Hilfe

Engel für die Ukraine

Eine Woche lang war Hagit Shalom im Hotel Hungaria in der ungarischen Hauptstadt Budapest, um jüdischen Flüchtlingen zu helfen. Seit vergangenem Sonntag ist sie wieder zurück in Israel. Aber »ihre Mädchen«, wie sie die ihr anvertrauten jungen Frauen nennt, werden erst an diesem Wochenende wieder von ihrem Einsatz zurückkehren. Bis dahin wird es Shalom schwerfallen, in ihren alten Alltag zurückzufinden. »Mein Herz ist in Budapest«, sagt sie.

Zwischen 18 und 20 Jahre alt sind die neun Frauen, mit denen Shalom etwa einen Monat nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine nach Ungarn reiste. Sie alle leisten den Freiwilligendienst »Sherut Leumi«, der in Israel vor allem von religiösen Frauen als Alternative zum Militärdienst genutzt wird.

Betreut werden sie in dieser Zeit von Hagit Shalom, die bei einem der Träger des Programms »Bat Ami« arbeitet. An diesen wandten sich auch Vertreter der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), als sie nach Helferinnen für Flüchtlinge aus der Ukraine suchten.

Betreuung Die Idee für die »Angels« kam Gady Gronich, dem Geschäftsführer CER, als er sich in den Wochen nach Beginn des Krieges in der Ukraine ein Bild von der jüdischen Flüchtlingshilfe in den umliegenden Ländern machte. Er sah, dass sich um alles Mögliche gekümmert wurde – Transport, Nahrung, Unterkunft und Medizin –, doch an einem mangelte es überall: Unterhaltung und Betreuung für die Kinder.

»Für die geflüchteten Mütter ist es ganz wichtig, auch einmal ein paar ruhige Stunden zu haben«

Gady Gronich, Konferenz der Europäischen Rabbiner

»Für die geflüchteten Mütter ist es ganz wichtig, auch einmal ein paar ruhige Stunden zu haben«, sagt Gronich im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeine. In aller Regel würden diese ohne ihre Männer, mit einem oder mehreren Kindern an der Hand und traumatisiert von der Flucht in den Auffanglagern ankommen. »Sie brauchen Zeit, um sich zu erholen und darüber nachzudenken, wie es jetzt für sie weitergehen soll.« Dafür sei es entscheidend, ihre Kinder professionell zu betreuen und ihnen so vorübergehend wenigstens diese eine Sorge zu nehmen.

Die CER, die laut eigenen Angaben etwa 1000 Rabbiner vertritt, ist seit Beginn des Krieges in die Hilfe für Flüchtlinge involviert. So stellt sie etwa einen Fonds von drei Millionen US-Dollar für die Unterstützung der Hilfsmaßnahmen für ukrainische Juden zur Verfügung, den die CER mithilfe einer Spende aus der Stiftung des russisch-israelischen Investors Juri Milner aufsetzen konnte.

Für das Angels-Programm suchte Gady Gronich nach geeigneten Kandidatinnen in Israel. Die Voraussetzungen waren die Beherrschung der russischen Sprache sowie eine Neigung zu pädagogischen Aufgaben. Es habe deutlich mehr Bewerbungen gegeben als Plätze, sagt Gronich. Für drei Standorte in Moldawien, Rumänien und Ungarn wurden insgesamt 50 Engel ausgesucht, die jeweils zwei Wochen im Einsatz sein sollen, bevor sie abgelöst werden.

Bedeutung »Diese Mission hat echte Bedeutung«, sagt Hagit Shalom, die mit ihren neun Mädchen einen Teil der humanitären Aufgaben in Budapest übernommen hatte. In mehreren Hotels der Stadt sind insgesamt 600 jüdische Flüchtlinge untergebracht, für deren Versorgung die jüdischen Hilfsorganisationen »Jewish Agency for Israel« und Joint Distribution Comittee« hauptverantwortlich sind. Die Engel erfüllen dabei wichtige Aufgaben: »Sie spielen mit den Kindern und helfen den Müttern mit allem, was sie brauchen«, sagt Shalom. Wo nötig würden sie auch Übersetzungen vornehmen und die Kommunikation mit Behörden übernehmen.

