Die Verwüstung droht. Vom Akazienbaum über das Coronavirus bis zum Menschen seien alle Kreaturen davon betroffen, stellt Shimon Rachmilevitch vom Jacob-Blaustein-Institut für Wüstenforschung an der Ben-Gurion-Universität (BGU) klar. Er ist Vorsitzender der »DDD«-Konferenz, die kürzlich veranstaltet wurde. »Forschung und das Verständnis der Desertifikation sind notwendig, um den Klimawandel zu verstehen.«
DDD steht für Desert, Desertification und Drylands – Wüste, die Ausbreitung der Wüsten und die trockenen Gegenden der Erde. Die internationale Konferenz – von den Vereinten Nationen gesponsert – »ist die wichtigste Bühne der Welt, um zu hören, zu lernen und Schlüsse zu ziehen, die der Menschheit und dem Planeten helfen können«, so die Veranstalter. Es war die siebte ihrer Art und die erste, die aufgrund des Coronavirus vollständig online abgehalten wurde.
Die vier Themen Ernährung, Wasser, Menschen und Ökosysteme waren die Hauptpunkte an drei Tagen unter dem Motto »Die Trockengebiete ernähren«. DDD wird vom Jacob-Blaustein-Institut für Wüstenforschung an der Ben-Gurion-Universität im Negev veranstaltet. Sie bringt Forscher, Politiker und Geschäftsleute aus der ganzen Welt zusammen, die sich diesem Thema verschrieben haben, und ist in Zusammenarbeit mit dem Gremium der Vereinten Nationen gegen die Wüstenbildung (UNCCD) organisiert.
AUSWIRKUNGEN »Die DDD-Konferenz ist zur wichtigsten und einflussreichsten Veranstaltung weltweit geworden, die sich mit den Themen Nachhaltigkeit, Umwelt, Wasserknappheit und Nahrungsunsicherheit in trockenen Gebieten beschäftigt«, so der Direktor des Instituts, Noam Weisbrod. »Im Angesicht der dramatischen globalen Auswirkungen ist sie bedeutender denn je.«
Der Vorsitzende des UNCCD, Ibrahim Thiaw, meldete sich per Video aus Bonn: »Covid-19 verschont keine Ecke des Planeten. Die Pandemie ist eine kraftvolle Erinnerung, wie sehr wir auf unsere Natur angewiesen sind – für unsere Gesundheit und unseren Wohlstand. Unsere Gesellschaft steht unter enormem Druck, das Leben wieder zu einem ›Normal‹ zu bringen. Dabei sollten wir gar nicht zu diesem ›Normal‹ zurückkehren, in dem 820 Millionen Menschen hungrig zu Bett gehen und ein Drittel der Nahrungsmittel verschwendet wird.«
»Um die Menschheit zu ernähren, brauchen wir immer mehr Land«, erklärte Thiaw. »Doch gesunder Boden ist begrenzt. Wenn wir so weitermachen, werden 2050 lediglich noch zehn Prozent des Landes in seiner ursprünglichen Form erhalten sein. Es ist klar, dass wir etwas tun müssen, bevor es zu spät ist.«
In Israel wurde der Trend zur Wüstenbildung umgekehrt.
Entgegen landläufiger Meinung handelt es sich bei der Desertifikation nicht ausschließlich um die Versandung von Gegenden und die Ausbreitung der Wüsten. »Wir unterscheiden zwischen wasserarmen Gebieten, beispielsweise Israel, und echten Wüsten. Im Vergleich dazu gibt es die gemäßigten Zonen wie Europa«, erläutert Rachmilevitch. »Verwüstung ist der Wandel von einer Zone in eine andere, bedingt durch die falsche Nutzung des Bodens, Urbanisierung und den Klimawandel. Schließlich kann das Land nicht mehr für die Landwirtschaft genutzt werden und keine Ökosysteme mehr beherbergen.«
»Welche Verbindung gibt es zwischen der Klimakrise und Verwüstung?«, »Wie sind die derzeitige Pandemie und die Ausbreitung der Wüsten verbunden?« oder »Wie beeinflusst die Wüstenbildung das Essen auf unseren Tellern?« waren nur einige der Fragen, die gestellt wurden. 2400 Teilnehmer und 160 Redner aus 109 Nationen diskutierten darüber. Die Experten kamen sogar aus Pakistan, dem Irak und Iran. Dabei ging es nicht nur um Wissenschaftliches, sondern auch darum, wie man praktisch vorgeht, beispielsweise mit dem Einsatz neuer Technologien.
LOKALES Auch das Lokale war Thema. »Wie kann es beispielsweise sein, dass weltklassige Weine aus dem Negev kommen?«, lautete eine Frage. Vier virtuelle Touren, darunter eine zur Landwirtschaft in der israelischen Wüste, lieferten Informationen. »Israel ist eines der wenigen Länder auf unserem Planeten, in dem die Ausbreitung der Wüsten umgekehrt wird: Die Versandung geht zurück«, berichtete Rachmilevitch.
Sogar von Satellitenbildern aus könne man dies eindeutig erkennen. »Schaut man auf die Grenze zwischen Israel und Ägypten, sieht man in Israel eine biologische Kruste, die die Erde stabilisiert. Beim Nachbarn indes ist nur Sand.« Schon Gründervater David Ben Gurion sagte: »Lasst uns die Wüste zum Blühen bringen!« Man habe in der Wüste nicht nur eine sehr erfolgreiche Landwirtschaft für das eigene Land geschaffen, »wir produzieren sogar für den Export und sind damit Vorbild für andere Nationen, die sich bei uns etwas abschauen können«.
»Allerdings«, gibt Rachmilevitch zu bedenken, »müssen wir auch darauf achten, dass wir Ökosysteme erhalten. Landwirtschaft sollte in einer klugen Art und Weise aufgebaut werden.« Auf die Frage, ob Israel dies tue, antwortet der Wissenschaftler, dass man es versuche. Eines der bedeutendsten Themen für ihn ist die Wasserversorgung. »Denn es geht nicht nur darum, ausreichend Wasser zu haben. Wir müssen auch sehen, wie viel sauberes Wasser kostet, in Bezug auf Geld und CO2. Nur korrekt eingesetzt kann es seine Wirkung erzielen.«
Ziel der Konferenz ist es, nicht nur Wissen zu akkumulieren und weiterzugeben, sondern es gemeinsam einzusetzen, um die globalen Probleme anzugehen. »Wir müssen das Thema zu einem Politikum machen, um das Bewusstsein zu ändern«, ist der Direktor der Konferenz überzeugt. »Denn dann könnten schon die Kinder im Kindergarten lernen: Es gibt Menschenrechte, Rechte der Tiere und der Pflanzen – und das Recht zum Schutz des Bodens.«