Interview

»Sprung in die Moderne«

Shlomo Molla Foto: Ingo Way

Herr Molla, Sie sind als ehemaliger Knessetabgeordneter einer der prominentesten Sprecher der äthiopischen Juden. Wie beurteilen Sie die Situation dieser Einwanderergruppe in Israel?
Das israelische Narrativ ist, Juden aus aller Welt willkommen zu heißen. Die Regierung nimmt diese Aufgabe sehr ernst, Äthiopier bekommen sehr viel Hilfe und Unterstützung, etwa bei der Arbeits- und Wohnungssuche – mehr als zum Beispiel russische Einwanderer. Es gibt Stipendien speziell für äthiopische Studenten. Der Staat legt viel Wert darauf, dass Äthiopier keine Bürger zweiter Klasse sind. Aber im Alltag gibt es oft Probleme.

Zum Beispiel?
Manche Charedim akzeptieren Äthiopier nicht als Juden. Und viele Eltern wollen nicht, dass ihre Kinder mit äthiopischen Kindern zur Schule gehen. Äthiopische Israelis haben oft Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, weil viele Leute Stereotypen über Afrikaner im Kopf haben. Wenn ein Äthiopier sagt, er sei Ingenieur oder Physiker, fragen viele Israelis: »Wie kann das denn sein?« Selbst als ich Vizepräsident der Knesset war, wurde ich von Abgeordneten oft gefragt, wieso ich so gut Hebräisch könne. Dabei lebe ich seit Jahrzehnten in Israel!

Ist Diskriminierung das einzige Problem?
Nein, es hat auch mit dem Kulturschock zu tun. Der Status der Frauen verändert sich völlig, sie arbeiten nicht mehr nur im Haus, sondern haben Jobs. Das erzeugt Spannungen in den Familien, es gibt eine hohe Scheidungsrate, viele Schulabbrecher. Das ist der Preis des Sprungs von einer traditionellen in eine moderne Gesellschaft, das hat nicht nur damit zu tun, dass wir schwarz sind. Außerdem bilden Äthiopier in vielen Orten eine Art Ghetto, weil sie sich unter ihresgleichen am wohlsten fühlen. Im Viertel Kiryat Moshe in Rehovot leben 3000 Äthiopier und nur 300 gebürtige Israelis. Woher soll die Integration dort kommen?

Kürzlich ging das Gerücht durch die Presse, dass äthiopischen Frauen vom israelischen Staat absichtlich ein gesundheitsschädliches Verhütungsmittel verabreicht worden sei, um die Geburtenrate zu senken. Ist da etwas dran?
In Äthiopien bekamen Frauen dieses Verhütungsmittel vom staatlichen Gesundheitssystem. Als sie nach Israel kamen, haben sie ihre Hausärzte gebeten, ihnen dieses Mittel weiter zu verschreiben. Der Fehler des israelischen Gesundheitsministeriums war es, das nicht zu verbieten. Aber dies war keine politische Strategie, um die Geburtenrate zu senken. Das ist eine irrwitzige Verschwörungstheorie, die von Israelhassern verbreitet wurde.

Was ist heute die größte Herausforderung für die äthiopische Community?
Nach wie vor Bildung und Erziehung. 60 Prozent aller äthiopischen Israelis sind jünger als 18 Jahre. Für diese jungen Leute muss es Hilfen geben, da ihre Eltern oft arm sind. Allerdings gibt es heute äthiopische Ärzte, Rechtsanwälte und Knessetabgeordnete. Für die Zukunft meiner Kinder bin ich sehr optimistisch.

Mit dem Politiker der Partei Hatnua sprach Ingo Way.

Meinung

Israel: Keine Demokratie ohne Pressefreiheit

Den Armeesender abschalten? Warum auch jüdische Journalisten in der Diaspora gegen den Plan von Verteidigungsminister Katz protestieren sollten

von Ayala Goldmann  14.11.2025

Nahostkonflikt

Indonesien will 20.000 Soldaten für Gaza-Truppe bereitstellen

Der US-Plan für die Stabilisierung des Küstenstreifens sieht eine internationale Eingreiftruppe vor. Einige Staaten haben bereits Interesse bekundet

 14.11.2025

Geiseldeal

Hamas übergibt Leichnam von Meny Godard

Der 73-jährige Großvater wurde am 7. Oktober im Kibbuz Be’eri von Terroristen der Hamas ermordet und in den Gazastreifen entführt

 14.11.2025

Israel

Altkanzlerin Merkel besucht Orte der Massaker

Angela Merkel besuchte den Ort des Nova-Festivals und den Kibbuz Nahal Oz

 13.11.2025

Waffenruhe

Hamas und Islamischer Dschihad wollen Geisel-Leichnam übergeben

Die Terroristen haben noch die sterblichen Überreste von vier Geiseln in ihrer Gewalt

 13.11.2025

Tel Aviv

Noa Kirel und Daniel Peretz heiraten mit »kleiner Feier«

Die Sängerin und der HSV-Torwart standen in Jaffa unter großen Sicherheitsvorkehrungen unter der Chuppa

von Nicole Dreyfus  13.11.2025

Westjordanland

Israel: Rund 40 Hamas-Mitglieder in Betlehem festgenommen

Israelische Einsatzkräfte wollen Anschlagspläne mit möglicherweise vielen Toten gestoppt haben: Was hinter der Festnahme Dutzender Hamas-Mitglieder steckt

 13.11.2025

Westjordanland

Jüdische Siedler zünden Moschee an

Nur einen Tag nachdem Israels Präsident Herzog und hochrangige Vertreter der Armee Angriffe gewalttätiger Siedler verurteilt hatten, schlugen diese wieder zu

 13.11.2025

Diplomatie

Israel drängt Merz auf Ende des Teilwaffenembargos

Der Bundeskanzler hatte am 8. August angeordnet, keine Güter auszuführen, die im Krieg gegen die Hamas verwendet werden könnten

 13.11.2025