»Die Mädchen sind großartig und ich bin so stolz auf sie!«

Hagi SHalom, Bat ami

Immer wieder würden Kinder mit ihrer Familie nach Israel auswandern und Alija machen, erzählt Shalom. Dann hieße es, Abschied voneinander nehmen, was niemandem leichtfalle. »Die Kinder haben zu meinen Mädchen eine sehr spezielle Beziehung aufgebaut.« Aber nicht nur das ist schwer am Einsatz der Engel. Die meisten Kinder mussten ihren Vater in der Ukraine zurücklassen und machen sich große Sorgen; viele von ihnen sind traumatisiert. Die jungen Helferinnen aus Israel tun ihr Bestes, um das Leid der Kinder irgendwie aufzufangen, sagt Shalom. »Die Mädchen sind großartig und ich bin so stolz auf sie!«

In wenigen Tagen kehren die neun Frauen aus Israel wieder in ihre Heimat zurück. Ihre Aufgabe werden dann andere übernehmen. Gady Gronich rechnet damit, dass viele jüdische Flüchtlinge in den europäischen Ländern rund um die Ukraine dauerhaft bleiben werden. »Der nächste Schritt wird daher die Unterstützung der lokalen jüdischen Gemeinden bei der Integration der neuen Mitglieder sein«, sagt er. Auch den Engeln soll bei dieser Aufgabe eine wichtige Rolle zukommen.

Russland

Die Angst vor den Worten

Alla Gerber ist mit 93 Jahren immer noch eine gewichtige Gegenstimme in Putins Reich. Ein Besuch bei der Moskauer Journalistin und Publizistin

von Polina Kantor  28.08.2025

Shlomo Graber anlässlich eines Vortrags in einer Schule in Rosenheim im Jahr 2017.

Nachruf

Der Junge mit der Nummer 42649

Mit Shlomo Graber ist einer der letzten Holocaust-Überlebenden der Schweiz im Alter von 99 Jahren verstorben

von Nicole Dreyfus  27.08.2025

Atlanta

Woody Allen verteidigt Auftritt bei Moskauer Filmfestival

In einem CNN-Interview legt der Regisseur und Schauspieler dar, warum er an dem russischen Event teilnahm

 27.08.2025

Cerro Pachón

Vera Rubin Observatory startet wissenschaftliche Mission  

Die nach einer jüdischen Wissenschaftlerin benannte Sternwarte auf einem Berg in Chile läutet eine neue Ära der Astronomie ein

von Imanuel Marcus  27.08.2025

Paris

Wegen Brief zu Antisemitismus: Frankreich bestellt US-Botschafter ein

Weil er den französischen Behörden Versäumnisse im Vorgehen gegen Judenhass vorgeworfen habe, soll Charles Kushner heute im Außenministerium erscheinen

 25.08.2025

Frankreich

Freizeitpark-Chef verwehrt israelischen Kindern den Zutritt

Der Betreiber des Parks hatte 150 israelische Kinder weggeschickt. Nun wurde er wegen Diskriminierung angeklagt. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft

 24.08.2025

Literatur

Vitaler Verteidiger der Freiheit

Zu seinem 96. Geburtstag beschenkt der wachsame Jahrhundertzeuge Paul Lendvai seine Leser mit einem neuen Buch

von Marko Martin  24.08.2025

Norwegen

Die nördlichste Synagoge der Welt

In Trondheim feiert die Gemeinde ihr hundertjähriges Bethaus. Zum Glück ist die Schabbat-Frage schon lange geklärt

von Elke Wittich  24.08.2025

Raubkunst

Drei Millionen Franken für Bührle-Stiftung

Die Stadt Zürich beantragt Kredit für vertiefte Provenienzforschung der Sammlung Bührle

 22.08.2025