Interview

Wird Israel auf den iranischen Angriff reagieren, Herr Shalicar?

Arye Sharuz Shalicar Foto: Marco Limberg

Herr Shalicar, in der Nacht zum Sonntag hat Iran Israel mit Hunderten Raketen und Drohnen angegriffen. Wie ist die Lage am Morgen danach?
99 Prozent der Flugkörper, die aus dem Iran abgefeuert wurden, konnten neutralisiert werden – auch dank der Kooperation mit unseren internationalen und regionalen Partnern. Israel hat bisher zwei Verluste zu beklagen: ein kleiner Schaden an einer Luftwaffenbasis im Süden Israels, und, was viel schwerer wiegt, im Süden des Landes wurde ein beduinisch-muslimisches Mädchen durch Splitter einer Rakete schwer verletzt.

Wie ordnen Sie den iranischen Angriff ein?
Das iranische Regime mit seinen Revolutionsgarden – nicht die iranische Zivilbevölkerung – sind für uns der Kopf der Schlange. Sie sind maßgeblich für die Instabilität in der Region verantwortlich. Und sie sind es, die im Endeffekt auch Dutzende Terrormilizen und Organisationen in der Region finanzieren, unterstützen, bewaffnen und natürlich dirigieren: die Hamas, der Islamischer Dschihad, aber auch die Hisbollah im Libanon, die Huthis im Jemen und, was weniger in Deutschland bekannt ist, auch schiitische Terrormilizen im Irak. Wir werden seit Monaten aus mindestens fünf verschiedenen Staatsgebieten attackiert.

Wie gut ist die israelische Armee darauf vorbereitet, wenn sie von all diesen Seiten gleichzeitig angegriffen wird? Hält das Abwehrsystem dann noch so gut wie in der vergangenen Nacht?
Eine hundertprozentige Abwehr können wir nicht garantieren. Aber wir haben ein mehrschichtiges Abwehrsystem: Angefangen mit dem »Iron Dome«, der bekannt ist, dann »David’s Sling«, »Patriot«, und das »Arrow«-System zum Abfangen von Lang- und Mittelstreckenraketen. Darüber hinaus kommen natürlich noch die Kampfjets, die auch Flugkörper abschießen. Zusätzlich haben unsere regionalen Partner eine ganze Anzahl von Abwehrmechanismen, die dem gegenüberstehen. Und dass das zusammengenommen funktioniert, das haben wir gestern Nacht gesehen.

Auch Jordanien soll iranische Raketen abgefangen haben.
Wir sprechen von unseren regionalen Partnern und nennen keine Namen, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Wir sind nicht der Sprecher von anderen Ländern um uns herum. Was jedoch feststeht, ist, dass das iranische Mullah-Regime eine Gefahr nicht nur für Israel darstellt, sondern für viele pragmatische Staaten in der Region des Nahen Ostens. Das ist eine Entwicklung der letzten 45 Jahre, seit der Islamischen Revolution von 1979. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Iraner zum Beispiel 2019 zwei Ölanlangen in Saudi-Arabien angegriffen haben. Sie haben viele unserer Nachbarn mit Terrormilizen infiltriert, wie zum Beispiel den Irak und auch den Libanon. Wer im Nahen Osten nicht auf der Seite des Mullah-Regimes steht, wird ganz klar aus Teheran bedroht.

Der Iran hat seinen Angriff mit der Tötung mehrerer ranghoher Militärs in einer Botschaft in Damaskus begründet. Nun mehren sich Stimmen, dass Israel den Angriff »provoziert« habe.
Was man hier ganz klar sagen muss: Israel hat sich zu dem Zwischenfall in Damaskus nicht bekannt. Und ich habe bisher keine Belege dazu gesehen, dass Israel dahintersteckt. Und das Zweite, was man hierzu sagen muss, ist, dass Israel seit dem 7. Oktober von mehreren Fronten angegriffen wird, auch aus Syrien, weshalb wir natürlich als israelisches Militär defensiv wie offensiv alles tun werden, um das Land und die Bewohner Israels zu beschützen.

Berichten zufolge kommt das israelische Kriegskabinett heute Nachmittag zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Können Sie abschätzen, wie Israel auf den iranischen Angriff reagieren wird?
Das kann ich nicht, und wir machen da auch ungern große Ankündigungen, was wir tun oder nicht tun werden. In jedem Fall steht für uns fest, und das wiederholen wir seit dem 7. Oktober beinahe täglich, dass der Kopf der Schlange im Iran steckt und dass all diese Terrormilizen, die uns schon lange vor dieser Nacht angegriffen haben, einen Dirigenten haben.

Und diesen Dirigenten sollte man nicht weiter so gewähren lassen?
Dieser Dirigent ist das Hauptproblem. Und früher oder später muss man natürlich die Gefahr, die von ihm ausgeht, reduzieren. Die Gefahr jedoch geht momentan in erster Linie von seinen Stellvertretern in der Region aus. Das iranische Mullah-Regime hat viele Jahre sehr viele Milliarden Euro investiert, um in der gesamten Region Dutzende Terrormilizen und Organisationen aufzubauen. Diese verlängerten Arme des Mullah-Regimes, die gilt es gerade in erster Linie zu schwächen, weil sie seit dem 7. Oktober täglich im Krieg mit Israel stehen. Das ist unser Hauptfokus.

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