Die Pandemie macht depressiv: Mit diesen Worten kann man die Ergebnisse der neuen Studie der Tel Aviv Universität (TAU) zu den Auswirkungen des Covid-19-Ausbruchs zusammenfassen. Besonders junge Erwachsene seien »von den extremen Schäden für die mentale Widerstandsfähigkeit betroffen«.
EINSCHRÄNKUNGEN Seit dem 18. September gibt es einen zweiten landesweiten Lockdown, der zwar ab Oktober schrittweise gelockert wird, doch nach wie vor große Einschränkungen für die Bevölkerung mit sich bringt. Jetzt werden sogar wieder striktere Maßnahmen eingeführt, etwa eine nächtliche Ausgangssperre während der Chanukka-Festwoche. Auch sprechen Politik und Gesundheitsexperten dauerhaft von einem dritten Lockdown.
Viele Menschen beklagen, dass die »einzige Gewissheit derzeit die Ungewissheit« sei.
Der sonst normale »Stehaufmännchen-Effekt«, der nach anderen Krisen, etwa Wellen von Terroranschlägen, gesehen wird, bleibe derzeit aus, beschreibt die Studie. Doch woher soll er auch kommen, wenn das öffentliche Leben in Israel seit dem Frühjahr fast ausschließlich von der Corona-Pandemie bestimmt wird? Viele Menschen beklagen, dass derzeit die »einzige Gewissheit die Ungewissheit ist«.
SORGE Die leitende Forscherin der Untersuchung, Notfallmedizin-Spezialistin Bruria Adini von der TAU, habe auf den »klassischen israelischen Effekt« des Wiederaufstehens gehofft. »Doch es bereitet uns Sorge zu sehen, dass die mentale Gesundheitskrise immer schlimmer wird.«
Für das Projekt wurden Hunderte von Menschen vor und während der Pandemie untersucht. Während des Lockdowns im Oktober gaben 29 Prozent der Israelis an, große Angstzustände zu haben, und 20 Prozent beschrieben »ein hohes Level von Depressionen«. Vor der Pandemie lagen diese Zahlen bei zwölf beziehungsweise neun Prozent.
Im Gegensatz zu landläufigen Annahmen ist die physische Gesundheit die geringste Sorge der Menschen. Lediglich fünf Prozent der Befragten fühlen sich in dieser Hinsicht bedroht. Nahezu ein Drittel aller Israelis (30 Prozent) aber beklagen die politische Instabilität, während 20 Prozent große Finanzängste angeben.
»Israelis zwischen 30 und 40 sind besonders von der Krise betroffen.«
Wissenschaftlerin Bruria Adini
Während die Forscherin bestätigt, dass die Politik sich um ältere Menschen kümmert und das richtig sei, gibt Adini zu bedenken, was die Ergebnisse ihrer Studie zeigen: dass Israelis zwischen 30 und 40 Jahre besonders von der Krise betroffen sind. »Man würde annehmen, die Gruppe ist widerstandsfähiger. Doch tatsächlich haben diese Leute öfter Angstzustände und Depressionen als die älteren Menschen.«
»Der Trend steigt und steigt und hat mittlerweile Auswirkungen auf die Familien, die Gesellschaft, die Beschäftigung. Und darum müssen sich die Politiker kümmern«, macht sie klar. Sie wolle kein »Alarmist« sein, will aber gleichsam klarmachen, dass darauf geachtet werden müsse. »Wenn die politischen Anführer die Bevölkerung auf ihrer Seite haben wollen, müssen sie anerkennen, was sie wirklich belastet.«