Diplomatie

Neue Normalität in Nahost

Die Flaggen Israels und der Emirate Seite an Seite in der Stadt Netanja Foto: Flash 90

Es war nur ein zweizeiliger Tweet. Doch der sagte viel: »Historische Woche des Friedens. Schabbat Schalom« – auf Englisch, Arabisch und Hebräisch. Geschrieben hatte ihn Hend Al Otaiba, die Direktorin für strategische Kommunikation im Außenministerium der Vereinigten Arabischen Emirate. Gerichtet war er an die Israelis und die ganze Welt.

Der Frieden zwischen der Golfnation und dem jüdischen Staat soll »von bedeutendem Austausch, regelmäßigen Treffen und gegenseitigen Möglichkeiten geprägt« sein, führte Al Otaiba aus. Über die Aussöhnung zwischen Israel, den Emiraten und dem kleinen Königreich Bahrain freut sich der Großteil der Welt. Der israelische Premier Benjamin Netanjahu versprach, sie werde Israel einen wirtschaftlichen Boom bringen. »Das ist immer gut – aber besonders in Zeiten von Corona.«

Der Meretz-Abgeordnete Yair Golan forderte, die Vereinbarungen dem Außen- und Verteidigungskomitee vorzulegen.

Allerdings müssen die Friedensverträge, bevor sie gültig werden, von der Knesset bestätigt werden. Der Abgeordnete der Linkspartei Meretz, Yair Golan, forderte am Wochenbeginn, dass die Vereinbarungen dem Außen- und Verteidigungskomitee vorgelegt werden. Golan, ein ehemaliger stellvertretender Stabschef, erläuterte, dass man sich ansehen müsse, ob Israel mit den Abkommen seinen militärischen Vorsprung in der Region bewahren könne. Netanjahu hatte versprochen, dass die Verträge zur Abstimmung gebracht werden. Das Datum ließ er jedoch offen.

VORSPRUNG Um jenen Vorsprung geht es bei der Reise von Verteidigungsminister Benny Gantz nach Washington. Er wird sich zu einer Reihe von Gesprächen treffen, darunter mit seinem amerikanischen Amtskollegen Mark Esper und anderen hochrangigen Staatsbeamten. Auf der Agenda stehen die Verkäufe von hoch entwickelten F-35-Kampfjets an die Vereinigten Arabischen Emirate, die die US-Regierung unter Präsident Donald Trump mehrfach angesprochen und als »problemlos« bezeichnet hatte. Gantz’ Amtskollege Esper versicherte: »Die Bewahrung von Israels militärischem Vorsprung in der Region ist einer der Eckpfeiler unserer Verteidigungsbeziehung.«

Netanjahu war bereits am 13. September nach Washington geflogen, um die Verträge mit den Golfstaaten zu unterzeichnen. Berichten in israelischen Medien zufolge soll das Weiße Haus versuchen, auch zwischen Israel und Marokko, Oman, dem Sudan sowie Saudi-Arabien diplomatische Beziehungen in der nahen Zukunft aufzubauen.

Während die Israelis mit den Golfstaaten und der US-Regierung ihre Friedensdeals feierten, rief die Palästinenserführung zu einem »Tag des Zorns« auf.

Während die Israelis mit den Golfstaaten und der US-Regierung ihre Friedensdeals feierten, rief die Palästinenserführung zu einem »Tag des Zorns« auf. Doch kaum jemand kam. Einige Dutzend Aktivisten demonstrierten am Dienstag in brütender Hitze auf dem zentralen Platz in Ramallah gegen die Abkommen, doch in den Straßen des Westjordanlandes war wenig vom großen Unmut zu spüren.

ABLEHNUNG Der Grund für das mangelnde Interesse ist nicht nur das Coronavirus, sondern ebenso die tief sitzende Frustration in der Bevölkerung. Viele beklagen sich, wenn auch oft noch hinter vorgehaltener Hand, über die generelle Ablehnung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, mit Washington oder Jerusalem zu reden. »Was hat uns das gebracht?«, fragen sie und schauen sehnsüchtig in eine Zukunft ohne den Konflikt, die zweifellos mehr Wohlstand bringen würde.

