Israel

»Lage an Schulen eine Katastrophe«

»Schwita« seht an der Tafel dieser Grundschulklasse in Tel Aviv - Streik. Foto: Flash 90

Hunderte von Schulen und Kindergärten in ganz Israel bleiben dieser Tage zugesperrt. Wegen der überraschenden Ankündigung der Regierung in Jerusalem, die Gehälter von Lehrkräften zu kürzen, streikten die Lehrerinnen und Lehrer am Montag bereits den zweiten Tag in Folge. Am Nachmittag wurde angekündigt, dass die Schulen auch am Dienstag nicht geöffnet werden.

Obwohl sich die Lehrergewerkschaft am Samstagabend noch mit dem Finanzministerium auf den Kompromiss geeinigt hatte, dass die Schulen am Folgetag um zehn Uhr morgens wieder öffnen werden, meldeten sich die Lehrer geschlossen krank, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.

Lehrer verlangen, dass Kürzung komplett gestrichen wird

Sonntagabend dann die Erklärung der Lehrergewerkschaft, sie habe »erreicht, dass die Gehaltskürzung auf 0,95 Prozent und nicht auf 3,3 Prozent festgesetzt wird«. Die Kürzung werde durch Beförderungen und Schulleistungen ausgeglichen, und die Lehrer würden zusätzliche Urlaubstage erhalten, hieß es weiter.

Lehrer erklärten in israelischen Medien, sie seien verärgert über die Zugeständnisse von Gewerkschaftschefin Yaffa Ben David, die ihrer Meinung nach bei den Verhandlungen zu kompromissbereit gewesen sei. »Wir bestehen darauf, dass die Gehaltskürzung vollständig gestrichen wird. Wir akzeptieren keine Reduzierungen und keinen Ausgleich«, so ein namentlich nicht genannter Lehrer. »Wir verlangen eine Erhöhung unserer mageren Gehälter. Und jetzt nehmen wir unser Schicksal selbst in die Hand. Die Situation brodelt und ist kurz vor dem Überlaufen.«

Israel leidet unter Lehrermangel

Seit Jahren herrscht in Israel akuter Lehrermangel. Die Hauptgründe sind die zu geringe Bezahlung und die oft schlechten Arbeitsbedingungen an Schulen. Außerdem wollen viele nicht in der Peripherie leben, wo Hunderte von Lehrern fehlen. Trotzdem kündigte die Regierung Ende vergangener Woche aus heiterem Himmel die Gehaltskürzung an. Für besondere Verärgerung sorgte die Tatsache, dass Lehrkräfte an ultraorthodoxen Schulen davon nicht betroffen sind, wie Channel 12 berichtete. Sie erhalten weiter ihr volles Gehalt.

Lehrerin Orit D: »Wir fragen bei den Eltern nach, wer etwas kann, was wir einsetzen können. Eine Mutter, die nie zuvor unterrichtete, gibt jetzt den vierten Klassen Englischunterricht.«

Die Nachrichtenseite Walla berichtet, dass allein in Tel Aviv 48 Grundschulen geschlossen blieben. Channel 13 zufolge sind rund 300 Bildungseinrichtungen im ganzen Land betroffen.

Folgen müssen die streikenden Pädagogen nicht erwarten. Zum einen stehen die Schulleitungen hinter ihnen, zum anderen gibt es ohnehin viel zu wenig Lehrkräfte im Land.

Orit D. darf offiziell nichts zum Streik sagen. Äußern möchte sie sich trotzdem. Sie unterrichtet seit fast 20 Jahren an Grundschulen, ist Klassenlehrerin und stellvertretende Schulleiterin. »Und über die vielen Jahre hat sich die Lage zusehends verschlechtert. In den letzten vier, fünf Jahren ist es eine echte Katastrophe geworden.« Wegen des akuten Lehrermangels gebe es nicht nur andauernd Freistunden für die Kinder, die Qualität des Unterrichts leide »extrem«, so die Pädagogin.

Schulleitung appelliert an Eltern

»Wir fragen sogar bei den Eltern unserer Schüler nach, wer etwas kann, was wir einsetzen können. Eine Mutter, die noch niemals zuvor unterrichtet hat, gibt jetzt den vierten Klassen Englischunterricht, ein Vater Mathestunden, ein anderer bringt den Mädchen und Jungen den Umgang mit Computern bei.«     

Sie streikt für bessere Bedingungen, »damit sich mehr Menschen für unseren Beruf entscheiden«, erklärt sie. »Nur so können wir eine bedeutsame Lernumgebung für die Kinder schaffen. Sie sind unsere Zukunft, das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen.« Ihre Schulleitung plädierte sogar per Email an die Eltern. In der stand: »Liebe Eltern, wir wissen, dass der Streik sehr schwer für Euch ist. Doch bitte habt Geduld und steht an unserer Seite. Vernünftig bezahlte Lehrerinnen und Lehrer kommen letztendlich auch Euren Kindern zugute.«

Andrea Kiewel

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