Argentinien

Antisemitische Verfolgungsjagd

Die jüdische Familie war in der Provinz Cordoba im Urlaub. Foto: imago images/ZUMA Wire

Eine achtköpfige jüdische Familie in Argentinien ist vergangene Woche bei der Rückkehr von einem Kinderspielplatz mit dem Auto verfolgt, antisemitisch beleidigt und tätlich angegriffen worden.

RÜCKFAHRT Der Familienvater war gemeinsam mit seiner Frau, deren 91-jähriger Großmutter und den fünf Kindern des Paares im Alter von 17, 15, 13, 11 Jahren sowie einem eineinhalbjährigen Baby im Auto unterwegs, als ein zweites Fahrzeug die Verfolgung aufnahm.

»Wir waren auf dem Rückweg von einem Spielplatz. Auf einmal sagten mir meine Kinder, dass uns ein Auto folge. Zuerst habe ich mir nichts dabei gedacht, aber dann habe ich gemerkt, dass sie recht hatten«, sagte der Vater der Nachrichtenseite »InfoBAE«.

Während der etwa 15 Kilometer langen Fahrt bei La Cumbre in der zentralargentinischen Provinz Córdoba fuhr ein von zwei Männern gesteuerter Subaru längere Zeit neben dem Auto der Familie. Die Männer begannen laut C., ihn und seine Familie aus dem fahrenden Wagen heraus zu beleidigen, weil er Jude ist.

Vergeblich versuchte der 42-Jährige, die Verfolger abzuhängen. »Sie erhöhten die Geschwindigkeit, um mir dicht auf den Fersen zu bleiben, dann schafften sie es, mich in einem Kreisverkehr einzusperren.« Dort seien sie aus dem Auto gesprungen und hätten begonnen, ihn zu treten und die Familie mit Sätzen wie »Juden, verschwindet von hier« und »Tötet sie alle« traktiert.

PANIK Im Inneren des Fahrzeugs hätten Kinder vor Angst geweint und die 91-jährige Großmutter sei in Panik geraten. »Sie wollen mich töten, ich werde sterben«, habe sie geschrien. Der Familienvater sagte, er habe daraufhin beschlossen, aus dem Auto auszusteigen, um zu versuchen, mit den Angreifern zu sprechen. Doch als Antwort habe er nur weitere Schläge und Beleidigungen erfahren.

»Ich taumelte zu Boden und schlug mir den Kopf an. Meine Kinder und meine Frau kamen, um mir zu helfen, aber auch sie wurden geschlagen und beleidigt«, sagte der Familienvater »InfoBAE«. Die Angreifer hätten seine Brille zerstört und das Handy eines seiner Söhne gestohlen, als dieser versucht habe, den Angriff aufzuzeichnen. Er habe zwar keine schweren Verletzungen, aber mehrere Prellungen und starke Schmerzen, erklärte Max C. Die Familie erstattete umgehend Anzeige bei der Polizei.

Der Ort La Cumbre ist in den Sommermonaten ein beliebtes Urlaubsziel für orthodoxe Juden in Argentinien. »Wir machen seit 30 Jahren Urlaub in La Cumbre. So etwas ist uns noch nie passiert. Jedes Mal, wenn wir kommen, werden wir gut empfangen. Wir können nicht verstehen, woher diese Menschen kommen und was einen solchen Hass bei ihnen schürt«, zitierte InfoBAE Max C.

»Wir wollten eigentlich bis Februar bleiben, aber wir haben uns entschieden, früher zurückzukehren. Meine Kinder waren sehr verängstigt. Meine Frau und ihre Großmutter haben seit dieser Nacht nicht mehr schlafen können«, klagte er.

FESTNAHME Der argentinische jüdische Dachverband DAIA verurteilte die antisemitischen Angriffe über soziale Netzwerke. Der DAIA-Vertreter in Cordoba, Luis Klinger, sagte, es sei das erste Mal gewesen, dass es einen Angriff wie diesen gegeben habe. Laut Klinger wurde die DAIA erst am Samstagabend, vier Tage nach dem Vorfall, auf den Angriff aufmerksam gemacht. »Wir haben uns schnell mit der betroffenen Familie und mit den Behörden der Regierung und der Polizei der Provinz Córdoba in Verbindung gesetzt, um die Sicherheit zu verstärken«, sagte er.

Am Montag meldeten die Behörden in Córdoba, dass die beiden mutmaßlichen Angreifer verhaftet worden seien. Es handele sich um zwei Erwachsene. Genauere Angaben zur Identität der Beschuldigten machte die Staatsanwaltschaft nicht.

In dem 44-Millionen-Einwohnerland Argentinien kommt es selten zu gewalttätigen Angriffen auf Juden – 2019 wurden laut DAIA landesweit nur drei registriert. Allerdings stieg jüngst der verbale Antisemitismus sprunghaft an.

Die jüdische Gemeinschaft des Landes hat rund 230.000 Mitglieder. Die meisten von ihnen leben in der Hauptstadt Buenos Aires und in Cordoba, der zweitgrößten Stadt des Landes. mth

Japan

Jüdisch in Fernost

Etwa 1500 Juden sind im Land der aufgehenden Sonne zu Hause. Koscheres Leben ist schwierig. Und sogar hier hat sich seit dem 7. Oktober 2023 einiges verändert

von Eugen El  01.05.2025

Bern

Schweizer Juden reagieren auf Verbot der Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Großbritannien

Nike hat es »nicht böse gemeint«

Der Sportartikel-Konzern hing zum London Marathon ein Banner auf, das aus Sicht von Kritikern die Schoa lächerlich gemacht hat. Jetzt hat sich das Unternehmen entschuldigt.

 29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025

Großbritannien

Israelfeindliche Aktivisten stören London-Marathon

Mitten im London-Marathon kommt es zu einer Protestaktion gegen Israel. Zwei Aktivisten springen auf die Strecke und streuen rotes Pulver

 27.04.2025

Essay

Wir gehen nicht allein

Zum ersten Mal hat unsere Autorin mit dem »Marsch der Lebenden« das ehemalige KZ Auschwitz besucht. Ein Versuch, das Unvorstellbare in Worte zu fassen

von Sarah Maria Sander  27.04.2025

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025