Die nächste Attacke scheint schlimmer als die vorige. Hinterhältig und unvorstellbar grausam. Doch eines haben die Anschläge palästinensischer Extremisten gemeinsam: den Hass, der der eigentlichen Tat vorausgeht. Den braucht der Terror, um sein Ziel zu erreichen. Er will schockieren, Angst verbreiten und die Bevölkerung lähmen. Seit zwei Monaten erschüttert eine Reihe von Terroranschlägen Israel, bei denen in zwei Monaten 18 Menschen ermordet wurden.
Bei dem jüngsten Anschlag vom vergangenen Donnerstagabend in der Stadt Elad wurden drei Familienväter auf brutale Weise getötet. Ein Täter schoss, der zweite schlug mit einer Axt auf die Männer ein. Die Opfer hinterlassen insgesamt 16 Kinder. Vier weitere Menschen wurden verletzt.
60 Stunden dauerte es, bis die mutmaßlichen Täter festgenommen wurden. Es handelt sich um einen 19- und einen 20-jährigen Palästinenser aus dem Westjordanland. Die Verhaftung selbst gab Anlass zu wütenden Diskussionen in der israelischen Gesellschaft. Nachdem sich Angehörige eines Opfers beschwerten, dass einem der Gefassten eine Zigarette angeboten wurde, brach eine Debatte über die Behandlung von Terroristen los.
Hamas Ebenso wird dieser Tage heftig diskutiert, ob die israelische Armee (IDF) den Anführer der Hamas im Gazastreifen, Yahya Sinwar, gezielt töten soll. Das wurde unmittelbar nach dem Anschlag von Elad getwittert. Es würde jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit einen neuen Krieg zwischen Israel und Gaza auslösen. Der vergangene liegt kaum ein Jahr zurück.
Militäranalysten gehen davon aus, dass die Hamas in Gaza nicht hinter den jüngsten Anschlägen steckt, sondern eher »auf der Welle mitreitet«, um Gewalt zu fördern. In einer Bewertung, die den politischen Anführern vorgelegt wurde, präsentierte die IDF ein Bild der Terrororganisation, die Attacken »wegen ihres PR-Wertes nutzt und um mehr Palästinenser zu ähnlichen Maßnahmen zu bewegen«. Nur weniger als eine Woche später, nachdem Sinwar arabische Bürger Israels und Palästinenser im Westjordanland aufgefordert hatte, »Beile einzusetzen, um Juden anzugreifen«, fand der Anschlag in Elad statt.
Heftig diskutiert wird, ob Hamas-Anführer Yahya Sinwar gezielt getötet werden soll.
Der Anführer der rechtsextremen Partei Otzma Yehudit, Itamar Ben Gvir, versucht, die geschockten Einwohner anzustacheln, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Auch in Elad. Viele wollen das nicht hören. Schlomo Lindner, ein Bewohner der vor allem ultraorthodoxen Gemeinde, sagte in einem Fernsehinterview: »Jemand kam aus der Siedlungsbewegung und hetzte die Jugend hier auf. Die Ultraorthodoxen aber glauben nicht daran, Brüder zu töten. Wir glauben nicht an solche Dinge und nicht daran, Araber umzubringen. Wir rufen nicht zum Mord auf.«
Nationalgarde Premierminister Naftali Bennett will dem Terror mit einer »zivilen Nationalgarde« entgegentreten. Es reicht nicht aus, die Terroristen zu fassen. Wir befinden uns in einer neuen Phase des Krieges gegen den Terror.« Eine Aufgabe mit höchster Priorität für die israelische Regierung sei es, die persönliche Sicherheit der Bürger Israels wiederherzustellen. Im Juni sollen der Nationale Sicherheitsrat und das Ministerium für öffentliche Sicherheit ihren Vorschlag vorlegen.
Professor Gabi Siboni, derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Jerusalem Institute for Strategy and Security, ist leitender Berater der IDF und anderer Sicherheitsorganisationen. Er erklärt, dass »diese Welle nichts Neues ist«. Seiner Meinung nach würde Israel bei Terroranschlägen stets versuchen, den Grund zu finden. Doch das sei ein Problem.
»Manchmal passiert es, wenn jemand auf den Tempelberg geht, ein anderes Mal, weil etwas am Damaskustor geschieht. Alles sind dumme Ausreden. Tatsache ist, dass unser Konflikt mit den Arabern seit langer Zeit besteht, er ist kulturell, religiös und politisch. Und so gibt es immer wieder Terrorwellen.«
konflikt Man solle indes die Situation insgesamt bewerten. »Wir müssen es strategisch betrachten, da der Konflikt mit den Palästinensern nicht von jenem mit dem Iran zu trennen ist. Der Iran will den Nahen Osten dominieren, und Israel befindet sich im Zentrum dieses Konflikts. Das Regime in Teheran findet Interessenspartner in der Hamas und dem Islamischen Dschihad in Gaza. Die iranische Strategie ist einerseits, nukleare Waffen zu erlangen, und zweitens, Terror vor allem in Israel durchzuführen«, erläutert Siboni.
Israel wende zwar sehr gute taktische Maßnahmen durch seine Sicherheitskräfte an, habe jedoch keine angemessene Strategie, um Terror zu begegnen. Zwar führt auch Siboni selbst keine an und gibt zu, dass dies leichter gesagt als getan sei, »doch es muss sein«.
Um Terror vorzubeugen, sollte Jerusalem »jede legitime Möglichkeit nutzen, um den Iran und seine Stellvertreter zu schädigen, wann immer es angegriffen wird«, ist der Experte überzeugt. »Denn der nächste Anschlag ist schlimmer als der vorige.«