Neuregelung

Ordnung im Sprachsalat

Noch Jahre nach ihrer Ankunft in Israel sollen Jeckes stolz erklärt haben: »Ich wohne in der Rechov-Dizengoff-Straße«. Nur ein Witz mit Anspielung auf die Pingeligkeit von Juden deutscher Herkunft? Nicht ganz. Zwar steht das Wort »Rechov« für Straße und wäre in diesem Satz somit doppelt verwendet, doch auch die derzeitige Beschilderung trägt gehörig zur Verwirrung bei.

So ist auf allen Schildern geschrieben: Rechov Dizengoff – in der englischen Übertragung mit lateinischen Buchstaben, versteht sich. Doch es weiß wahrlich nicht jeder Besucher oder Neuankömmling, was das hebräische Wort bedeutet. Jetzt soll Ordnung in den israelischen Buchstabensalat gebracht werden und die Schreibweisen auf den Wegweisern und Tafeln im Land vereinheitlicht werden.

Nach fünf Jahren der Beratungen hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beschlossen, es werde ein ministeriales Komitee geben, das uniforme Regeln für alle Namen umsetzt. Städte und Gemeinden, Kreuzungen und historische Stätten von Nord nach Süd werden damit in einer einzigen Art bezeichnet werden.

Niemand soll sich mehr die Haare raufen müssen, ob es sich bei Massada, Mezada oder etwa Metzuda um die trutzige Burg von Herodes oberhalb des Toten Meeres handelt. »Wir müssen uns der Angelegenheit mit fundamental anderer Einstellung nähern«, machte der Regierungschef in der vergangenen Woche klar. Alte Schilder in den Schredder, neue an die Straßen.

rechtschreibung Ein Ort – ein Name, lautet das Motto 2011. Nichts anderes soll mehr den Weg weisen oder vom selbigen abbringen. Die Formel soll zudem in sämtlichen Straßenkarten, Reiseführern und Hinweisbroschüren übernommen werden. »Kurz gesagt in allen offiziellen Publikationen«, verkündete der Premier zuversichtlich, »um einen Standard für unser Land zu entwickeln und das Lesen von Schildern zu erleichtern«. Alle Behörden werden dann verpflichtet sein, die eine Rechtschreibung anzuerkennen und zu benutzen.

Ein Grund für die Verwirrung sind die drei Schreibweisen. Die neue soll für die Transliteration gelten, bei der die Lettern von einer in die andere Buchstabenschrift übertragen werden, von der hebräischen in die arabische, die lateinische und umgekehrt. Die bisher angewandten Regeln stammen von 1957 und wurden nie angepasst. Davor hatten Linguisten einen Code ausgetüftelt, bei dem jeder einzelne hebräische Buchstabe übersetzt wird. Auf diese Weise entstanden Bezeichnungen wie Nahariyya oder Herzliyya, bei denen Ausländer nicht selten ins Stottern kommen.

Die Idee, orthografisch in der Neuzeit anzukommen, entstand vor vier Jahren. Damals brachten Knessetabgeordneten einen Gesetzesentwurf ein, der in allen Lesungen angenommen wurde. Einer der Parlamentarier erklärte seinerzeit: »Ich hatte Besuch aus dem Ausland und bin mit ihm durchs Land gereist. Plötzlich begegneten uns überall diese Schilder mit verschiedenen Schreibweisen für ein und denselben Ort.« Nathanja, Netanyya oder Netania. »Absurd«, fand der Parlamentarier und organisierte den Aufstand gegen den Fehlerteufel.

Zuständig für die Kennzeichnungen sind bis heute unterschiedliche Personen und Behörden: die Verwaltungen der verschiedenen Straßen, lokale Ämter und einzelne Beamte. Jeder schreibt und übersetzt, wie es ihm gerade gefällt. So meint der Bürgermeister von Caesarea vielleicht, er wolle am biblischen Originaltitel mit dem großen »C« festhalten, sein Kollege im benachbarten Zichron Yaakov indes findet, aus dem Hebräischen übersetzt müsse der Ort unbedingt »Kesariyya« heißen. Einheitliche Regeln oder Abstimmungen gibt es nicht.

Das neue Gesetz sieht vor, dass bald nur noch eine Behörde zuständig sein wird. Der Transportminister muss dann die entsprechende Schreibweise dem Wirtschaftskomitee der Knesset vorlegen, das diese gemeinsam mit der Akademie für die Hebräische Sprache prüft.

vereinheitlichung Fremdenführer Juval Edri findet die Vereinheitlichung überfällig. »Ständig musste ich Gästen aus der ganzen Welt sagen, warum auf einem Schild Nazareth steht, auf dem anderen Natzrat und dass es sich dabei um ein und denselben Ort handelt. Aber so viel ich auch erläutert habe, es hat dennoch niemand verstanden. Wir sind doch ein hochentwickeltes Land, aber nicht in der Lage, richtig zu schreiben?« Edris Urteil ist vernichtend: »Richtig peinlich.«

Ursprünglich sollte alles schnell vereinheitlicht werden. Doch es wäre nicht Israel, wenn nicht daraus ein Politikum geworden wäre. Vor zwei Jahren machte Transportminister Israel Katz Schlagzeilen mit dem Vorschlag, alle Städte nur noch mit ihrem hebräischen Namen auszuschildern. Aus Jerusalem würde dann Yerushalayim, die arabische Bezeichnung »Al Quds« für die Hauptstadt würde ebenso entfallen wie die internationale »Jerusalem«. Wut und Empörung bei den arabischen Israelis waren die Folge.

»Kein Besucher aus Japan oder Ghana weiß, dass es sich bei Yerushalayim um unsere goldene Stadt handelt«, ist Reiseleiter Edri sicher. »Endlich kommen die Touristen wieder in Strömen – und dann vergraulen wir sie durch so etwas? Willkommen in Absurdistan!«

Ganz so absurd soll es dann aber doch nicht werden. Katz will zumindest die angelsächsischen Bezeichnungen stehen lassen. Bei den arabischen aber hat er vor, das Komitee von seinem Vorschlag zu überzeugen, dass es in Bälde nur noch Bezeichnungen auf Iwrit geben wird, es sei denn, der Name ist ohnehin identisch in beiden Sprachen.

»Es geht hier um zionistische Überzeugung«, so der Minister. »Arabische Gemeinden wollen auch keine hebräischen Namen haben, die Palästinensische Autonomiebehörde hat angeordnet, Wegweiser mit den Buchstaben zu entfernen«, erklärte er seinen Plan.

Wer sich diesbezüglich im Komitee letztendlich durchsetzen wird, steht noch in den Sternen. Eins jedoch scheint klar: Bis zu einer endgültigen Regelung werden noch viele Umwege gemacht werden müssen.

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