Geiseln

Schawuot der Sehnsucht

Evyatar David ist verrückt nach dem Käse-Kokos-Turm mit heißer Mokkasoße. Jedes Schawuot gehört der Kuchen für den jungen Mann aus Kfar Saba auf den Festtagstisch. Der 24-Jährige liebt es, Gitarre zu spielen und gemeinsam mit seiner Familie zu singen. Eigentlich hätte er schon längst zu einer großen Reise aufbrechen wollen. Doch stattdessen wurde er vom Nova-Festival im Süden Israels entführt und wird seitdem in den Terrortunneln der Hamas in Gaza gefangen gehalten – seit mehr als 600 endlosen Tagen.

58 der 251 am 7. Oktober 2023 verschleppten Menschen sind nach wie vor in der Gewalt der Terrororganisation. Mindestens 34 von ihnen sollen nicht mehr am Leben sein, geben die israelischen Sicherheitsbehörden an.

Zu diesem Schawuot erinnert ein besonderes Kochbuch an Evyatar und alle anderen Entführten. Es wird vom Forum der Familien von Geiseln und Vermissten veröffentlicht und versammelt Rezepte von besonderer Bedeutung. Es trägt den Titel Shavuot of Longing, Schawuot der Sehnsucht. »Schawuot bedeutet ›Wochen‹«, schreiben die Herausgeber im Vorwort. »Doch wir warten schon seit vielen Monaten verzweifelt auf ihre Rückkehr.« Sie wollen endlich wieder mit ihren Liebsten beisammen sein und gemeinsam essen – an Schawuot und jedem anderen Feiertag.

Das Kochbuch ist in Zusammenarbeit mit der Druckerei des Kibbuz Be’eri entstanden, der von den Massakern der Hamas am 7. Oktober besonders schwer betroffen war, und der beliebten Rezepte-Website Foody Israel. Der gesamte Erlös geht an das Familienforum.

»Wir widmen dieses Buch unseren Brüdern und Schwestern. Wir haben ihre Lieblingsspeisen zusammengetragen, alte Familienrezepte hervorgekramt und all unsere Sehnsucht in die Seiten gesteckt«, so die Angehörigen. »Kochen verbindet uns durch Herz und Magen mit unseren geliebten Brüdern und Schwestern.« »Schawuot der Sehnsucht« enthält 75 Rezepte auf 180 Seiten.

»Kochen verbindet uns durch Herz und Magen mit unseren Lieben.«

Familienforum

Dazu gehören unter anderem Guy Gilboa-Dalals Negev-Kartoffeln, die von den Falafelständen seiner Heimat inspiriert sind. Auch er wurde vom Nova-Festival verschleppt. Er ist Evyatars bester Freund.

Eitan Horn, der ursprünglich aus Argentinien stammt, wurde von der Hamas aus dem Kibbuz Nir Oz verschleppt, wo er seinen Bruder Iair besucht hatte. Eitan liebt Alfajores-Cookies. Für die Doppel-Kekse mit Rum und Milch-Karamell gibt es ebenfalls ein Rezept. Omri Miran kann sich an Aruk nicht sattessen. Die irakischen Pfannkuchen aus Kartoffeln, Zwiebeln, Petersilie und Gewürzen isst er für sein Leben gern. Der Vater von zwei Töchtern wurde ebenfalls aus Nir Oz verschleppt. Rom Braslavski kann von »Cookie-Leeda« nicht genug bekommen, einem süßen Eiscreme-Sandwich. Er war am 7. Oktober 19 Jahre alt.

Auch Avinatan Or ist Geisel. Der 30-Jährige wurde in den Morgenstunden des »Schwarzen Schabbat« zusammen mit seiner Freundin Noa Argamani vom Gelände des Nova-Festivals verschleppt. Das verstörende Video ihrer Entführung ging um die Welt. Avinatan ist Elektroingenieur, studierte in Beer Sheva und wollte sich mit seiner Freundin gerade eine gemeinsame Wohnung in Tel Aviv suchen. Noa wurde im Juni 2024 nach 245 Tagen von der israelischen Armee aus Gaza befreit. Seitdem kämpft sie unermüdlich dafür, dass auch Avinatan nach Hause kommt.

»Ein Teil von dir ist noch immer in Gaza«

»Ich habe keine Worte dafür, wie es sich anfühlt, wenn jemand, der die ganze Zeit in Gefangenschaft an deiner Seite war, zurückgelassen wird, während du scheinbar in dein Leben zurückkehrst«, schrieb die junge Frau kürzlich auf ihrem Instagram-Account. »Ein Teil von dir ist noch immer in Gaza. Es ist unmöglich, in einer solchen Situation zu genesen und in einen normalen Alltag zurückzukehren.« Sie beendete ihren Beitrag mit der Forderung: »Wie kann man sie dort zurücklassen? Wir müssen sie jetzt nach Hause holen!«

Ihr Freund ist bekannt dafür, »große Abendessen« zu veranstalten, erzählt sein Bruder Haim Or. »Er liebt es, zu kochen und zu backen, und hat die leckersten Gerichte aufgetischt.« An Schawuot würde er wahrscheinlich seine köstlichen Brioches, gefüllt mit Ricotta und frischen Kirschen, backen – sein absolutes Lieblingsgericht. Es ist auch eines der Rezepte im Buch.

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Avinatan ist der zweitälteste von sieben Brüdern. »Im letzten Jahr vor seiner Entführung haben wir beide in Tel Aviv gelebt und waren uns sehr nah«, sagt Haim. »Mein Bruder ist physisch und psychisch sehr stark. Er verfügt über eine außergewöhnliche emotionale Intelligenz, schätzt jede Situation richtig ein und kümmert sich um andere.« Das habe man auch in dem Entführungsvideo gesehen. Er habe vor allem nach Noa Ausschau gehalten und sich um sie gesorgt. Die Familie hofft inständig, dass Avinatan »stark bleibt und die Hoffnung nicht verliert«. Das Wichtigste überhaupt sei, »alle Geiseln nach Hause zu holen. Wir müssen weiter Druck machen, bis sie alle in Freiheit sind«.

Das Familienforum der Geiselangehörigen lädt alle dazu ein, ein Gericht aus dem Buch zuzubereiten, ein Foto davon zu machen und es in den sozialen Netzwerken mit dem Hashtag »Shavuot_of_Longing« zu posten. Damit die Welt die Geiseln in Gaza nicht vergisst.

In digitaler Form können Sie das Kochbuch »Shavuot of Longing« auf der Website solidarity.bringthemhomenow.net bestellen.

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