Skandal

Unter Druck

Die Probleme fliegen mit: Sara und Benjamin Netanjahu bei der Abreise nach Südamerika Foto: Flash 90

Benjamin Netanjahu und seine Frau Sara sind auf einer historischen Reise. Zum ersten Mal besucht ein amtierender Regierungschef Israels Lateinamerika. Doch währenddessen wächst zu Hause stetig der Druck. Am Freitag gab der Generalstaatsanwalt bekannt, dass Sara Netanjahu angeklagt wird. Es geht um Betrug. Doch auch ihr Mann wird sich auf der Reise kaum entspannen können. Kurz nach der Rückkehr steht für ihn eine neue Befragung der Betrugssondereinheit der Polizei, Lahav 443, an.

Bei den Vorwürfen gegen seine Ehefrau geht es um Speisenlieferungen, Gartenmöbel, Elektrikerrechnungen und anderes – kurz gesagt, um die Veruntreuung öffentlicher Gelder. Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit erklärte, er werde sechs der sieben Verdachtsfälle gegen Sara Netanjahu ad acta legen.

Aus einem jedoch scheint sie nicht herauszukommen: den »finanziellen Unregelmäßigkeiten in der Residenz des Premierministers«. Dabei sollen von September 2010 bis März 2013 regelmäßig Mahlzeiten von Spitzenköchen geordert worden sein – obwohl die Gäste fiktiv waren und ein angestellter Koch zum Personal gehörte. Auf diese Weise, so die Anklageschrift, seien die Erstattungsbeträge für die Netanjahus in die Höhe getrieben und rund 400.000 Schekel (umgerechnet etwas unter 100.000 Euro) erschwindelt worden.

Beweislast Wenn eine vorgerichtliche Anhörung den Fall bestätigt, wird sich auch der ehemalige Generaldirektor im Büro des Premiers, Ezra Saidoff, vor Gericht verantworten müssen. Bei ihm käme noch der Vorwurf der Urkundenfälschung hinzu, denn er soll es gewesen sein, der die Rechnungen für die Mahlzeiten hat höher ausstellen und fiktive Gäste hinzufügen lassen.

Mandelblit entschied jedoch, dass die Beweislast in sechs anderen Verdachtsfällen nicht ausreicht. Der Anwalt der Familie, Jacob Weinroth, erklärte, man werde vor Gericht für die völlige Entlastung der Angeklagten kämpfen. Man habe ja bereits gesehen, dass alle anderen Fälle sich in Luft auflösen, »und so wird es auch in dieser Angelegenheit sein«.

Selbst wenn es bei seiner Frau tatsächlich dazu kommen sollte – Benjamin Netanjahu dürfte sich aus der Vielfalt der Vorwürfe nur schwer befreien können. Er sieht sich vier verschiedenen Fällen gegenüber. Laut »Akte 1000« sollen der Ministerpräsident persönlich, seine Frau und sein Sohn Yair aufwendige Geschenke von verschiedenen Geschäftsleuten erhalten haben. Für den Premier waren es teure Zigarren, für Sara pinkfarbener Champagner und edler Schmuck. Yair soll mit kostenlosen Flügen, Hotelzimmern und anderem versorgt worden sein. Netanjahu argumentiert, dass dies lediglich Gesten von Freunden waren, für die es keinerlei Gegenleistung gab.

Presse Laut »Akte 2000« soll Netanjahu massiv Einfluss auf die Presse genommen haben und so für eine vorteilhaftere Berichterstattung bei der kostenlosen Zeitung Israel Hayom und der traditionsreichen Tageszeitung Yedioth Ahronoth gesorgt haben. Am Ende, heißt es, habe er die beiden Blätter sogar gegeneinander ausgespielt. Einige der Gespräche in diesem Zusammenhang sind aufgezeichnet worden. Im vergangenen Monat hat sich ein ehemaliger Angestellter Netanjahus, Ari Harow, bereit erklärt, Zeuge der Anklage zu werden. Zudem soll der Premier kurz vor und nach der letzten Parlamentswahl die Schlagzeilen in Israel Hayom mit dessen Herausgeber Sheldon Adelson abgesprochen haben.

