Pandemie

Sind neue Vakzine nötig?

Foto: imago images/Laci Perenyi

Corona-Impfstoffe retten unzählige Leben, doch die Verunsicherung beim Auftreten neuer hochansteckender Virusvarianten können sie nicht verhindern. Viele Menschen fragen sich, ob sie nun alle paar Monate eine Boosterimpfung brauchen werden. Oder ein neues Vakzin? Oder eine ganz neue Art der Impfung?

Die Antworten sind offen. Aber solange die Immunisierungen noch ihre wichtigste Funktion erfüllen, solle die Messlatte nicht zu hoch gelegt werden, warnen Experten. »Wir müssen kollektiv das Ziel von Impfungen überdenken«, sagt Daniel Kuritzkes, leitender Infektiologe am Brigham & Women’s Hospital in Boston. »Es ist unrealistisch zu glauben, dass irgendeine Art von Impfung Menschen für immer vor Infektionen und Erkrankungen mit milden Symptomen schützen wird.« Wenn das Ziel die Verhinderung schwerer Verläufe sei, genüge es möglicherweise, die vorhandenen Impfstoffe an jede neue Variante anzupassen.

Bei Mutationen ändert das Virus im Grunde seine Form, wobei sich die Gefährlichkeit einer neuen Variante nicht im Voraus absehen lässt. Von Omikron ist schon eine Untervariante mit eigenen einzigartigen Mutationen im Umlauf. Forscherinnen und Forscher arbeiten bereits an Impfstoffen der nächsten Generation, die einen breiteren Schutz vor künftigen Mutanten bieten könnten – sie werden aber nicht so bald zur Verfügung stehen.

Daher lautet die aktuelle Devise: Die bestehenden Vakzine an so viele Menschen wie möglich zu verimpfen, »reduziert die Möglichkeiten des Virus, zu mutieren und neue griechische Buchstaben hervorzubringen, über die wir uns dann Sorgen machen müssen«, sagt Jennifer Nuzzo vom Johns-Hopkins-Zentrum für Gesundheitssicherheit.

WARUM DIE IMMUNABWEHR NICHT PERFEKT IST

Die Aufgabe, eine Infektion zu blockieren, übernehmen Antikörper, die sich entweder nach einer Impfung oder einem früheren Kontakt mit Covid-19 bilden. Ein Problem besteht allerdings darin, dass Mutationen die Gestalt des Spike-Proteins ändern, das das Coronavirus umgibt. Deshalb konnte Omikron leichter als frühere Varianten diese erste Abwehr überwinden: Seine Spike-Umhüllung war für vorhandene Antikörper schwerer zu erkennen.

Zudem ist das Immunsystem nicht dafür gemacht, dauerhaft im Alarmzustand zu sein. Daher nimmt die Zahl der Antikörper mit der Zeit wieder ab. Mehrere Monate nach zwei Impfungen mit den Corona-Vakzinen von Pfizer oder Moderna hatten die Menschen nur einen geringen Schutz gegen eine Omikron-Infektion – ein Ergebnis sowohl schwindender Antikörper als auch der Virus-Mutation.

Glücklicherweise sind andere Faktoren des Immunsystems, die so genannten T-Zellen, entscheidend dafür, schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. Und dieser Schutz hält länger an, da die T-Zellen andere Teile des Virus erkennen, die nicht so leicht mutieren. 

WARUM DIE DRITTE DOSIS ZÄHLT

Nach einer Boosterimpfung beträgt der Schutz gegen eine symptomatische Erkrankung durch Omikron etwa 70 Prozent. Das liegt zwar unter dem 94-prozentigen Wert bei früheren Varianten, an die Impfstoffe exakter angepasst waren, ist aber immer noch hochwirksam. Noch wichtiger: Der Booster verstärkt auch den Schutz gegen schwere Verläufe zusätzlich.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beobachten genau, ob Antikörper nach einer dritten Dosis länger erhalten bleiben. Aber an einem gewissen Punkt werden sie wieder schwinden. Sogenannte Gedächtniszellen können bei einem erneuten Kontakt mit dem Virus eine schnelle Immunantwort auslösen. Israel stellt für bestimmte Personengruppen, darunter alle ab 60, bereits jetzt eine vierte Impfung bereit, und erwägt ein entsprechendes Angebot an alle Erwachsenen.

