Antilärmgesetz

Ruhe, bitte!

Ausgepustet: Laub soll künftig wieder von Straßenkehrern mit Besen beseitigt werden – still und leise. Foto: imago

Am Dienstag noch hatte Schlomi Schemesch den Puster in der Hand. Wild wirbelten die Blätter über den Boden, flogen, angetrieben durch den Luftstrom, ohne Umweg in die Kompostecke. Gärtner Schemesch hinterließ einen blitzsauberen Garten, doch auch jede Menge Staub und Lärm. Blätterpuster gehörten in Israel zum Standardwerkzeug eines jeden Gärtners oder städtischen Straßenreinigers. Bis zum vergangenen Mittwoch. An diesem Tag zog das Umweltministerium den motorisierten Besen endgültig den Stecker raus. Seitdem sind die dröhnenden Gartengeräte in urbanen Siedlungen verboten.

Ein Ort der Stille wird das laute Israel dadurch wohl kaum werden. Dennoch hat sich Minister Gilad Erdan auf die Fahnen geschrieben, die enorme Lärmbelastung vor allem in den Städten zu reduzieren. Verschiedene Zusätze zum Antilärmgesetz von 1992 sollen nun etwas mehr Ruhe in den Alltag bringen. Dazu gehört ein Verbot von Renovierungen zwischen zehn Uhr abends und sieben Uhr morgens. Außerdem müssen von Freitag, 17 Uhr, bis Sonntag, 7 Uhr, sowie an Feiertagen Hammer und Säge ruhen. Dieser Zusatz wird besonders jene freuen, die sich bislang durch handwerkende Nachbarn in ihrer Schabbatruhe gestört fühlten.

Auch das Feiern muss ab sofort etwas leiser stattfinden. Feuerwerke, besonders beliebt bei Hochzeiten, dürfen nur vor 22 Uhr gezündet werden und ausschließlich in Gegenden, die mindestens einen Kilometer von einer Wohngegend entfernt liegen. Am Unabhängigkeitstag und Purim jedoch darf weiter fröhlich geknallt werden, wo es gefällt.

krachmacher Als größte Leistung bezeichnet das Ministerium die Beschränkung von lauten Gartengeräten wie Rasenmähern und elektrischen Heckenscheren zu bestimmten Zeiten sowie den Stopp von Autosirenen. Für einen Vollkaskoschutz verlangten die meisten Versicherungsgesellschaften des Landes bislang ein System gegen Diebstahl. Diese plärrenden Signale jedoch gingen oft schon los, wenn etwa ein Kind einen Ball gegen das Auto schoss oder sich jemand gegen den Pkw lehnte. Oft schrillten die ohrenbetäubenden Tut- und Piepstöne stundenlang durch den Tag oder die Nacht, bis der Besitzer überhaupt merkte, dass es sich um seinen Wagen handelt, der da lärmt. In drei Monaten wird der Verkauf der Systeme verboten sein, bereits eingebaute dürfen allerdings noch sechs Jahre weiter Krach machen.

Die Organisation für die Vermeidung von Luft- und Lärmverschmutzung des Landes, Malratz, hatte sich schon lange für die Ausweitung des Gesetzes eingesetzt. Seit zwei Jahren betreibt sie eine Hotline für Bürger, die sich durch laute Geräusche gestört fühlen, und bietet Hilfe im Umgang mit lärmenden Nachbarn oder Firmen. Der Vorsitzende Hilik Rosenblum begrüßt die Neuerungen. »Sie werden das Le-
ben für Lärmgeschädigte eindeutig angenehmer machen.« Allerdings komme es darauf an, inwieweit die Regeln im Alltag umgesetzt werden. »Die Bürger haben darauf gewartet, dass die Blätterpuster aus dem Verkehr gezogen werden. Doch in diesem Jahr werden wir sicher mit vielen lokalen Behörden zu tun haben, die nicht die notwendigen Vorkehrungen getroffen haben, um Krachmacher für die Gartenarbeit und Straßenreinigung zu ersetzen.«

Klage Nicht alle sind von den Gesetzesänderungen begeistert. Die städtische Behördenvereinigung Israels (ULAI) bereitet sich darauf vor, gegen sie vor Gericht zu ziehen. Vor den Pessachferien hatte sie noch versucht, einen Kompromiss mit Erdan zu erreichen, etwa auf besonders großen Straßen ohne viele Wohngebäude doch zu pusten oder leisere Geräte zu benutzen. Der Minister aber blieb hart. Es gäbe keine Geräte, die den Standards des Lärmschutzgesetzes entsprächen, meinte er. Die Stadtverwaltungen sind ratlos: Es gäbe einfach keinen Ersatz für die effektiven Puster, argumentieren sie. In Metropolen wie Tel Aviv oder Jerusalem müssten täglich Hunderte Kilometer Straßen gereinigt werden. »Fallen die elektrischen Reiniger weg, müssen Hunderte oder Tausende von Straßenkehrern eingestellt, und die immensen Kosten auf die Bürger umgelegt werden«, heißt es in einer Erklärung.

Der Minister will trotz der Kritik nicht an den neuen Regeln rütteln: »Es ist unvorstellbar, dass die Behörden ein Knessetgesetz nicht umsetzen wollen. Viele Großstädte auf der ganzen Welt haben die lärmenden Geräte bereits verbannt und sind trotzdem in der Lage, ein gutes Maß an Sauberkeit zu halten. Der Großteil der Israelis lebt in urbanen Gegenden, und es ist keine Frage, dass die Lärmbelästigung gerade da eingeschränkt werden muss.«

Besen Die Vereinigung der Gärtner- und Landschaftsarchitekten will dennoch nicht hinnehmen, dass künftig wieder der Besen geschwungen werden muss. Schemesch ist Mitglied. »Ich bin ein Ein-Mann-Betrieb und lebe davon, meine Arbeit schnell und effektiv machen zu können. Ohne das Gerät geht das aber nicht mehr. Ich weiß nicht, wie der Minister sich das vorstellt. Dass ich jedes Blatt einzeln vom Boden aufhebe? Dann bin ich in 100 Jahren noch nicht fertig.« Schmesch hat vor, auch jetzt noch die Blätter aufzuwirbeln. Er verstehe zwar den Wunsch nach etwas mehr Ruhe im israelischen Alltag, »doch die meisten von uns sind hart arbeitende Leute. Ausruhen ist sowieso erst abends nach Feierabend drin. Und dann schalte ich ab, versprochen.«

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