Tel Aviv

Sushi vom Kiosk

Die Nase in der Zeitung, vor sich einen dampfenden Café Hafouch, um sich herum Hundegebell, Lärm von Autos und Baumaschinen. Das alles gehört für Ilan Dor zu einem perfekten Frühstück. »Ich mag es, am Morgen mitten auf der Straße zu sitzen und zusammen mit der Stadt aufzuwachen«, erzählt der Tel Aviver, der es sich vor einem der Kioske auf dem Rothschild-Boulevard in der Sonne gemütlich gemacht hat. Das pralle Leben von Tel Aviv findet an den Kiosken der Metropole statt. Doch statt Brause und Kaugummi gibt es dort Espresso, duftendes Gebäck, Sushi und Shakes aus frischen Früchten oder Gemüse.

Immer mehr Cafés, Saftbars und sogar Restaurants in Form von kleinen Läden irgendwo in der Straßenmitte der Boulevards tauchen im Stadtbild auf. Allen voran auf der Rothschild, die mit ihren dicken Akazien wie geschaffen ist für ein Päuschen von der Hektik des Tages. An derem südlichen Ende, kurz vor der Herzl-Straße, steht der älteste Kiosk der Stadt.

Treffpunkt Gebaut 1909, trafen sich hier schon vor mehr als 100 Jahren die Tel Aviver, plauderten, stritten, feierten und lachten. Der Schriftsteller Yoram Kaniuk hat diese Zeit (und diesen Kiosk) in seinem Roman Tante Shlomzion die Große verewigt. Jahrelang war der hübsche Pavillon verwaist, heute zeigt er sich restauriert und in frischem weißen Gewand. Draußen flanieren die Menschen vorbei, drinnen zischt die Espressomaschine von frühmorgens bis spätabends.

Gleich gegenüber an der Herzl-Straße baumeln Bananen, Orangen und Feigen von der Decke. Die Spezialität dieses Kiosks sind frisch-fruchtige Säfte in allen denkbaren Variationen. An einem kleinen Fenster um die Ecke holen sich die Angestellten der umliegenden Büros in der Mittagspause reich belegte Sandwiches ab. Ein paar Meter weiter laden Hocker vor dem Sushi-Kiosk »Japanika« Hungrige auf frischen Fisch ein. Auch auf dem Ben-Gurion-Boulevard im Norden der Stadt findet Kaffeekultur im Kiosk statt.

Für viele Städter beginnt der Tag mit einem Stopp am Kiosk. Michal Or holt sich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit einen Hafouch, die israelische Version des Cappuccino, und kehrt oft abends auf einen Drink zurück. »Ich bin Single und gehe häufig aus. Aber ich setze mich nicht gern allein in eine Bar oder ein Café, dabei fühle ich mich komisch. Aber hier, auf der Parkbank vor dem Kiosk, muss man kein Gegenüber haben. Es ist so, als ob alle Leute, die vorbeigehen, mit mir am Tisch sitzen.«

Vitamine An der Dizengoff-Straße geht es ganz gesund zu. Ziv Ungar hinter der Theke kredenzt aus frischem Obst und Gemüse literweise Vitaminbomben. »Besonders gefragt sind die grünen Smoothies«, weiß er. Die mixt er aus Gurken, Sellerie, Avocado und »allem, was sonst noch so grünt«. Ungar sieht einen klaren Trend zum gesunden Leben in der Stadt. »Und das findet immer mehr am Kiosk statt.« Die Bude an der Dizengoff-Straße bietet schon seit elf Jahren Shakes und ist eine echte Institution in der Nachbarschaft.

Auch die Touristin Stacey Kepler aus New York hat das Tel-Aviv-Feeling. »Ich bin seit einem Monat hier und komme jeden Tag an einen der Kioske. Sie sind wundervoll, ich bin regelrecht süchtig danach.« Am liebsten setzt sie sich mit einem Buch an eine der Buden und beobachtet zwischendurch die Leute, die vorbeispazieren. »Wer Tel Aviv kennenlernen will, muss es ausprobieren: Hier, auf der Straße, passiert das wahre Leben dieser Stadt. Ich mag dieses Draußen-Gefühl zu jeder Jahreszeit.«

Am liebsten würde Kepler für immer bleiben. »Leider muss ich zurück«, sagt sie dann und seufzt tief. »Aber vielleicht«, sinniert die junge Amerikanerin weiter, »mache ich ja den ersten Kaffee-Kiosk in New York auf – als Hommage an meine Lieblingsstadt Tel Aviv.«

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