Nahost

Vor dem Angriff: Desinformation sollte Teheran in Sicherheit wiegen

Israels Premier Benjamin Netanjahu (l.) und US-Präsident Donald Trump Foto: Miriam Alster/Flash90 and picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Doug Mills

Der Konflikt mit dem Iran begann nach einer Desinformationskampagne, der das Regime in Teheran in Sicherheit wiegen sollte. US-Präsident Donald Trump und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu waren direkt daran beteiligt. Dies geht aus amerikanischen und israelischen Medienberichten hervor.

Auf anonymer Basis erklärten demnach am Donnerstag israelische Regierungsbeamte dem Fernsehsender Kanal 12, Trump habe den Ministerpräsidenten Israels, Benjamin Netanjahu, in einem »dramatischen« Telefongespräch aufgefordert, einen Angriff auf iranische Atomanlagen von der Tagesordnung zu nehmen, da die Verhandlungen fortgesetzt würden. Diese Ente sollte das Teheraner Regime wenige Stunden vor dem Angriff verwirren.

Demselben Fernsehbericht zufolge betonte Trump, es werde keine Gespräche über einen Militärschlag geben, bis der Präsident zu dem Schluss komme, dass die Atomverhandlungen mit dem Iran gescheitert seien. Dies stimmte nur bedingt.

Trump hatte zu Beginn der Verhandlungen erklärt, Teheran habe 60 Tage Zeit, um einen neuen Deal zu unterzeichnen. Der Angriff folgte am 61. Tag. Dies bedeutet wohl, der Präsident glaubte kurz vor den Angriffen nicht mehr an einen Durchbruch, sprach dies aber nicht öffentlich aus.

Letzte Vorbereitungen

Dann waren in der internationalen Presse Nachrichten zu lesen, die nicht nur Teheran hätten stutzig werden lassen können: Netanjahu erklärte in einer Videobotschaft, es habe »erhebliche Fortschritte« bei den Geiselverhandlungen mit der Hamas gegeben. In Wirklichkeit steckten sie weiterhin in der Sackgasse. Außenminister Gideon Sa›ar wiederholte diese Botschaft dennoch in einer gemeinsamen Erklärung mit seinem sambischen Amtskollegen.

Aus diesen zur Desinformationskampagne gehörenden News sollte das Mullah-Regime offenbar schließen, Israel konzentriere sich weiterhin auf Gespräche mit der von Teheran unterstützten Terrororganisation Hamas. Tatsächlich liefen in dem Moment allerdings die letzten Vorbereitungen für den Angriff auf den Iran.

Auch hatte es am Donnerstag in der israelischen Presse geheißen, der Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer, und Mossad-Chef David Barnea würden vor der ursprünglich für den heutigen Sonntag angesetzten nächsten Gesprächsrunde zwischen Teheran und Washington zu einem Treffen mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff aufbrechen. Die Reise diene der »Klärung der israelischen Position«. Alles frei erfunden.

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Urlaub und Hochzeit

Netanjahus Büro legte noch etwas drauf: Der Ministerpräsident werde an seinem länger geplanten Wochenendurlaub im Norden Israels festhalten, hieß es dort vor den ersten Angriffen auf die Atomanlagen. Auch diese Mitteilung war falsch.

Um dem Iran eine Art Normalität vorzugaukeln – was in Zeiten wie diesen zwar schwierig, aber offensichtlich nicht unmöglich war – wurden die Planungen für die Hochzeit von Netanjahus Sohn Avner fortgesetzt. Die Polizei errichtete sogar eiserne Straßensperren um die Veranstaltungshalle »Ronit‹s Farm« im Kibbuz Jakum bei Tel Aviv. Inzwischen wurde die Feier wie erwartet verschoben.

Ebenfalls am Donnerstag erklärte Trump öffentlich, ein israelischer Angriff auf iranische Atomanlagen sei »sehr gut möglich«, riet aber zugleich davon ab. Denn die Möglichkeit einer Einigung sei »ziemlich nahe«. Diese Aussage sollte offensichtlich realistisch klingen, um in Teheran keinen Verdacht aufkommen zu lassen, und zugleich suggerieren, der Iran habe noch etwas Zeit.

Stärke und Macht

Derweil wird der Krieg vermutlich noch länger andauern. Gegenüber dem Fernsehsender CNN in Atlanta gaben amerikanische Regierungsvertreter an, die israelische Operation habe die »stillschweigende Zustimmung« des Weißen Hauses. Ein israelischer Beamter erklärte dem Bericht zufolge, Donald Trump sei mit einem »mehrwöchigen Zeitrahmen« einverstanden.

»Die USA hatten nichts mit dem Angriff auf den Iran zu tun«, sagte der amerikanische Präsident selbst. Er warnte am Sonntag den Iran: »Sollten wir in irgendeiner Form vom Iran angegriffen werden, wird die gesamte Stärke und Macht der US-Streitkräfte in einem noch nie dagewesenen Ausmaß auf ihn herabstürzen«, schrieb er auf der Website Truth Social.

Irans Außenminister Abbas Araghchi sagte hingegen im nationalen Fernsehen seines Landes, es lägen Beweise dafür vor, dass die US-Streitkräfte die intensive Bombardierung der Islamischen Republik durch »das zionistische Regime« unterstützten. Befürchtet werden nun Terroranschläge durch iranische Agenten oder Stellvertreter des Regimes, wie die Terrororganisationen Hamas, Hisbollah und Huthi, auf amerikanische Militärbasen.

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