Haifa

Schöner Wohnen in der Bucht

Die Hafenstadt Haifa Foto: Getty Images/iStockphoto

Der Begriff »Mondpreis« bekommt in Tel Aviv ganz schnell eine konkrete Bedeutung, und zwar immer dann, wenn man eine Wohnung kaufen oder mieten möchte. Selbst in den weniger glamourösen Ecken der Stadt kosten Apartments ein Vermögen: So ging dieser Tage im Süden in Shikun Amidar eine 80 Quadratmeter kleine, finstere Erdgeschosswohnung für umgerechnet 600.000 Euro über den Tisch.

Selbst für ein WG-Zimmer muss man schnell 900 Euro und mehr pro Monat hinlegen. Da lohnt sich der Blick in andere Städte, die ebenfalls einiges bieten, vor allem nach Haifa. Vergleichbare Immobilien sind dort mitunter für die Hälfte des Preises zu haben – noch jedenfalls. Und auf ein buntes Nachtleben und Strände muss man ebenfalls nicht verzichten.

Immer noch steht Haifa im Ruf, ein etwas verschlafener Ort zu sein, längst nicht so cool wie Tel Aviv. Die Stadt beheimatet zwar Israels größten Hafen. Doch darüber hinaus dominieren die riesigen petrochemischen Anlagen der Bazan-Raffinerie, die teilweise noch aus der britischen Mandatszeit stammen, eine Düngemittelfabrik sowie zahlreiche, mitunter völlig heruntergekommene Gewerbebetriebe das Bild. Die Luft- und Bodenqualität ist mehr als zweifelhaft, der Haifa-Husten berühmt.

Haifa soll grüner werden

Kurzum, Haifa gilt als schmutzig. Geht es nach den Verantwortlichen in der Stadt, soll sich das aber bald ändern. Ein erster Schritt ist bereits gemacht. So hat man begonnen, den kleinen Saadia-Fluss, der durch die Industrieanlagen fließt und in den Kishon mündet, zu reinigen und zu re-naturisieren.

Doch man will nicht nur kleckern, sondern klotzen. »Nationaler Masterplan 75«, gern auch »Schaʼar HaMifratz«, zu Deutsch: »Tor zum Golf«, heißt das Projekt, das im Frühjahr 2022 angekündigt und im Dezember 2023 von der Regierung abgesegnet wurde. Langsam nimmt es Gestalt an. Auf ersten Konferenzen haben sich jetzt Stadtentwickler, Architekten sowie Vertreter der Kommunen und von Bürgerinitiativen zusammengesetzt und angefangen, den Rahmen abzustecken.

»Die Verabschiedung des Nationalen Masterplans 75 war ein wichtiger Meilenstein, aber es ist erst der Anfang«, erklärte Einav Ringler, Planungsdirektor der Land Authority, gegenüber der Presse und betonte, dass noch viele konkurrierende Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen.

Vorbild für den neuen Park am Kishon ist der Landschaftspark bei Duisburg.

Geplant ist der Bau von bis zu 130.000 neuen Wohneinheiten auf dem Gebiet zwischen Haifa und den nördlicheren Städten Kiryat Motzkin, Kiryat Bialik und Kiryat Haim, auch Krayot genannt, wo es heute noch stinkt und raucht. Dabei schwebt den Verantwortlichen eine Mischbebauung von kleineren und größeren Gebäudetypen vor, die allesamt durch grüne Alleen und Wasserwege verbunden werden. Nicht nur Wohnungen sollen entstehen, sondern es sollen sich dort ebenfalls Unternehmen ansiedeln, die dann für viele Tausend neue Jobs sorgen.

Die alten Hafenanlagen in der Mündung des Kishon zum Mittelmeer möchte man gleich mit umgestalten, Cafés und Kultureinrichtungen ansiedeln und das Ganze in einem Park integrieren, der sich entlang des Kishon erstreckt und doppelt so groß werden soll wie der Park HaYarkon in Tel Aviv. Die Stadtplaner verweisen auch auf Vorbilder, an denen man sich orientieren will, wie Relikte einer alten Industrie mit moderner Architektur kombiniert und neu belebt werden können, darunter den Landschaftspark bei Duisburg, die Kanäle von Hammarby Sjöstad in Stockholm und den Bellwether District in Philadelphia.

»Nationaler Masterplan 75«

Yona Yahav, ehemaliger und aktueller Bürgermeister von Haifa, nennt einen weiteren Grund, warum die Planungen absolute Priorität haben müssen: »Angesichts der Bedrohung durch die Hisbollah und der Tatsache, dass die Anlagen in der Bucht von Haifa ein strategisches Angriffsziel darstellen, ist es absolut notwendig, die Fristen für eine Verlagerung der Raffinerien und anderer Fabriken zu verkürzen.«

Denn im Falle eines Angriffs der schiitischen Terrormiliz auf die petrochemischen Anlagen droht die Verseuchung weiter Teile der Stadt. Doch die Betreiber der Bazan-Raffinerie stellen sich noch quer, weshalb sich die Umsetzung des »Nationalen Masterplan 75«, immerhin Israels größtes Infrastrukturprojekt, verzögern könnte.

Was aber bereits jetzt in Angriff genommen wird, ist die komplette Neugestaltung der Viertel im Westen der Stadt, allen voran Neve David, Kiryat Shprintzak und Shaʼar HaAliya. Ganze Wohnblöcke aus den 60er- und 70er-Jahren entlang der Küste sollen verschwinden, die Gegend komplett neu erschlossen werden. Auch das soll die Attraktivität der Stadt weiter steigern und Menschen aus dem ganzen Land dazu motivieren, nach Haifa umzuziehen. Auch aus der geografischen Lage will man Profit schlagen. »Haifa ist bergig und in Ringen angelegt«, erklärt Experte Nachi Finkelstein auf haipo.co.il, einem Haifa-Portal. »Diese Lage ermöglicht es, schöne Landschaften und zugleich das Meer zu sehen.« Das gäbe es in dieser Form sonst nirgendwo in Israel.

Deshalb ist die Stadt für ihn das »nächste große Ding« auf dem Immobilienmarkt. Das heißt aber auch: In Haifa werden die Preise wohl bald kräftig anziehen.

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