Debattiert wird allerdings darüber, ob wiederholtes Boostern wirklich der beste Weg ist – vor allem, da die Bildung neuer Varianten wahrscheinlicher ist, sobald ein größerer Teil der Weltbevölkerung erste Impfungen bekommen hat. Endloses Auffrischen, nur um die Antikörper-Level dauerhaft hoch zu halten, sei »keine funktionierende Gesundheitsstrategie«, sagt der Impfexperte Paul Offit von der Kinderklinik in Philadelphia.

MÖGLICHE NEUE ANSÄTZE

Wie auch immer es mit Omikron weitergeht – dass das Coronavirus nicht verschwinden wird, ist klar. Die Wissenschaft arbeitet an umfassenden Impfstoffen, die vor mehr als einem Virustyp schützen sollen. Doch das wird Jahre dauern, wie der oberste US-Virologe Anthony Fauci betont. Eine direktere Herangehensweise könnte in der Entwicklung von Covid-19-Vakzinen liegen, die direkt in die Nase gespritzt werden. So könnten Antikörper dort gebildet werden, wo der Mensch zuerst mit dem Virus in Berührung kommt. Solche Vakzine sind schwerer zu entwickeln als Injektionsimpfstoffe, aber Studien dazu laufen, unter anderem in Indien.

WELTWEIT UNTERSCHIEDLICHER SCHUTZ

Was mögliche Änderungen in der Impfstrategie erschwert, ist die bittere Tatsache, dass in armen Ländern erst zehn Prozent der Menschen mindestens eine Impfdosis erhalten haben. Jüngere Untersuchungen deuten zudem darauf hin, dass manche der weltweit eingesetzten Impfstoffe weniger zur Abwehr von Omikron taugen. Booster-Strategien müssten daher maßgeschneidert werden.

Überschattet werden all diese Fragen davon, dass sich die nächste Mutante nicht vorhersagen lässt, wie der Impfexperte Jesse Goodman von der Georgetown University erklärt. Er spricht sich für eine weltweite Strategie aus, um den Zeitpunkt für eine mögliche Wende in der Impfpolitik festzulegen: »Sonst werden wir wieder eine verwirrte Öffentlichkeit haben.« ap

Hochzeit des Jahres

Hochzeit des Jahres

Daniel Peretz und Noa Kirel haben sich getraut

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Gesellschaft

Familienforum für Geiseln schließt seine Pforten

Nach mehr als zwei Jahren des unermüdlichen Einsatzes der freiwilligen Helfer »ist der Kampf vorbei«

von Sabine Brandes  24.11.2025

Meinung

Der Weg zum Frieden in Nahost führt über Riad

Donald Trump sieht in Saudi-Arabien zunehmend einen privilegierten Partner der USA. Die Israelis müssen gemäß dieser neuen Realität handeln, wenn sie ein Abkommen mit dem mächtigen Ölstaat schließen wollen

von Joshua Schultheis  24.11.2025

Portrait

Die Frau, die das Grauen dokumentieren will

Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gründete die israelische Juristin Cochav Elkayam-Levy eine Organisation, die die Verbrechen der Hamas an Frauen und Familien dokumentiert. Unser Redakteur sprach mit ihr über ihre Arbeit und ihren Frust über die Vereinten Nationen

von Michael Thaidigsmann  24.11.2025

Sderot

Zweitägiges iranisches Filmfestival beginnt in Israel

Trotz politischer Spannungen will das Event einen Dialog zwischen Israelis und Iranern anstoßen

von Sara Lemel  24.11.2025

Jerusalem

Israel billigt Einwanderung Tausender Inder mit jüdischen Wurzeln

Die Regierung verspricht sich davon eine Stärkung des Nordens – auch nach den Folgen des jüngsten Kriegs

 24.11.2025

Gaza/Jerusalem

Hamas spähte Social-Media-Profile von IDF-Soldaten aus

Zu den Zielen der Terroristen gehörte es, Armeeanlagen zu kartieren, Schwachstellen zu identifizieren und den Umgang mit israelischen Kampfpanzern zu erlernen

 24.11.2025

Militär

»Die IDF haben ihren Kernauftrag am 7. Oktober nicht erfüllt«

Generalstabschef Eyal Zamir sagte, die israelische Armee sei einer tiefgehenden Untersuchung all dessen verpflichtet, »was an diesem schrecklichen Tag geschehen ist«

 24.11.2025

Beirut

Israel tötet Hisbollah-Anführer

Haitham Ali Tabatabai, der Generalstabschef der Terrororganisation, war Ziel eines israelischen Luftangriffs

 24.11.2025