Österreich

30 Millionen Euro für ein Rätsel

Rund 15.000 Menschen kamen ins Auktionshaus, um das »Damenporträt« zu sehen. Foto: picture alliance / EVA MANHART / APA / picturedesk.com

Ein Foto gibt es – mehr nicht. Und zwischen dem Zeitpunkt, an dem ebendieses Foto gemacht worden sein dürfte, und heute liegen Arisierungen, die Schoa, ein Weltkrieg, ein Weiterverkauf und dann noch drei Erbgänge. Kurz gesagt: knapp 40 Jahre, zwischen 1926 und den 60er-Jahren, in denen sie verschwunden war.

Denn was damals mit dieser auf Leinwand gebannten Dame mit kurzem Haar, die in einen Blumen-dekorierten Umhang gehüllt den Betrachter mit leicht geneigtem Haupt frontal ansieht, genau passiert ist, ist bis heute ungeklärt. Trotzdem wurde das »Fräulein Lieser« nun im Auktionshaus Kinsky in Wien versteigert. Das Gemälde ging für 30 Millionen Euro an einen Sammler in Hongkong. Samt Gebühren macht das für den anonymen Käufer also 35 Millionen.

Und er hat ein Bild voller Rätsel erstanden: Denn neben seiner Besitzergeschichte ist auch unklar, wen das »Damenporträt«, wie es im Katalog ganz sachlich heißt, eigentlich darstellt.

Es gibt Zweifel, denn das Bild ist nicht signiert

Bekannt ist immerhin, wem das Fräulein bei der Entstehung des Gemäldes wohl gegenübergestanden hat: dem Wiener Secessions-Star Gustav Klimt. Allerdings gibt es auch daran Zweifel, denn das Bild ist nicht signiert. Das könne aber daran liegen, dass der Künstler es nicht vollendet hat, so die Mutmaßung. Es soll sich nach Klimts Tod in dessen Atelier befunden haben.

Das Damenporträt war folglich eines seiner letzten Werke. Eines, das auffallend mehr in die Abstraktion geht, als die »typischen« Klimts: etwas reduziertere Ornamente, ein ruhigerer Aufbau, ein Hintergrund, der eine raschere Pinselführung vermuten lässt. Die Farbgebung allerdings, die ist ganz Klimt. Die Farben des Bildes kannte man bisher allerdings nicht – denn die Öffentlichkeit hatte bisher nur ein Schwarz-Weiß-Foto aus dem Jahr 1926 gesehen. Damals befand es sich in Besitz der Familie Lieser, einer kunstaffinen jüdischen Wiener Industriellenfamilie.

Ob es unter dem Druck des erstarkenden Nationalsozialismus verkauft wurde, ist unklar.

Nach 1926 verwischt sich die Spur des Werkes. Unklar ist, wie das Bild die Besitzer wechselte. Arisiert wurde es anscheinend nicht, so der aktuelle Forschungsstand. Das Bild dürfte Ende der 20er- oder Anfang der 30er-Jahre von seinen Auftraggebern verkauft worden sein. Nicht restlos geklärt ist, ob das, wenn auch nicht unter Zwang, so doch unter dem wachsenden Druck des erstarkenden Nationalsozialismus geschehen ist.

Zuletzt habe das Bild jedenfalls »in einem Salon in einer Villa in der Nähe Wiens« gehangen, heißt es im Auktionskatalog. Wessen Villa das war, bleibt offen. Im Besitz dieser Familie dürfte es sich aber seit den 60er-Jahren befunden haben. Dass der Verkauf nun zustande kam, liegt daran, dass sich die letzten Eigentümer mit den Nachfahren der Liesers darauf geeinigt haben, den Verkaufspreis zu teilen.

Der letzte Eigner soll sich in Eigeninitiative an die Nachfahren gewandt haben, um im Sinne der »Washingtoner Prinzipien«, in denen die Restituierung von im Natio­nalsozialismus geraubten Kunstschätzen geregelt ist, eine »faire und gerechte Lösung« zu finden. Die Vereinbarung beinhaltet, dass »mit Versteigerung des Kunstwerks und Bezahlung des Meistbots sämtliche denkbaren Ansprüche aller Beteiligten abgegolten und erfüllt sein werden«.

Streit liegt in der Luft

Streit liegt trotzdem in der Luft: Denn nur eine Stunde vor Beginn der Auktion meldete ein Nachfahre der Familie Lieser Ansprüche auf das Bild an. Angeblich will die nicht näher benannte Person ein Ausfuhrverbot erwirken. Ersten Einschätzungen zufolge wurde aber durchweg ausgeschlossen, dass diese Einwände Beachtung finden würden.

Die Liesers hatten sich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert als Mäzene der Wiener Avantgarde hervorgetan. Es wird davon ausgegangen, dass das »Damenporträt« einen Spross der Familie zeigt. Klar scheint auch, dass sie das Bild im Frühjahr 1917 in Auftrag gegeben haben. Klimt starb genau ein Jahr später im Frühjahr 1918.

Das Gemälde war bisher nicht in der Öffentlichkeit zu sehen.

Der gefeierte Maler hatte wohl im Mai 1917 mit der Arbeit begonnen. Das verraten Aufzeichnungen Klimts, der in seinem persönlichen Kalender mehrere Besuche eines Familienmitglieds der Liesers in seinem Atelier vermerkte. Demnach könnte es sich um Margarethe Konstanze Lieser handeln, die Tochter des Industriellen Adolf Lieser. Jedoch gehen jüngste Nachforschungen davon aus, dass es sich auch um andere Töchter der Familie Lieser handeln könnte, etwa um Henriette oder Annie Lieser.

Klimt-Schau im Wiener Schloss Belvedere

Fotografiert wurde das Bild 1926 schließlich, weil es im Rahmen einer Klimt-Schau im Wiener Schloss Belvedere gezeigt werden sollte. In der Inventarliste der Ausstellung ist der Name des Bildes als »Lieser« vermerkt, wurde dann aber durchgestrichen. Das Gemälde war folglich bisher nicht in der Öffentlichkeit zu sehen.

Entsprechend groß war nun, fast 100 Jahre später, der Andrang bei der Präsentation des Werkes im Vorfeld der Versteigerung: Innerhalb von nur neun Tagen kamen rund 15.000 Besucher.

Geringer fiel dagegen der Zahlungswille in der Auktion selbst aus – womöglich auch wegen der knapp vor Auktionsbeginn geltend gemachten neuen Ansprüche. Der Rufpreis lag bei 28 Millionen Euro. Gerechnet wurde mit einem Verkaufspreis von bis zu 70 Millionen. Der Hammer fiel bereits bei 30 Millionen.

Die in Genf geborene Schweizer Schriftstellerin und Philosophin Jeanne Hersch aufgenommen im März 1999

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