Der US-Sondergesandte Steve Witkoff und der amerikanische Botschafter in Israel, Mike Huckabee, werden sich morgen im Gazastreifen ein Bild von der Lage vor Ort machen. Das erklärte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, in Washington. Die beiden wollen am Freitag demnach Verteilungsstellen für Hilfslieferungen inspizieren und einen Plan für weitere Hilfslieferungen ausarbeiten. Zudem gehe es darum, von den Menschen dort »aus erster Hand mehr über die dramatische Lage vor Ort zu erfahren«.
Witkoff bereits in der Region
Witkoff hatte am Donnerstag in Israel bereits den rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu getroffen. Bei ihrem Gespräch soll es Medienberichten zufolge um die katastrophale Lage im Gazastreifen, die israelischen Geiseln in der Gewalt der palästinensischen Terrororganisation Hamas sowie um den Iran gegangen sein.
Örtliche Medien hatten bereits berichtet, dass Witkoff auch den Gazastreifen besuchen könnte. Er wolle sich dort ein Bild von der umstrittenen Verteilung von Hilfsgütern durch die von Israel unterstützte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) machen.
Stiftung hochumstritten
Die vier GHF-Verteilzentren im Gazastreifen stehen international in der Kritik – unter anderem, weil die Hilfesuchenden sie nur über lange Wege erreichen können. Das führt Berichten zufolge dazu, dass sich große Menschenmengen durch aktive Kampfzonen bewegen müssen. Ein weiterer Vorwurf lautet, dass israelische Soldaten, die das Umfeld sichern sollten, immer wieder in die Menge der Hilfesuchenden geschossen haben.
Die Armee bestreitet das, bestätigt drei Tote durch »ungenauen Artilleriebeschuss«, der aber nicht den Zivilisten gegolten habe. Nach Berichten über Opfer habe es Untersuchungen gegeben. Einsatzkräfte hätten aufgrund der dabei gewonnen Erkenntnisse Anweisungen bekommen. Details nannte die Armee nicht. Nach UN-Angaben sollen auf diese Weise rund 900 Menschen ums Leben gekommen sein.
Vor der Einführung des neuen Verteilungsmechanismus durch Israel hatte die UNWRA über den ganzen Gazastreifen verteilt rund 400 Verteilstationen für Hilfsgüter betrieben. Doch Terroristen der Hamas plünderten zahlreiche Lieferungen und verkauften die Hilfsgüter zu hohen Preisen auf dem Schwarzmarkt, um ihren Krieg gegen Israel zu finanzieren. Israelische Ermittlungen ergaben außerdem, dass die UN-Hilfsorganisation von Hunderten Hamas-Terroristen unterwandert war. Einige UNRWA-Mitarbeiter nahmen sogar an den Massakern vom 7. Oktober teil, bei denen 1182 Menschen in Israel ermordet und 250 weitere als Geiseln genommen wurden.
Vorwurf: Hunger als Kriegswaffe
Israel hatte seit März nur noch vereinzelt Hilfslieferungen zugelassen. In der Folge spitzte sich die humanitäre Situation dramatisch zu. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einer tödlichen Hungerkrise. Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen werfen Israel vor, die Bevölkerung gezielt auszuhungern – und werten dies als Kriegsverbrechen. Die israelische Regierung weist die Vorwürfe zurück. Es gebe genug Hilfsgüter. Das Problem sei die schleppende Verteilung an den Grenzübergängen durch die UN. Seit Kriegsbeginn wurden der Militärbehörde Cogat zufolge 1,9 Millionen Tonnen Hilfsgüter in den Gazastreifen gelassen.
Seit Sonntag wurden erstmals seit Monaten wieder mit Lastwagen größere Hilfslieferungen in das abgeriegelte Küstengebiet gebracht, in dem rund zwei Millionen Palästinenser leben. Im Juli gelangten rund 71 Lastwagen pro Tag nach Gaza, von denen etwa die Hälfte die GHF ansteuerte, und die andere Hälfte zu Lagerhäusern der UN und anderer Hilfsorganisationen fuhr. Jeder Lastwagen bringt laut einer COGAT-Studie einen durchschnittlichen Kaloriengehalt von 56,9 Millionen Kalorien in die Enklave. Die resultierende Versorgung, die im Juli eintraf, belief sich demzufolge auf 1.923 Kalorien pro Person und Tag.
Zum Vergleich: Ein erwachsener Mann braucht je nach Alter zwischen 2.000 und 2.500 Kalorien pro Tag, eine Frau zwischen 1.600 und 1.900 Kalorien.
US-Präsident Donald Trump hatte zuletzt auf mehr Lebensmittellieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung gepocht. Er machte auch auf Israel öffentlich Druck, betonte aber weiterhin, dass die Hamas die Hauptverantwortung für die Lage dort trage.
Verhandlungen um Waffenruhe ins Stocken geraten
Die Bemühungen um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg waren zuletzt ins Stocken geraten – die US-Regierung rief ihr Verhandlungsteam aus Katars Hauptstadt Doha zurück. Witkoff begründete das mit einem mangelnden Willen der Hamas, eine Waffenruhe erreichen zu wollen. Die USA fungieren gemeinsam mit Katar und Ägypten als Vermittler zwischen Israel und Hamas, da die beiden Kriegsparteien nicht direkt miteinander reden. Leavitt bekräftigte nun, Trump wolle nach wie vor, dass alle Geiseln freigelassen werden. dpa/ja