Medien

Presse vor der Pleite

Nicht immer so friedlich vereint: die Tageszeitungen Haaretz (l.) und Maariv (r.) Foto: Sabine Brandes

Noch liegen sie morgens auf der Fußmatte: Haaretz mit dem schwarzen Kopf, Maariv in Rot. Doch wie lange wird es die beiden traditionsreichen Tageszeitungen noch geben? In beiden Verlagshäusern wird gestreikt, Tausende von Jobs stehen auf der Kippe. Und die beiden alteingesessenen Blätter sind wohl erst der Anfang. Die Zeitungslandschaft Israels ist in ernster Gefahr.

Dabei sind Israelis immer auf dem neuesten Stand. Nur wenige verpassen die 20-Uhr-Nachrichten im Fernsehen, es gibt kaum jemanden, der sich nicht schon beim Frühstück über die aktuelle Lage informiert. Tageszeitungen gehören seit Staatsgründung zu Israel wie Hummus und Pita. So begrenzt Israel geografisch ist, so groß ist die Medienvielfalt. Täglich erscheinen vier große Tageszeitungen, daneben zig weitere kleine, einige für den charedischen Markt, andere für Nationalreligiöse.

Die aktuellen Schwierigkeiten von Haaretz und Maariv sind beispielhaft für viele Printmedien im Zeitalter des Internet. Die meisten Inhalte sind kostenlos im Netz zu haben, sogar schneller und aktueller. Immer weniger Menschen leisten sich den Luxus einer papiernen Tageszeitung.

Umsonst Besonders dunkle Wolken überzogen den israelischen Zeitungshimmel vor fünf Jahren, als Israel Hayom auf den Markt drängte. Plötzlich tauchten Straßenverteiler auf und hielten den verblüfften Menschen neue Seiten unter die Nasen – ohne einen Schekel zu verlangen. Herausgeber Scheldon Adelson, amerikanischer Milliardär, gilt als vehementer Unterstützer Netanjahus. Die Israelis griffen zu und vergaßen ihre Loyalität gegenüber den alten Blättern. Binnen Monaten avancierte die kostenlose Zeitung zur meistgelesenen.

Besonders Maariv spürte den Druck sofort. Ihre ohnehin geringe Auflage sank noch mehr. So sehr, dass der Eigentümer, die IDB-Gruppe von Nochi Dankner, erklärte, sie könne die ausstehenden Gehälter, Abfindungen und Pensionen nicht mehr zahlen. Daher wird Maariv derzeit von Insolvenzverwaltern kontrolliert. Dankner will das Blatt abstoßen, und es gibt schon einen Interessenten. Schlomo Ben-Zwi, Herausgeber der rechtsgerichteten Makor Rischon, kündigte an, von den derzeit etwa 2000 Beschäftigten lediglich 300 halten zu wollen, sollte er den Zuschlag erhalten. Mit den wenigen Mitarbeitern wolle er eine abgespeckte Version der Printausgabe sowie eine Internetseite herausgeben.

Die Angestellten warteten vergeblich auf Hilfe vom Staat. Aus Wut hatten die Redakteure in den letzten Ausgaben keine Statements von Ministern mehr abgedruckt. Nach dem Motto: »Wenn ihr uns mit unseren Problemen nicht seht, sehen wir euch auch nicht mehr.« Doch jetzt scheint in letzter Minute Rettung in Sicht. Vor einigen Tagen stimmte der Vorstand einem Retttungsplan in Höhe von drei Millionen Euro zu, der Maariv vorerst aus dem Tief holen soll. Laut Personalratschef Chagai Matar hingen die Einkünfte von etwa 30.000 Menschen durch die Zeitungskrise am seidenen Faden.

Demokratie Maariv hatte schon einige Krisen zu überstehen. Gegründet 1948, avancierte sie in den ersten zwei Jahrzehnten zur meistgelesenen Zeitung im jungen Staat. Der Tel Aviver David Schany erinnert sich: »Wirklich an jeder Bushaltestelle, in jedem Café sah man Maariv. Es war das Blatt des Landes, berichtete am ausführlichsten über die politischen und sozialen Entwicklungen.« In den 80er-Jahren begann der langsame Niedergang, heute hat Maariv die geringste Auflage im Land.

