Wahlen

Premier Netanjahu gibt sich siegessicher

»Zurück zum Leben«, ist das Motto des Likud bei den Wahlen. Foto: Flash90

Siegessicher reckt er die Hände in die Luft, Konfetti fliegt um ihn herum. Offenbar ist Premierminister Benjamin Netanjahu schon vor dem Wahltag zum Feiern zumute. Das Motto auf dem Wahlplakat seiner rechtskonservativen Partei Likud lautet: »Wir kehren zurück ins Leben«.

PARTY Mit seiner erfolgreichen Impfaktion hat er das fast erreicht. Mittlerweile sind mehr als die Hälfte seiner Landsleute vollständig immunisiert, die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus sinkt stetig. Doch nicht allen steht der Sinn nach Party: Eine Million Arbeitslose in Israel könnten sich gegen seine Wiederwahl aussprechen.

Benny Gantz, vor einem Jahr Hoffnungsträger für die Anti-Netanjahu-Wähler, hat dieses Mal so gut wie keine Chancen.

Am Sonntag gingen Zehntausende Demonstranten gegen ihn auf die Straßen. Netanjahu ist in drei verschiedenen Fällen wegen Korruption angeklagt. Der Prozess in Jerusalem wurde mehrfach wegen der Corona-Pandemie verschoben.

Es sind nur noch wenige Stunden, bis die Wahllokale wieder geöffnet werden – zum vierten Mal in zwei Jahren. Dort sind 6,57 Millionen israelische Staatsbürger berechtigt, ihre Stimme abzugeben. Sie können aus 37 Parteien wählen. Von denen hatten es vor einem Jahr zwölf über die 3,25-Prozent-Eintrittshürde in die Knesset geschafft.

UMFRAGEN Aus letzten Umfragen geht der Likud von Netanjahu wieder als stärkste Partei hervor, 30 Sitze werden ihm zugesprochen. Es folgt die Mittepartei von Yair Lapid, Jesch Atid mit prognostizierten 19 Sitzen. Neben diesen beiden gibt es die nationalreligiöse Partei Jamina von Naftali Bennett, einst Bildungsminister.

Tikwa Chadaschah, »Neue Hoffnung«, wird von Netanjahus Herausforderer aus den (ehemals) eigenen Reihen, Gideon Saar, angeführt. Während Saar immer wieder betont hatte, nicht mit Netanjahu koalieren, sondern ihn ablösen zu wollen, lässt der rechts-säkulare Avigdor Liberman von Israel Beiteinu sich nicht in die Karten schauen.

Netanjahu nennt die ultraorthodoxen Parteien seine »natürlichen Verbündeten«.

Ebenso wenig haben die arabischen Parteien ausgeschlossen, sich einem Rechtsblock anzuschließen. In den vergangenen Wochen ließ der Regierungschef kaum eine Möglichkeit aus, die arabischen Wähler zu umgarnen, ihnen Reformen und Hilfen zu versprechen.

ÜBERRASCHUNGEN Bei den ultraorthodoxen Parteien werden wenig Überraschungen erwartet. Sowohl die Anhänger der sefardischen Schas als auch die des aschkenasischen Vereinten Tora-Judentums kreuzen das an, was ihnen ihre Rabbiner vorgeben. Netanjahu nennt sie seine »natürlichen Verbündeten«.  

Auf der linken Seite des politischen Parketts indes könnte es Neuigkeiten geben. Der Linkspartei Meretz unter dem Vorsitz von Nitzan Horowitz droht das Abrutschen. In Umfragen schnitt sie so schlecht ab, dass sie die Eintrittshürde nicht erreichte. Die Parteileitung zeichnete daraufhin ein düsteres Bild: »Ohne Meretz hat er 61«, heißt es auf den Wahlplakaten, die Netanjahu mit charedischen Rabbinern und den rechtsextremistischen Kahanisten der Partei Otzma Yehudit zeigt.

CHANCEN Ein ähnliches Schicksal könnte Benny Gantz und seiner Zentrumspartei Blau-Weiß drohen. Der ehemalige Stabschef, vor einem Jahr Hoffnungsträger für die Anti-Netanjahu-Wähler, hat dieses Mal so gut wie keine Chancen, eine der stärksten Parteien zu werden. Ihm werden – wenn überhaupt – vier Mandate vorausgesagt. Sicherer zeigt sich die Arbeitspartei unter dem neuen Vorsitz von Merav Michaeli. Sie könnte sechs oder sogar mehr Sitze holen.

»Wähler benehmen sich definitiv nicht rational«, will der führende Verhaltenspsychologe Dan Ariely wissen. Der israelische Professor an der Duke Universität in den USA meint: »Entsprechend der wirtschaftlichen Standardtheorie gibt es keinen vernünftigen Wähler. Denn aus rationalen Gründen sollte er zuhause bleiben.«

MEKKA Premier Netanjahu macht derweil weitere Wahlversprechen. Für den Fall seines Sieges will er direkte Flugverbindungen nach Saudi-Arabien herstellen. Von Tel Aviv könnten die muslimischen Landsleute dann direkt nach Mekka jetten. Dafür sollten sie bitte für den Likud stimmen. Dass es mit der Ölnation bislang keinerlei diplomatische Beziehungen gibt, scheint dabei ein unwichtiges Detail, das der Ministerpräsident geflissentlich unterschlägt.

Der 71-jährige Regierungschef hat vor, seine derzeitige Amtszeit, die 2009 begann, noch einmal zu verlängern. Warum, das machte er jüngst in einem Interview unmissverständlich klar: »Weil ich der Einzige bin, der in der Lage ist, Israel anzuführen.«

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