Yohan Benizri

Belgiens Politiker handeln verantwortungslos

War von 2016 bis 2023 Vorsitzender des jüdischen Dachverbands CCOJB: Yohan Benizri Foto: Landesvertretung Hessen in Brüssel / Bruno Maes

An Jom HaSchoa, dem 6. Mai, habe ich einige Orte der Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 besucht. Während ich im Süden Israels, im Kibbuz Be’eri und auf dem Gelände des Nova-Musikfestivals, war und sich das Grauen vor meinen Augen abzeichnete, las ich von einem neuerlichen Auftritt meines Premierministers, dem flämischen Liberalen Alexander De Croo. Seiner Meinung nach sollten wirtschaftliche Sanktionen gegen Israel verhängt werden.

Der Premier möchte gerne moralisch sein. In Wahrheit aber besteht seine Moral darin, sich unter dem Deckmäntelchen von Prinzipien dem Druck der Straße zu beugen. Selbst dann, wenn der Preis dafür die Verfolgung jüdischer Bürger Belgiens ist.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Ebenfalls in der ersten Maiwoche besetzten radikale Studierende an der größten Universität in Brüssel ein Gebäude. Der Co-Vorsitzende der Union jüdischer Studenten Belgiens wurde auf dem Gelände der Universität bedrängt. Zuvor hatte De Croo noch erklärt, dass er, wäre er noch Student, ebenfalls für Solidarität mit den Palästinensern demonstrieren würde.

Ich bin über all das nicht mehr schockiert. In Belgien wird seit vielen Jahren eine offen antiisraelische Politik betrieben. Mehr noch: Hier fehlt der Wille, dem grassierenden Judenhass wirksam entgegenzutreten.

Eigentlich kann ein demokratischer Staat es sich nicht leisten, der Tyrannei nachzugeben, egal, wer diese ausübt, egal, von woher sie kommt. Demokratien haben die Pflicht, ihre Minderheiten zu schützen.

Doch in Belgien explodiert gerade der Antisemitismus. Jeder weiß, dass ein Zusammenhang besteht zur Situation im Nahen Osten. Das wird seit Jahren konstatiert, auch von unseren Gerichten.

Aber die politische Verantwortungslosigkeit kennt kaum Grenzen: Man schürt lieber die Glut des Hasses, anstatt sie zu löschen. Wählerstimmen (in Belgien werden am 9. Juni die föderalen und regionale Parlamente gewählt) sind wichtiger als der Kampf gegen Antisemitismus.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die jüdische Minderheit schreit nicht laut auf. Sie ist zahlenmäßig zu klein. Beteuerungen wie »Wir sind nicht antisemitisch«, »Wir sind dem internationalen Recht verpflichtet« und »Ein Europa ohne Juden wäre kein Europa mehr…«, sie klingen hohl. Und sie überzeugen niemanden mehr in der jüdischen Gemeinschaft.

Man kann sich nicht zum Verfechter des Völkerrechts oder des Kampfes gegen Rassismus machen, wenn man zulässt, dass der Judenhass wächst und die Sicherheit vieler jüdischer Bürger bedroht ist. Das bedeutet natürlich nicht, dass man nichts Kritisches mehr sagen darf. Aber wenigstens sollte man sich der Realität stellen.

Wenn zur Freilassung der Geiseln der Hamas aufgerufen wird, stigmatisiert das die muslimische Gemeinschaft Belgiens nicht. Wenn man seine Solidarität mit einer angegriffenen Demokratie bekundet, resultiert daraus keine Gewalt gegen die Muslime. Wenn aber hasserfüllte Demonstrationen zugelassen, Israel des Völkermords und Deutschland der Mittäterschaft bezichtigt, zu Wirtschaftssanktionen oder zu einem akademischen oder wirtschaftlichem Boykott Israels aufgerufen wird, steigt der Antisemitismus. Der Zusammenhang ist eindeutig.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Belgiens Politiker wissen (oder sollten wissen), dass sie mit ihren Worten indirekt zur Gewalt und zur Polarisierung im eigenen Land beitragen. Ein Mindestmaß an politischer Verantwortung und Anstand würden ausreichen, um diesen Trend umzukehren. Doch bei der überwältigenden Mehrheit unserer Politiker fehlen diese schmerzlich. Sie sind nur allzu nachgiebig gegenüber all jenen, die den Nahostkonflikt in unser Land importieren wollen.

