelegte Tests organisieren, um herauszufinden, was da los ist«, fügte De Wever an. Die Infektionsrate den beiden innerstädtischen Stadtviertel ist derzeit viermal höher als der städtische Durchschnitt.

Alle Bewohner der zwei Stadtteile mit der Postleitzahl 2018, die mindestens sechs Jahre alt sind, werden gebeten, sich am kommenden Wochenende oder am Montag testen zu lassen. Sie erhalten ein Schreiben mit einem speziellen Code, in dem sie aufgefordert werden, sich in einem örtlichen Testzentrum kostenlos testen zu lassen.

»Wir testen präventiv und großflächig in den Vierteln, in denen die Kontamination derzeit leider am höchsten ist. Das wird uns Aufschluss darüber geben, wie sich die neuen Varianten auf die Gesundheitssituation auswirken«, erklärte Bart De Wever. Man wolle die richtigen Maßnahmen ergreifen, »aber keine drakonischen«, so das Stadtoberhaupt.

VORRANGIGE IMPFUNG Am Donnerstag wurden einem Bericht der flämischen VRT zufolge Schüler und Mitarbeiter der jüdischen Schule Jesode-Hatora Beth-Jacob getestet, wo in den vergangenen Tagen einige Covid-19-Infektionen festgestellt worden waren. In den kommenden Wochen will die Stadt Antwerpen mobile Teams an weitere Schulen schicken, um Schüler und Lehrer zu testen.

Das Forum der jüdischen Organisationen, der wichtigste jüdische Dachverband Flanders, sprach sich unterdessen für eine vorrangige Impfung der Bewohner der besonders von der Pandemie betroffenen Stadtteile aus. Pressesprecher Hans Knoop erklärte laut VRT: »Wenn dieser Test zeigt, dass die Kontamination viermal höher ist als in anderen Antwerpener Vierteln, dann muss man sich fragen, ob dieses Viertel nicht vorrangig geimpft werden sollte.«

Die in Antwerpen erscheinende jüdische Zeitschrift »Joods Actueel« distanzierte sich von Knoops Aussagen. Auch De Wever widersprach ihm. Der Vorschlag sein wenig logisch. »Jemand, der bereits positiv ist, kann nicht geimpft werden. Das würde ja bedeuten, dass man die Leute fast dazu ermutigen könnte, die Regeln nicht zu befolgen, um den Impfstoff schneller zu bekommen«, sagte er der VRT. mth

Kommentar

Der »Tages-Anzeiger« und das Geraune von der Lobby

Die Zeitung unterstellt, erst eine Intervention des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes habe zur Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese durch die Uni Bern geführt. Dabei war die Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025