Die Purim-Partys sind vorbei. Und jetzt müssen die Aufräumarbeiten beginnen. Trotz strikter Verbote und nächtlichem Lockdown haben viele - vor allem junge - Israelis ihre Kostüme übergezogen, Alkohol eingepackt und gefeiert, als gebe es kein Morgen. Auch in ultraorthodoxen Gemeinden gab es Regelverstöße gegen das Purim-Feierverbot. Die Regierung sorgt sich, dass die Corona-Infektionszahlen jetzt wieder ansteigen werden.
LOCKERUNGEN Derzeit erwägt das Gesundheitsministerium, welche Lockerungen der Beschränkungen kurzfristig umgesetzt und welche verzögert werden sollen. Eigentlich hätte es in der kommenden Woche weitere Aufhebungen der Corona-Maßnahmen geben sollen. Ab 7. März war geplant, dass sämtliche Klassen in Ortschaften mit geringer Infektionsrate oder in denen mehr als 70 Prozent der über-50-Jährigen geimpft sind, wieder an den Schulen unterrichtet werden.
Darüber hinaus plant die Regierung offenbar, den Schulunterricht in die Sommerferien auszudehnen. Allerdings erhebt die Lehrervereinigung Einspruch. Deren Vorsitzender Ran Erez sagte im Fernsehinterview, dass »die Schulen am 20. Juni schließen werden, wie zuvor zwischen Bildungsministerium und der Vereinigung vereinbart«.
»Erst in den kommenden Tagen sehen wir, wie die Purim-Veranstaltungen die Morbidität beeinflussen.«
Israelisches Gesundheitsministerium
Neben den Schulöffnungen soll zur dritten Phase des »Exits aus dem Lockdown« auch gehören, dass kleine Restaurants sowie Cafés wieder Kunden empfangen dürfen. In größeren Lokalen soll es dann mit einer Vorab-Reservierung möglich sein, einen Tisch zu bestellen.
WERT Doch jetzt, da der R-Wert wieder bei 0,99 liege, überlege man, alle Öffnungen zu verschieben, heißt es aus Jerusalem. R-Wert beschreibt die Anzahl, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt. Liegt der Wert bei eins oder darüber, bedeutet dies, dass sich das Virus ausbreitet.
Allerdings habe die Steigerung nichts mit den Purim-Partys zu tun, betont das Gesundheitsministerium. Nach der Öffnung von Teilen der Wirtschaft und der Schulen eine Woche zuvor war dies zu erwarten gewesen. »Erst in den kommenden Tagen sehen wir, wie die Purim-Veranstaltungen die Morbidität beeinflussen und werden dann entscheiden«, so das Ministerium.
AUSEINANDERSETZUNGEN Auch in vornehmlich charedischen Gegenden feierten viele den jüdischen Karneval trotz des Verbots in großen Gruppen. Am Sonntag zogen Tausende ausgelassen und verkleidet durch die Jerusalemer Straßen. Die Polizei gab an, dass es auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam.
Die Rate der positiven Coronatests war in den vergangenen Wochen stetig gesunken. Während sie sich zur Zeit des dritten nationalen Lockdowns Anfang des Jahres lange um neun bewegt hatte, liegt sie jetzt bei 5,4. Ebenso geht die Zahl der ernsthaft erkrankten Patienten in den Krankenhäusern zurück. Derzeit werden landesweit noch 742 Covid-19-Kranke behandelt. Insgesamt sind in Israel bislang 5758 Menschen an den Folgen der Erkrankung gestorben.
Israel wird in der kommenden Woche mit der Impfung von Zehntausenden palästinensischen Arbeitern beginnen.
Derweil geht die umfassende Impfkampagne weiter. Mittlerweile sind 4,72 Millionen Menschen in Israel geimpft. 51 Prozent der Bevölkerung haben die erste Spritze erhalten, 36 Prozent bereits die zweite. Jene erhalten von ihren Krankenkassen einen sogenannten grünen Gesundheitspass, mit dem sie wieder mehr am öffentlichen Leben teilnehmen können.
In den kommenden Tagen wird Israel mit der Impfung von Zehntausenden palästinensischen Arbeitern beginnen, teilte das Verteidigungsministerium am Wochenbeginn mit. Palästinenser mit einer Arbeitserlaubnis für Israel oder die Industriegebiete an oder innerhalb der jüdischen Siedlungen des Westjordanlands sollen den Impfstoff des Herstellers Moderna erhalten. Israelische Ärzteteams würden an ausgewählten Punkten eingesetzt.
FRIEDENSTRUPPEN Die Kampagne soll »die öffentliche Gesundheit und das Funktionieren der Wirtschaft erhalten«, heißt es in einer Erklärung von COGAT, der für die israelischen Aktivitäten in den Palästinensergebieten zuständigen Behörde. Jerusalem stimmte nach Berichten des öffentlich-rechtlichen Senders Kan auch zu, den Friedenstruppen auf dem Sinai Vakzine zur Verfügung zu stellen. Diese Ankündigung kommt nach dem Eklat um die Impfstoffe, die Premierminister Benjamin Netanjahu angeblich verschiedenen Ländern im Austausch für diplomatische Unterstützung zugesagt hatte.
Für einige israelische Inhaber des grünen Passes gab es in der vergangenen Woche einen Vorgeschmack auf das, was nach Corona kommt: die ersten Live-Konzerte nach dem Ausbruch der Pandemie im Land. Die Sängerin Nurit Galron schmetterte ihre Hits im Tel Aviver Ganei Yehoshua-Park, und die Fans rockten. In Herzlija trat Idan Raichel auf, Miri Mesika sang in Jerusalem. Die kulturellen Events sollen in den nächsten Wochen weitergehen – sehr zur Freude der Geimpften.