Auch für die linksliberale Haaretz kommen harte Zeiten. Herausgeber Amos Schocken kündigte vor einigen Tagen an, um die 100 Mitarbeiter entlassen zu müssen, weil es sonst nicht weitergehe. Redakteure und Fotografen zogen daraufhin in einen mehrstündigen Streik. Es war das erste Mal seit 30 Jahren, dass Haaretz nicht erschien. Ein langjähriger Reporter der Zeitung berichtet, dass viele bei der Urabstimmung mit Tränen in den Augen zugestimmt hätten. »Wir wollen doch, dass unsere Zeitung erscheint«, sagt er. »Aber in diesen schweren Zeiten müssen wir uns mit unseren Kollegen solidarisch erklären, die vielleicht ihren Job verlieren. Wir dürfen nicht so tun, als ob nichts geschieht.«

»Israel ohne Haaretz wäre so wie Israel ohne das Oberste Gericht«, erklärte Uzi Benziman, einstiger Kolumnist der Zeitung. »Haaretz« heißt »das Land«. In Anlehnung an das berühmte Zitat »Wir haben kein anderes Land« luden Mitarbeiter der Zeitung in den letzten Tagen Fotos auf Facebook hoch, auf denen ein Protestschild zu sehen war. Darauf stand in fetten Lettern: »Wir haben keine andere Haaretz«.

Jerusalem

»Er wollte Juden töten«

In einer Videoansprache nimmt Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Stellung zum Doppelmord von Washington

 23.05.2025

Meinung

Ist Israel nicht selbst schuld?

Subtil machen manche Medien Israel mitverantwortlich für das Attentat vor dem Jüdischen Museum in Washington. Antisemitismus als mögliches Motiv blenden sie dagegen aus

von Jacques Abramowicz  23.05.2025

Nahost

Hilfe erreicht Bewohner Gazas

Insgesamt 276 Lastwagenladungen kamen in den vergangenen drei Tagen an. Bäcker im Gazastreifen backen Brot für die Bevölkerung, während Dutzende Geiseln weiterhin in Terror-Tunneln ausgehungert werden

 23.05.2025

Israel

Netanjahu ernennt General zum Chef des Inlandsgeheimdienstes

Der Job des Schin-Bet-Direktors ist eine der sensitivsten Angelegenheiten. Nun übernimmt David Zini den Posten

 23.05.2025

Israel

Der israelische Sender »Kan« weist Kritik am ESC-Zuschauervoting zurück

Einige Sender haben nach dem guten Abschneiden der israelischen Sängerin infrage gestellt, ob die ESC-Zuschauerpunkte ein wahres Bild der Publikumsmeinung wiedergeben. Nun äußert sich Israels Sender

 22.05.2025

Berlin

Merz: Humanitäre Hilfe muss endlich zu den Menschen in Gaza

Der Bundeskanzler äußert Sorge angesichts der humanitären Lage in Gaza. Derweil sind seit Dienstag mindestens 193 Lastwagenladungen an Hilfe eingetroffen

 22.05.2025

Angriffe

Israels Armee fängt weitere Rakete aus dem Jemen ab

In der Nacht gab es in mehreren Regionen Israels Raketenalarm. Nun heulen nach erneutem Beschuss aus dem Jemen wieder die Sirenen

 22.05.2025

Israel

Vertreter Israels geschockt über Attentat in Washington D.C.

Der Mord an zwei jungen Mitarbeitern der israelischen Botschaft in Washington D.C. schockiert das ganze Land. Vertreter von Politik und Zivilgesellschaft äußern sich

von Sabine Brandes  22.05.2025

Berlin

»Es wurde ein Klima geschaffen, in dem diese Tat gedeihen konnte«

Israels Botschafter in Berlin, Ron Prosor, zeigt sich »fassungslos« über das Attentat auf zwei Mitarbeiter der Botschaft in Washington

 22.05.2025