Obwohl er in »Akte 3000« persönlich nicht im Fokus der Ermittlungsbehörden steht, hat dieser Fall das größte Potenzial, den Premier zu Fall zu bringen. Es geht um Vetternwirtschaft beim geplanten U-Boot-Kauf von Deutschland in Milliardenhöhe. Drei von Netanjahus engsten Vertrauten sind bereits festgenommen und verhört worden. Darunter sind David Schimron, Netanjahus persönlicher Rechtsanwalt und Cousin, sowie Avriel Bar-Josef, ein weiterer enger Vertrauter. Während sich die Armee ausdrücklich gegen den Kauf im Wert von 1,5 Milliarden Euro ausgesprochen hatte, drückte Netanjahu ihn im Kabinett durch, behauptet jedoch, nichts von Schimrons Verbindungen gewusst zu haben.

Der letzte Skandal mit der Nummer 4000 dreht sich um Netanjahus Position als Kommunikationsminister, die er bis vor Kurzem als Premier ebenfalls innehatte (mittlerweile hat er seinen Parteikollegen Ayoub Kara mit dem Ressort beauftragt). Dem Bericht zufolge soll der Generaldirektor des Ministeriums, Schlomo Filber, den größten Telekommunikationsanbieter des Landes, Bezeq, mit geheimen Informationen aus dem Ressort versorgt haben. Filber wurde von Netanjahu eingestellt, nachdem er dessen Vorgänger Avi Berger gefeuert hatte, weil der eine Breitband-Reform einführen wollte, die für Bezeq ungünstig gewesen wäre.

Karikatur Nicht nur Benjamin und Sara Netanjahu scheinen wegen der Vorwürfe unter immensem Stress zu stehen. Immer wieder postet der Premier auf seiner Facebook-Seite über die angebliche »Hexenjagd der Presse gegen seine Familie«. Nun schlägt auch der älteste Sohn des Paares, Yair, zurück. Am Freitag postete er einen Comic mit dem Titel »Nahrungskette« – und erntete einen Sturm der Entrüstung wegen des antisemitischen Inhalts.

In der Darstellung wird eine angebliche Weltverschwörung gegen seinen Vater dargestellt. Abgebildet ist der jüdische Milliardär George Soros, der die Welt an ein Reptil verfüttert. Auch ernähren sich andere Netanjahu-Kritiker, dabei der ehemalige Premierminister des Landes, Ehud Barak, von der Schelte gegen den amtierenden Regierungschef. Barak kommentierte, der jüngere Netanjahu brauche wohl einen Psychiater.

Mehrere rechtsextreme und rassistische Gruppen, darunter der Ex-Anführer des Ku-Klux-Klan, David Duke, und die amerikanische Neonazi-Website »The Daily Stormer« lobten den Netanjahu-Sprössling dafür. Der Chef der Arbeitspartei, Avi Gabbay, schrieb daraufhin: »Es ist ein trauriger Tag, an dem aus dem Haus des Premierministers des jüdischen Staates ein Statement kommt, mit dem der KKK übereinstimmt.« Auch das Israel-Büro der Anti-Defamation League äußerte sich: »Der Cartoon, den Yair Netanjahu gepostet hat, beinhaltet offen antisemitische Elemente. Die Gefahr, die damit einhergeht, darf nicht verharmlost werden.«

24 Stunden später nahm Yair Netanjahu den Post von seiner Seite. Entschuldigt hat er sich nicht. Auch sein Vater verweigert einen Kommentar. Als er während eines Treffens des Kabinetts von einem Journalisten dazu gefragt wurde, konterte er nur barsch: »Das hier ist keine Pressekonferenz.« Es sieht allerdings so aus, als werde sich die Familie Netanjahu in nächster Zeit noch viele Fragen von Reportern anhören müssen.

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