Siedlungsgesetz

»Politischer Druck ist da«

Professor Medina, die Knesset hat am 6. Februar den umstrittenen »Gesetzesvorschlag zur Regelung der Besiedlung Jehudas und Samarias« gebilligt. Was genau besagt das neue Gesetz?
Es ist ein Gesetz, das der Regierung die Macht gibt, privates Land auf besetztem Gebiet zu konfiszieren. Damit sollen die israelischen Siedlungen im Westjordanland legitimiert werden. Dazu muss man wissen, dass der Oberste Gerichtshof Israels, basierend auf internationalem Recht, Folgendes entschieden hat: Die Regierung darf keine Erlaubnis erteilen, Bauten auf privatem Land zu errichten. Das ist seit dem Jahr 1979 so. Private Grundstücke dürfen lediglich zu militärischen Zwecken enteignet werden. Obwohl öffentliches Land vom Gericht nicht explizit erwähnt wird, kann die Regierung hier Baugenehmigungen erteilen. Seit etwa 20 Jahren sind dennoch Siedlungen auf privatem Land ohne die Erlaubnis der Eigentümer entstanden, mittlerweile gibt es rund 2000 Häuser in mehreren Outposts. Bis auf Einzelfälle, wie kürzlich in Amona, hat die Regierung nichts dagegen unternommen. Das Gesetz soll für diese Siedler zweierlei Probleme lösen: Erstens, dass es nicht ihr Land ist, und zweitens, dass niemand ihre Siedlungen autorisieren darf. Entsprechend des neuen Gesetzes aber wird die Regierung sogar verpflichtet, das Land zu konfiszieren, die Siedlung anzuerkennen und die ehemaligen Eigentümer finanziell zu entschädigen. Es würde damit keinen Grund mehr geben, eine Siedlung abzureißen, wie in Amona geschehen.

Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit erklärte, er sei sicher, dass er das Gesetz nicht vor dem Internationalen Gerichtshof vertreten kann. Was bedeutet das?
Das stimmt – und zwar nicht nur vor internationalen Gerichten, sondern sogar in Jerusalem könnte er es nicht. Doch es ist nicht nur Mandelblit. Nahezu jede Person im Justizministerium ist überzeugt, dass das Gesetz ungültig ist. Allerdings ist es in der Tat noch nie vorgekommen, dass ein Generalstaatsanwalt offen zugibt, dass er vor Gericht aussagen würde: »Bringt es zu Fall!« Bis heute ist es so, dass das einzige Mittel, die Macht der Knesset einzuschränken, die Grundrechte sind. Mandelblit argumentiert daher richtig, dass das Siedlungsgesetz konträr zum Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundrecht an Eigentum steht. Man muss noch nicht einmal das internationale Recht bemühen, um es zu stoppen. Diese Auffassung herrscht übrigens auch in Juristenkreisen vor – und zwar ziemlich einmütig.

Gibt es konkrete Vorhaben, das Gesetz zu stoppen?
Ja, es gibt bereits Petitionen an den Obersten Gerichtshof, die das Gesetz verhindern wollen. Die Richter haben der Regierung 30 Tage Zeit gegeben, um darauf zu antworten. In der Zwischenzeit, das wollen die Kläger jetzt erreichen, soll das Gesetz nicht implementiert werden. Die Regierung wird private Anwälte anheuern müssen, weil Mandelblit ja bereits deutlich gemacht hat, dass er dagegen ist. Dieser Prozess wird wohl einige Monate dauern.

Was geschieht, wenn der Oberste Gerichtshof gegen das Gesetz entscheidet?
Dann könnte das Parlament die Grundgesetze theoretisch mit einer einfachen Mehrheit ändern. Allerdings ist das in Israels Geschichte noch niemals vorgekommen. Mehrere Regierungsmitglieder haben bereits wissen lassen, dass sie nicht dafür stimmen würden.

Welche Probleme könnten für Israel auf internationaler Ebene durch das Gesetz entstehen?
Wenn es durch den Obersten Gerichtshof ausgehebelt wird, gibt es gar keine Probleme. Sollte dies indes nicht geschehen, könnten Verfahren gegen israelische Offizielle vor dem Internationalen Strafgerichtshof eröffnet werden. Andererseits gibt es natürlich auch die diplomatische Ebene. Hier könnte es zu Boykotten gegen die Siedlungen kommen.

Selbst Staatspräsident Reuven Rivlin äußerte Kritik. Er sagte sinngemäß, dass kein Staat sein Recht einem Territorium überstülpen dürfe, über das er keine Souveränität habe. Was meint er damit?
Präsident Rivlin macht sich Sorgen um die Ungleichheit in der Behandlung der Menschen, die diese Änderung mit sich bringen würde. Denn das israelische Recht würde ja nicht im gesamten Westjordanland angewendet werden, wodurch die Palästinenser demzufolge nicht dieselben Rechte hätten wie die Israelis. Als rechtsgerichteter Politiker schlägt er vor, das Westjordanland stattdessen zu annektieren, damit gleiches Recht für alle Menschen gilt, die dort leben.

Kann dieses Gesetz tatsächlich als erster Schritt zur Annexion des Westjordanlandes gewertet werden?

Im engeren Sinne sicher nicht, weil es, wie ich bereits erläutert habe, nicht der Verfassung entspricht und damit gesetzeswidrig ist. Im weiteren Sinne aber vielleicht schon. Denn der politische Druck ist da. Insbesondere drängt die Koalitionspartei Jüdisches Haus, das Gebiet C zu annektieren, das sich unter israelischer Verwaltung befindet. Allerdings ist es sehr fraglich, ob dieser Vorschlag tatsächlich jemals eine Mehrheit in der Knesset finden wird.

Zuletzt die Frage: Sieht das Gesetz eine Entschädigung der Landeigentümer vor?
Sollte es angewendet werden, könnten die Eigentümer lediglich monetäre Entschädigung erhalten. Sie hätten zwar die Möglichkeit, den Staat Israel vor einem internationalen Tribunal zu verklagen, doch das hätte allein deklaratorische Wirkung. Denn diese Rechtsprechung würde in Israel gar nicht anerkannt werden. Die Einbringung dieser Regelung war ein Schachzug auf dem politischen Parkett und eine Botschaft an die Siedler im Sinne von: »Wir unterstützen euch.« Dabei wissen alle Politiker ganz genau, dass das Gesetz verfassungswidrig ist und nicht umgesetzt werden wird.

Mit dem ehemaligen Dekan der juristischen Fakultät der Hebräischen Universität in Jerusalem sprach Sabine Brandes.

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