Dabei sollten sich Belgiens Politiker die Frage nach ihren langfristigen Interessen und denen ihrer Kinder stellen. Wollen sie in Frieden und Freiheit leben oder lieber kurzfristigen Ambitionen, die von Klientelismus und zynischem Utilitarismus geprägt sind, nachgeben?

Es gibt einen Ausweg, aber er erfordert ein gründliches Nachdenken. Wir müssen unsere nationale Identität auf der Grundlage gemeinsamer Werte definieren. Geschieht das nicht, besteht die Gefahr, dass Belgien durch eine falsch verstandene Identitätspolitik noch mehr zersplittert, als das bereits der Fall ist.

Es läge im Interesse aller Belgier, würde die Politik hierzulande sich einmal Gedanken machen über den Nahostkonflikt und den bevorstehenden Wahltermin hinaus.

Der Autor ist Rechtsanwalt in Brüssel und war von 2016 bis 2023 Vorsitzender des jüdischen Dachverbandes CCOJB in Belgien sowie Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC).

Spanien

Valencia: Jüdische Jugendliche aus Flugzeug geworfen

Mitglieder der Reisegruppe sagen, sie seien herausgeworfen worden, obwohl sie sich ordnungsgemäß verhalten hätten. Die Fluggesellschaft wirft den Jugendlichen vor, die Sicherheitsunterweisung gestört zu haben

von Michael Thaidigsmann  24.07.2025

Urlaub

Jüdische Entdeckungen

Wem beim Lesen am Strand langweilig wird, den erwarten in verschiedenen Ländern spannende wie schöne Überraschungen: Unsere Reisetipps aus der Redaktion

 24.07.2025

Michael Goldmann‑Gilead

Der Mann, der Eichmann verhörte

Er überlebte Auschwitz, den Todesmarsch – und war am wichtigsten Prozess der Nachkriegsgeschichte beteiligt. Diese Woche wird er 100 Jahre alt

von Esther Schapira, Georg M. Hafner  23.07.2025

Schweiz

Davos: Erneut jüdische Urlauber antisemitisch angefeindet

Ein Mann beleidigte und bespuckte gleich mehrere als Juden erkennbare Menschen in dem Schweizer Kurort

von Michael Thaidigsmann  23.07.2025

Geburtstag

Einziger jüdischer NASA-Chef: Dan Goldin wird 85

Als er Administrator der Raumfahrtbehörde wurde, wollte er alles »schneller, besser und billiger« hinkriegen. Denn Geldfresser bremsten die NASA

von Imanuel Marcus  23.07.2025

Medien

Groteske Unwahrheiten

Ein britischer Talkshow-Host sieht sich Rücktrittsforderungen ausgesetzt, nachdem er die Behauptung verbreitet hatte, an jüdischen Schulen werde gezielt Hass auf Araber gelehrt

von Michael Thaidigsmann  23.07.2025

Griechenland

Israelische Touristen können Schiff nicht verlassen

Der Landgang hunderter Urlauber auf der MS Crown Iris auf der Insel Syros wurde von israelfeindlichen Demonstranten vereitelt

 22.07.2025

Polen

Gewalt gegen Geschichte

Am Gedenktag in Jedwabne bedrohte ein rechtsextremer Mob die Teilnehmer. Die Umdeutung historischer Fakten alarmiert auch Yad Vashem

von Gabriele Lesser  22.07.2025

Tomorrowland

Vorwurf der Kriegsverbrechen: Israelis auf Festival verhaftet

Die belgische Staatsanwaltschaft hat zwei israelische Touristen verhört, die auf dem Techno-Festival die Fahne ihrer Armee-Einheit geschwenkt hatten

von Michael Thaidigsmann  21.07.2025