Abbas jedoch will nicht verhandeln. Er fühlt sich von den Verbündeten verraten und kritisiert die Normalisierung, die seiner Meinung nach »keinen regionalen Frieden bringen wird, solange die Besatzung durch Israel andauert«. Der Iran, die Opposition in Bahrain und einige andere pflichten ihm bei. Doch die Stimmen werden immer weniger. Stattdessen wächst der Druck auf die Palästinenser nach langen Jahren der politischen Eiszeit mit Israel immer mehr. Außenminister Gabi Ashkenazi von der Zentrumspartei Blau-Weiß forderte sie wiederholt auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Die Emirate fordern, dass die Palästinenser sich einsichtiger zeigen.

Die US-Regierung drängt schon lange, und jetzt wollen sogar die Emirate, dass Ramallah sich einsichtiger zeigt. In Washington sagte der stellvertretende Minister für Diplomatie, Omar Saif Ghobash, dass die Palästinenser »den Willen zeigen müssen, sich selbst zu helfen«. Er bestritt, dass die Normalisierung der Beziehung mit Israel auf Kosten der Palästinenser geschehe. »Statt die alten Flüche und Kritiken heranzuziehen, sollten sie sehen, was wir hier zu tun versuchen.« Die Verbundenheit mit Israel, meint er, würde der palästinensischen Sache nicht schaden, sondern ihr helfen.

Noch während der Unterzeichnung der Friedensverträge schossen extremistische Palästinenser im Gazastreifen Raketen auf Israel ab; die IDF flog Vergeltungsangriffe. Auch die in der Enklave regierende Hamas lehnt die Friedensabkommen ab. Am Tag darauf schrieb sie jedoch, sie sei »an keiner Eskalation mit Israel interessiert«.

EINLADUNG Währenddessen haben israelische und emiratische Einrichtungen und Unternehmen begonnen, intensiv miteinander zu kooperieren. Ein Beispiel ist die Film- und Fernsehbranche beider Länder, die sich zu Trainings, Co-Produktionen und einem gemeinsamen Filmfestival zusammentun will. Kunst sei die universelle Spache, die als Brücke zwischen den Kulturen und Menschen dienen könne, meint Lisa Shiloach-Uzrad, die Direktorin des israelischen Filmfonds. »Ich glaube, dies ist eine wundervolle Möglichkeit der Zusammenarbeit, durch die wir lernen und uns als Nachbarn im Nahen Osten näherkommen können.«

Auch Reiseexperten und Tourismusblogger tauschen sich seit Wochen rege über Sehenswürdigkeiten und Gepflogenheiten ihrer jeweiligen Nation aus.

Der israelische Geschäftsmann Schlomi Fogel gründete einen Fonds, durch den Geschäftsleute aus den Golfnationen in Hightech-Unternehmen aus Israel investieren können. In der vergangenen Woche war dafür eine Delegation aus den Emiraten angereist.

Auch Reiseexperten und Tourismusblogger tauschen sich seit Wochen rege über Sehenswürdigkeiten und Gepflogenheiten ihrer jeweiligen Nation aus. Wie Lonely Peleg aus Israel und Khalifa Al Mazrouei aus den Emiraten. Zwei Reisebegeisterte, die sich noch nie in ihrem Leben gesehen oder gegenseitig besucht haben. Vor einigen Tagen lernten sie sich in einem »Zoom«-Treffen kennen, das vom israelischen Tourismusministerium organisiert wurde.

»Wenn ich komme, welche Orte soll ich anschauen?«, fragte Lonely Peleg. »Hier ist alles sehr klein, du kannst die ganze Region bereisen. Es gibt so viel zu sehen«, pries Al Mazrouei seine Heimat. »Wir haben das Mittelmeer und das Tote Meer, auf dem du schweben kannst. Im Norden ist alles grün, im Süden die Wüste. Und klein ist es auch«, entgegnete der israelische Blogger.

»Das hört sich gut an. Meine Freunde können es kaum abwarten und fragen: ›Wann fahren wir?‹ Wir wollen Israel wirklich bald besuchen. Inschallah!« Die beiden unterhielten sich knapp eine Viertelstunde lang, luden sich gegenseitig ein, lachten und nannten sich »mein Bruder«. Vielleicht ist es nicht das Normalste der Welt – aber ganz sicher ist es die neue Normalität in Nahost.

Washington D.C.

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